FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Westarbeit.

Inhalt:

I.      Alliierte Besetzung Deutschlands und der Konflikt um die FDGB-Gründung

II.     Zwei Staaten - zwei Gewerkschaftsbünde

III.    Nationale Gewerkschaftseinheit unter Führung des FDGB

IV.    Die Rolle der KPD in der FDGB-Westarbeit

V.     DDR-Anerkennungspolitik in Westdeutschland

VI.    Gewerkschaften im staatsmonopolist. Kapitalismus (Stamokap) der BRD

VII.   Beschlusslagenpolitik für die Anerkennung der DDR im DGB

VIII.  Vorstandsdiplomatie zwischen DGB und FDGB

IX.    Avantgarde im DGB: Die IG Druck und Papier/Die IG Medien

X.     Die Wiederherstellung einer gesamtdeutschen Einheitsgewerkschaft

         Literatur


Der von der KPD 1945 geprägte Begriff W. umschrieb die operative Umsetzung der deutschlandpolit. Ziele von KPD/SED in den westlichen Besatzungszonen und der späteren BRD. In der SED-Parteiprogrammatik galt als strateg. Ziel der Westpolitik die Herbeiführung einer revolutionären Veränderung der BRD und letztlich die Durchsetzung eines von der SED geführten sozialist. Nationalstaates. In der polit. Praxis verschoben sich im Laufe der Jahrzehnte die Prioritäten. Schon sehr früh rückte, begleitet von vergleichbaren Bemühungen auf internationaler Ebene, das Streben nach völkerrechtlicher Anerkennung der staatlichen Existenz der DDR in der BRD in den Mittelpunkt der W. W. umfasste die Propaganda der SED in der BRD, die umfassende Anleitung und Unterstützung der westdeutschen KPD und ab 1968 der DKP, die gezielten Versuche der Einflussnahme auf westdeutsche Politiker, Gewerkschaftsfunktionäre, Journalisten, Wissenschaftler und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Die jeweilige Linie der W. wurde zwischen der SED und der sowj. Führung abgestimmt und war deren deutschlandpolit. Zielsetzung untergeordnet. Die Verantwortung für die polit. Umsetzung trug in der SED immer ein Mitglied des PB, dem eine eigene Westabteilung im ZK der SED unterstand. In die Umsetzung dieser Westarbeit einbezogen waren die Blockparteien (vgl. Blockpolitik und Massenorganisationen), namentlich FDGB und FDJ, aber ebenso der DTSB, der Kulturbund oder der DDR-Friedensrat.


I.   Alliierte Besetzung Deutschlands und der Konflikt um die FDGB-Gründung

Die KPD-Führung konnte zu Kriegsende auf Exilplanungen für ihre Politik im besetzten Deutschland zurückgreifen. Um die Jahreswende 1943/44 erhielten die KPD-Kader im Moskauer Exil von sowj. Seite den Auftrag, über die Politik ihrer Partei nach dem alliierten Sieg über Hitler und unter den Bedingungen alliierter Besetzung Deutschlands nachzudenken. Sie erkannten, dass die Grundfrage deutscher Politik nach Hitler darin bestehen würde, ob sich das Land nach Osten oder nach Westen orientiert. Diese Moskauer Kader sahen ihre Aufgabe natürlich darin, die Ostorientierung durchzusetzen. Die „Freundschaft mit der Sowjetunion“ würde, wie es Wilhelm Florin (*16.3.1894-†7.7.1944), einer der führenden kommunist. deutschen Kader in Moskau, formulierte, „ein Problem der Lebensexistenz des deutschen Volkes und Deutschlands“. Die neue einheitliche deutsche Gewerkschaftsbewegung sollte daher geprägt sein von einer grundsätzlichen Kritik an der Entwicklung der deutschen Gewerkschaften vor 1933, sich am Vorbild der sowj. Gewerkschaften orientieren und damit am russischen Weg des revolutionären Kampfes, der mit dem Sieg der Arbeiterklasse über die Kapitalisten geendet habe. Im Gegensatz dazu habe der deutsche Weg des Reformismus sein Ende im „Faschismus und Imperialist. Krieg“ gefunden. Aus dieser Grundsatzposition folgte zwingend, dass sich die neuen Gewerkschaften nicht auf das enge Feld der Tarif- und Lohnpolitik (vgl. Tarifsystem und Lohnformen) beschränken durften, sondern in klarer Kenntnis der polit. Seite aller Lebensfragen sich „mit der Partei des werktätigen Volkes“, sprich den Kommunisten, verbinden müssten. Die von Florin geforderte „einheitliche Gewerkschaftsbewegung“ unterschied sich somit konzeptionell von der Einheitsgewerkschaft, die auf Toleranz und Strömungspluralismus beruhte und führte intentional bereits vor dem Neubeginn zu einer Frontstellung der Kommunisten gegen sozialdemokrat. (vgl. Sozialdemokraten) und christliche Gewerkschafter (vgl. Christdemokraten). Den Gewerkschaftsführern der Weimarer Republik wurde, wie auch wenig später im vorbereitenden Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin, unter Bezugnahme auf den 1. Mai 1933 „Kapitulation“ vor dem Faschismus vorgeworfen. Aus ihrer Tradition könnten sie daher keinen Führungsanspruch mehr ableiten. Dieser komme vielmehr den Kommunisten zu.
West- oder Ostorientierung war unter den Bedingungen alliierter Besetzung auch die Grundfrage für die Wiedergründung deutscher Gewerkschaften in den einzelnen Besatzungszonen. Die Westalliierten stützten sich auf erfahrene sozialdemokrat. und christliche Gewerkschaftsfunktionäre von vor 1933 und ließen sie dort den Wiederaufbau deutscher Gewerkschaften organisieren, während in der SBZ die Kommunisten mit dem vorbereitenden Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin sofort die Führung übernahmen. Im Alliierten Kontrollrat blockierte die französ. Besatzungsmacht 1945 ein Gewerkschaftsgesetz. Daraufhin forcierte die sowj. Besatzungsmacht die Gründung des FDGB in der SBZ. Diese wurde als „Gegengewicht“ zu der französ. Entscheidung gewertet. Den vom Organisationsausschuss für die Vorbereitung des 1. FDGB-Kongresses publizierten Entwurf einer Grundsatzerklärung über die Aufgaben des FDGB hielt die SMAD hervorragend geeignet, die „Aktionseinheit der Blockparteien in der Gewerkschaftsfrage zu festigen“, und das in Vorbereitung befindliche Gewerkschaftsstatut sollte „die Grundlage für einen künftigen Zusammenschluss der Gewerkschaften Deutschlands sowie für deren Aufbau auf wahrhaft demokrat. Grundlage bilden.“
Die FDGB-Gründung selbst führte allerdings zum Konflikt unter den Besatzungsmächten. Die Wahl von elf Vertretern aus dem FDGB Groß-Berlin in den BuV wurde von den Westmächten als „eine unrechtmäßige Verschmelzung“ der Berliner Gewerkschaften mit den Gewerkschaften der SBZ gewertet. Über diesen Konflikt informierte im März 1946 Wladimir S. Semjonow (*16.2.1911-†18.12.1992), damals polit. Berater des Chefs der SMAD, den sowj. Außenminister Wjatscheslaw M. Molotow (*9.3.1890-†8.11.1986): Die Auseinandersetzung um die FDGB-Gründung spiegele die allgemeine Linie der Westmächte wider, „die darauf gerichtet ist, Berlin in polit. Hinsicht von der sowj. Zone loszureißen und die leitenden KPD-Funktionäre von ihren Posten in Berlin zu entfernen.“ Semjonow ging auch auf den Verlauf der Einigungskampagne zur Gründung der SED ein, die nach seiner Meinung in ihrer polit. Bedeutung „längst weit über den Rahmen der Zone“ hinausgehe. Das zeige sich am Versuch der Westmächte, die Vereinigung von KPD und SPD mittels des Alliierten Kontrollrats zu erschweren, wo die Amerikaner verlangten, die Vereinigung von Parteien „ohne den demokrat. legitimierten Beschluss eines gesamtdeutschen Parteitages“ zu untersagen.
In den westlichen Besatzungszonen wurde daher die SED nicht zugelassen und in Berlin gelang dies in den Westsektoren erst, nachdem die sowj. Seite die Fortexistenz der SPD im Ostsektor von Berlin zugestanden hatte. Die Anerkennung der SED im gesamtdeutschen Maßstab war für Moskau wie auch für die deutschen Kommunisten damals von größter polit. Bedeutung.
Die Konflikte unter den Besatzungsmächten um die FDGB- und SED-Gründung waren Ausdruck unterschiedlicher polit. Ordnungen, die der Sowjetunion und den Westmächten in ihrer Besatzungspolitik in Deutschland als Referenzmodelle (vgl. sowj. Referenzmodell) dienten und die miteinander unvereinbar waren. In diesen frühen Konflikten formierte sich die Konstellation, die für die W. des FDGB Ausgangspunkt und Begrenzung zugleich bildeten.


II.   Zwei Staaten - zwei Gewerkschaftsbünde

Auf sog. Interzonenkonferenzen versuchten die mittlerweile entstandenen zonalen Gewerkschaftsbünde vergebens, sich auf ein Statut und Programm für eine gemeinsame Einheitsgewerkschaft zu einigen. Die Blockade Berlins durch die Sowjets 1948 ließ diese Konferenzen endgültig scheitern. Zur gleichen Zeit spaltete sich der FDGB Groß-Berlin. In den Westsektoren von Berlin entstand aus der Unabhängigen Gewerkschaftsopposition (UGO) eine vom FDGB unabhängige Gewerkschaft.
1949 konstituierten sich mit der BRD und der DDR die beiden deutschen Teilstaaten. Die zonalen Gewerkschaftsbünde im Westen schlossen sich 1949 in München zum „Deutschen Gewerkschaftsbund“ (DGB) als Dachverband unabhängiger Einzelgewerkschaften zusammen. Auf dem Gründungskongress war es Willi Bleicher (*27.10.1907-†23.6.1981), Jugendsekretär der IG-Metall und zugleich KPD-Mitglied, der die Frage der nationalen und gewerkschaftlichen Spaltung am Satzungsentwurf des Bundes unter Bezugnahme auf dessen §1 thematisierte, in dem die Rede war vom „Name(n) des zu gründenden Gewerkschaftsbundes für die Bundesrepublik Deutschland.“ Mit dieser Formulierung würden die Gewerkschaften den geschaffenen polit.-staatsrechtlichen Zustand auf die gewerkschaftliche Ebene übertragen und unwillentlich die Zweistaatlichkeit anerkennen. Die Spaltung der Nation war 1949 für kommunist. Gewerkschafter ein unnatürlicher Zustand. Die polit. Ordnungen der beiden Teilstaaten waren gegensätzlich und dies spiegelte sich auch im Selbstverständnis von DGB und FDGB wider. Der FDGB-Vorsitzende Herbert Warnke stimmte am 7.10.1949 im Namen seiner Organisation der Umwandlung des aus der Volkskongressbewegung hervorgegangenen „Deutschen Volksrates“ in die provisor. Volkskammer ebenso zu, wie der Bildung einer Regierung der DDR.


III.   Nationale Gewerkschaftseinheit unter Führung des FDGB

Der III. Parteitag der SED beschloss 1950 den Kampf um die nationale Einheit Deutschlands. Er richtete sich gegen die Westintegration der BRD und die damit verbundene absehbare Mitgliedschaft in der NATO. Herbert Warnke kündigte auf dem Parteitag an, besonders „die Friedensbewegung in Westdeutschland, und vor allem in der Arbeiterschaft zu fördern. Wir glauben, dass dabei den Genossen im FDGB damit ein Hauptteil dieser Aufgabe zufällt“. Er forderte eine „Aktionseinheit“ von unten gegen die „westdeutschen Gewerkschaftsführer“, die er beschuldigte, sich aktiv an der „ideolog. Vorbereitung des Krieges“ zu beteiligen und „Hetze gegen die Sowjetunion, die Volksdemokratien und die DDR“ zu betreiben. Die Kommunisten in den Gewerkschaften sollten „zu wirklichen Instrumenten des Kampfes gegen die Kriegsgefahr“ gemacht werden. Der FDGB wertet diesen Kampf als Existenzfrage und wollte seine Stimme stellvertretend „für die gesamte deutsche Arbeiterschaft, für die gesamte deutsche Gewerkschaftsbewegung erheben“, da die westdeutsche Gewerkschaftsführung „nicht im Lager des Weltfriedens“ stehe. Diese Ankündigung wurde auf dem 3. FDGB-Kongress zur Hauptlinie der gesamtdeutschen Politik des FDGB. Das nach dem Scheitern der Interzonenkonferenzen 1949 beim Büro des Sekr. geschaffene Büro für deutsche Gewerkschaftseinheit erhielt Abteilungsstatus. Angeleitet und kontrolliert wurde die W. vor Ort vor allem über sog. Instrukteure. Folgende Planziele wollte der FDGB im DGB erreichen:
1. Die Arbeiterschaft sollte in der Friedensbewegung, die als nationaler Widerstand gegen die „Kriegsvorbereitungen“ interpretiert wurde, zur „führenden Kraft“ werden.
2. Der „Kampf für innergewerkschaftliche Demokratie“ sollte geführt werden, um die „vom Ausschluss bedrohten fortschrittlichen Kollegen“ zu verteidigen.
3. Anknüpfend an die Diktion der Roten Gewerkschaftsinternationalen (RGI) sollte der Aufbau einer „Opposition der Massen“ gegen die „verräter. Führer“ befördert werden. Besonders wichtig waren dem FDGB selbständige Aktionen im „Friedenskampf“ in den Betrieben „auch gegen den Willen der verräter. Führer“.
4. Jegliches „Sektierertum“, das die „fortschrittlichen Kräfte“ von den Massen isolieren könnte, sollte vermieden werden.
5. Schließlich sollte die „kräftige und entschlossenste Propagierung der Errungenschaften der DDR und des FDGB, die die entscheidenden Kraftquellen für die Werktätigen ganz Deutschlands“ seien, betrieben werden.
Der DGB-BuV wertete am 1.9.1950 diese FDGB-Initiative als „Störungs- und Zersetzungsarbeit kommunist. und getarnter kommunist. Organisationen im Gewerkschaftsbereich“ und forderte von seinen Landesbezirksvorständen und den Hauptvorständen der 16 Einzelverbände, diesem Vorhaben entgegenzutreten. Durch kommunist. gesteuerte Unterschriftenaktionen für eine „Friedensaktion“ sollte aus Sicht des DGB ideologisch eine „Übereinstimmung der Gewerkschaftsmitglieder in Ost und West vorgetäuscht werden und die Absicht, das System der Ostzone auf Gesamtdeutschland zu übertragen eine Stütze finden […]. Eine Unterstützung dieser und ähnlicher von der KPD, dem FDGB und der SED propagierter Maßnahmen bedeutet daher auch die Unterstützung dieser Zielsetzung und damit am Ende die Zerschlagung der freien und unabhängigen Gewerkschaftsbewegung in Deutschland.“ Die konfrontative Ausgangslage in den Beziehungen zwischen FDGB und DGB war damit wechselseitig formuliert. Es waren polit. Ziele, die der FDGB in seiner W. verfolgte. Sie lagen auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik, forderten eine Parteinahme des DGB für außenpolit. Ziele der Sowjetunion, wie z.B. eine klare Gegnerschaft gegen die USA und das westliche Verteidigungsbündnis, und vor allem die Anerkennung der DDR. Eine eigenständige W. des FDGB konnte es nach dem eigenen Selbstverständnis als Massenorganisation der SED nicht geben, zudem es auch keine FDGB und DGB gemeinsamen gewerkschaftlichen Politikfelder gab.


IV.   Die Rolle der KPD in der FDGB-Westarbeit

Ansprechpartner der Westabteilung des FDGB in der BRD war von 1945-68 die KPD und von 1968-89 die DKP. Die westdeutschen Kommunisten waren in den Betrieben der BRD beschäftigt und in den DGB-Gewerkschaften organisiert. Nur mittels ihnen konnten SED und FDGB ihre Planziele in den Betrieben und im DGB und seinen Gewerkschaften umsetzen.
Die KPD wurde 1945 als gesamtdeutsche Partei („Reichspartei“) aufgebaut. Sie musste in den Westzonen als KPD weiter existieren, da die Westmächte die Ausdehnung der SED auf ihre Zonen inklusive einer einfachen Umbenennung der KPD in SED untersagten. SED- und westdeutsche KPD-Funktionäre verstanden sich beide als durch äußere Bedingungen getrennte Abteilungen einer gemeinsamen Partei der deutschen Kommunisten. Für sie war es selbstverständlich, dass im Rahmen der SED-W. die Vors. des FDGB und der KPD gemeinsam in einer „Kommission zur Herstellung der Aktionseinheit in Westdeutschland“ saßen. Ohne die aktive Kooperation mit Kommunisten in der BRD blieb die FDGB-W. vor allem auf Briefaktionen, Einladungen zu Delegationsreisen in die DDR (vgl. Deutsche Arbeiterkonferenzen) und allgemeine Propaganda von Ost nach West beschränkt. In den Gewerkschaften aber war die KPD nach dem Krieg ein polit. Faktor. Viele hauptamtliche Funktionäre besaßen das Mitgliedsbuch der KPD. In den ersten Nachkriegsjahren waren im Bergbau und der Metallindustrie Nordrhein-Westfalens z.B. mehr als 30% der Betriebsräte Kommunisten. Im Sommer 1948 stellte die KPD fast ein Drittel aller Vorstandsmitglieder in den Ortsverbänden von IG Bergbau und IG Metall. In der Phase des Wiederaufbaus der Gewerkschaften war für ihre Stabilisierung und Durchsetzungskraft gegenüber der brit. Besatzungsmacht die Integration der Kommunisten in die Einheitsgewerkschaft unerlässlich. Sie waren damals authent. Repräsentanten einer polit. Strömung in der Arbeiterschaft. Hinter vielen von ihnen lag die Verfolgung durch die nationalsozialist. Diktatur.
Der 1950 eingeschlagene Kurs des direkten Angriffs auf die gewählten Führungen im DGB endete für die KPD in einer Katastrophe ihrer Gewerkschaftspolitik, die in ihren Auswirkungen bis zum Ende des FDGB fortwirkte. Die Durchsetzung dieser Linie des FDGB in der KPD und ihre öffentliche Propagierung führte bald zu ersten Konflikten mit der westdeutschen IG Metall. Deren Vorstand beschloss, wer Druckschriften des FDGB in den Gewerkschaften verbreite, verstoße gegen die Grundsätze der IG Metall „und stellt sich außerhalb unserer Organisation“.
Im März 1951 fand in Weimar der sog. „Münchener Parteitag“ der KPD statt, der - den Vorgaben des III. Parteitages der SED folgend - den Kampf gegen die Wiederaufrüstung der BRD zur Hauptaufgabe der Partei erklärte. In der Die gegenwärtige Lage und die Aufgaben der KPD betitelten Entschließung des Parteitags wurden in der These 37 die „rechten Gewerkschaftsführer“ als Beauftragte der Interessen „des amerikan. Imperialismus“ bezeichnet, die „die Gewerkschaftsorganisation in den Dienst der Kriegsvorbereitungen“ stellten. Deshalb würden sie die innergewerkschaftliche Demokratie beseitigen, um die Gewerkschaften als aktiven Faktor im Kampf für die Erhaltung des Friedens und der Herstellung der Einheit Deutschlands auszuschalten. Die KPD fordert von ihren Mitgliedern in den Betrieben „Kampfhandlungen auszulösen“ auch gegen den Willen „rechter Gewerkschaftsführungen“. Dies war exakt die Linie der FDGB-W. Der KPD-Vors. Max Reimann kritisierte auf dem Parteitag KPD-Mitglieder, die sich als Gewerkschaftsfunktionäre verpflichtet fühlten, die Beschlüsse der Vorst. durchzuführen „anstatt den Kampf durch Fortsetzung der Klassenpolitik gegen die rechte Gewerkschaftsführung zu organisieren“. Das war - in schlecht verhüllter Form - die Aufforderung, in der Einheitsgewerkschaft kommunist. Fraktionen zu bilden und einen parteipolit. Kampf um ihre Führung zu organisieren. Als Antwort legte der DGB den hauptamtlichen Funktionären, die Mitglieder der KPD waren, einen Revers vor, mit dem sie sich durch Unterschrift verpflichten sollten, „keinen Weisungen einer Instanz außerhalb der Gewerkschaften zu folgen“. Funktionäre, die diesen Revers nicht unterschrieben, wurden vom DGB und seinen Gewerkschaften fristlos entlassen. Wer unterschrieb, blieb in der Gewerkschaft und wurde dafür von der KPD ausgeschlossen. Dieser Revers ging auf Siegmund (Siggi) Neumann (*14.2.1907-† 27.11.1960) zurück, Referent im SPD-PV, zunächst als Leiter des Ostbüros und ab 1948 des Referats Betriebsgruppenarbeit. Neumann hatte sich im Exil von der KPD getrennt und war nach seiner Rückkehr 1946 der SPD beigetreten.
Der Einflussverlust der KPD in den Gewerkschaften setzte sich fort, als im November 1951 die Bundesregierung das Verbot der Partei beim Bundesverfassungsgericht beantragte. Das Verfahren zog sich bis 1956 hin und endete mit dem Verbot der KPD, die fortan in Westdeutschland illegal zu wirken versuchte.
Die Jahre 1950-52 bilden eine tiefgreifende Zäsur in der Entwicklung der kommunist. Partei in der BRD. Damals eskalierten die seit 1945 virulenten Spannungen zwischen den Kommunisten und ihrem gesellschaftlichen Umfeld. Ausgrenzung und partielle Kriminalisierung der Partei durch die westlichen Besatzungsmächte wie auch der antitotalitäre Konsens unter den demokrat. Parteien erhöhten den Druck auf die Anhänger der KPD und führten zu deren Spaltung in verschiedene Segmente. Die Hegemonie der SED über die KPD, gesichert durch die Loyalität des von ihr sozial abhängigen KPD-Apparates, entfremdete zugleich Alt- wie Neumitglieder von der Partei. Die kommunist. Milieus, namentlich im Ruhrgebiet, erodierten. Dieser Prozess der Marginalisierung der KPD in der BRD wurde befördert von der SPD und dem DGB, die die polit. Abgrenzung von den Kommunisten als Partei kombinierten mit der Integration derjenigen Funktionäre und Aktivisten der KPD, die mit ihr brachen.


V.   DDR-Anerkennungspolitik in Westdeutschland

Mit der 2. Parteikonferenz der SED 1952 und dem Programm zum Aufbau der Grundlagen des Sozialismus in der DDR, das der FDGB enthusiast. unterstützte, vollzog sich nach dem Scheitern der letzten deutschlandpolit. Initiative Josef W. Stalins (*21.12.1879-†5.3.1953) die offene Eingliederung der DDR in das sowj. Imperium. Die wechselseitige Integration der beiden provisor. Teilstaaten in die beiden europäischen Blöcke schuf innerdeutsch eine neue Lage. Die sowj. Führung reagierte nach Stalins Tod Anfang Juni 1953 mit dem „Neuen Kurs“ auf die instabile Lage der DDR, die sich vor allem in hohen Flüchtlingszahlen nach Westdeutschland ausdrückte. Der mit diesem Kurs verbundene abrupte Kurswechsel der SED und deren Eingeständnis, „Fehler“ gemacht zu haben, löste den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 aus, in dem der FDGB offen als Massenorganisation der SED agierte und seitens der streikenden und demonstrierenden Arbeiter keinerlei Autorität genoss. Nach innen und nach außen ging es nun um die Stärkung der DDR. Dem trug die Sowjetunion Rechnung, in dem sie die DDR außenpolit. aufwertete und ihre innernationale Anerkennung als zweiten deutschen Staat verlangte. Mit dem Bemühen um eine Verständigung mit dem DGB und dem neuen Ziel, die westdeutschen Gewerkschaften für die Anerkennung der DDR zu gewinnen, begann nun eine zweite Phase der FDGB-W. Im Büro für gesamtdeutsche Gewerkschaftseinheit des FDGB-BuV wurde ein „wissenschaftliches Kollektiv“ gebildet, das sich mit Grundfragen der Wirtschafts-, Sozial- und Lohnpolitik des DGB und seiner Einzelgewerkschaften befassen sollte. Betriebe in der DDR bekamen Patenbetriebe in der BRD. Der FDGB lud 1955 erstmals zu einer Deutschen Arbeiterkonferenz ein. Durch die Schaffung eines aus Ost und West besetzten Ständigen Ausschusses der Deutschen Arbeiterkonferenz sollte der Eindruck von Parität und Unabhängigkeit erweckt werden. 1958 folgte der erste gesamtdeutsche Arbeiterjugendkongress und 1959 die erste Gesamtdeutsche Arbeiterinnenkonferenz. Im Januar 1954 schrieb das FDGB-Präs. einen Brief an den DGB-BuV und bot diesem Gespräche an. Vorgeschlagen wurde eine gemeinsame Erklärung gegen die Wiederbewaffnung der BRD. Der DGB-Vors. Walter Freitag (*14.8.1889-†7.6.1956) wies das Angebot zurück und erinnerte den FDGB daran, dass er in seiner Propaganda die gewählten Funktionäre des DGB in den letzten Jahren „wider besseres Wissen als Verräter“ und „Handlanger des Monopolkapitalismus“ verunglimpft habe.
Auch die KPD korrigierte 1954 ihre Gewerkschaftspolitik. Die Spaltungsdrohung von 1951 wurde zurückgenommen. Die KPD kämpfte jetzt für die „Unabhängigkeit der Gewerkschaften“. Diese Forderung war nun gegen die „Führung der CDU“ gerichtet, die nach Meinung der KPD versuche, in den Gewerkschaften „ihre Fraktion“ zu stärken. Damit wurde die Linie der Differenzierung zwischen den polit. Lagern innerhalb der Einheitsgewerkschaft neu justiert und die Politik der „Aktionseinheit“ auf eine neue Grundlage gestellt. Die KPD bezog sich nun in ihrer Gewerkschaftspolitik auf originäre Beschlusslagen von Gewerkschaftskongressen, wie z.B. die Ablehnung der Wiederbewaffnung der BRD durch den 3. DGB-Bundeskongress von 1954. Diese Taktik wurde nach 1968 auch von der DKP fortgesetzt. Die Durchsetzung von „fortschrittlichen“ Beschlusslagen wurde zu einem wichtigen Feld kommunist. Gewerkschaftspolitik. In Bezug auf den FDGB forderte die KPD 1954 vom DGB, „dass die Gewerkschaftsmitglieder für die Verständigung der beiden großen Gewerkschaftsverbände wirken“ sollten. Beide - also DGB und FDGB - sollten zudem mit den „Gewerkschaften der UdSSR“ zusammenarbeiten. Unter der Losung „Deutsche an einen Tisch“ betrieb nun die KPD im DGB Anerkennungspropaganda für die DDR.
Der DGB blieb bei seiner Linie des Kontaktverbots für seine Funktionäre. Westdeutsche Gewerkschafter, die zu den Gesamtdeutschen Arbeiterkonferenzen nach Leipzig fuhren, riskierten Ausschlussverfahren. Nach dem Mauerbau am 13. August 1961 verankerte der 6. DGB-Bundeskongress 1962 in der Satzung ausdrücklich als Aufgabe des Bundes die „Bekämpfung von faschist., kommunist., […] und allen sonstigen antidemokrat. Einflüssen“. Doch es gab bereits auf dem Kongress Widerspruch und die Frage, ob bzw. inwieweit eine solche Festlegung nicht die aktive Beteiligung der Gewerkschaften am sich abzeichnenden internat. Entspannungsprozess behindern würde. 1971, unmittelbar vor der Aufnahme offiz. Beziehungen des DGB zum FDGB, wurde dieser Grenzstein gegen die Kommunisten wieder aus der Satzung entfernt. Das Kontaktverbot zum FDGB war bereits einige Jahre zuvor de facto aufgehoben.
Der veränderten weltpolit. Konstellation trug nach 1961 auch die SED Rechnung. Die Phase, in der die vier Mächte noch über einen Friedensvertrag mit Deutschland und damit über dessen Einheit verhandelten, gehörte der Vergangenheit an. Nach der Kuba- und Berlin-Krise 1958 bis 1962 ging es nun um die Regelung des Status quo im geteilten Europa. Die internat. Anerkennung der DDR rückte realpolit. in den Bereich des Möglichen, aber sie musste vor allem in der BRD erst noch innenpolit. durchgesetzt werden. Es galt, die westdeutschen Gewerkschaften als offensiven Befürworter der Anerkennung der DDR zu gewinnen. Die zweite Phase der FDGB-W. diente vor allem dieser Aufgabe. Der gescheiterten „Aktionseinheit“ von unten folgte nun gezielt der Aufbau von Verbindungen zwischen den Vorständen der Einzelgewerkschaften im DGB und dem FDGB. Aus dem 1953 im Apparat des FDGB-BuV geschaffenen „wissenschaftlichen Kollektiv“ zur Erforschung des DGB und seiner Politik wurde das Institut für nationale Gewerkschaftspolitik.


VI.   Gewerkschaften im staatsmonopolist. Kapitalismus (Stamokap) der BRD

Nach dem Mauerbau nahm die SED eine ideolog. Neubewertung von Rolle und Bedeutung des DGB und seiner Gewerkschaften in der BRD vor. In diese Arbeit bezog die SED sowohl die Gewerkschaftskommission beim Politbüro der illegalen KPD in Ost-Berlin als auch den FDGB ein. Das Institut für nationale Gewerkschaftspolitik wurde erweitert und nahm jetzt unter dem Namen Institut für Gewerkschaftspolitik in Westdeutschland auch Kontakte mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen in der DDR auf.
Mit dieser ideolog. Arbeit reagierte die SED auch auf die Verabschiedung des Godesberger Programms von 1959, mit dem die SPD sich vom Endziel Sozialismus verabschiedete. Befördert wurde diese ideolog. Arbeit durch den XII. Parteitag der KPdSU, der die Politik der „friedlichen Koexistenz“ zwischen Ost und West bekräftigte. Zeitgleich gab es im DGB eine Debatte um ein neues Grundsatzprogramm. Zwei gegensätzliche Positionen standen sich in Bezug auf die vom DGB seit 1949 geforderte Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien gegenüber. Die „Traditionalisten“, gestützt auf die IG-Metall, wollten an dieser sozialist. Zielsetzung der wirtschaftspolit. Grundsätze des DGB von 1949 festhalten. Die „Modernisierer“, deren Wortführer der Vorsitzende der IG-Bau-Steine-Erden Georg Leber (*7.10.1920) war, traten für ein „Godesberger Programm“ des DGB ein. Diesen realen Konflikt nahm die SED-Westabteilung zum Ausgangspunkt für eine Neubewertung der polit. Rolle des DGB und konstruierte das Lager der „ehrlichen Reformisten“ im Gegensatz zur „Richter-Gruppe“. Ziel der Differenzierungspolitik des FDGB im DGB war, den DGB „loszulösen vom Einfluss der Richter-Gruppe“. Der damalige DGB-Vors. Willi Richter (*1.10.1894-†27.11.1972) war maßgeblich an der Aufnahme der Abgrenzung von den Kommunisten als polit. Extremisten in die DGB-Satzung beteiligt. Die Programmdebatte im DGB selbst endete 1963 mit einem Kompromiss in Anlehnung an das Godesberger Programm der SPD aus dem Jahre 1959. Auch der DGB gab das sozialist. Endziel auf zugunsten einer stetigen Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft durch gewerkschaftliche Mitbestimmung. Zu den Mitteln der Wirtschaftspolitik im Zusammenhang mit der Kontrolle wirtsch. Macht zählte das DGB-Programm aber weiterhin den „Ausbau des Systems öffentlich gebundener Unternehmen, die Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum“.
Die verbotene KPD begann, sich innerhalb der Gewerkschaften zu reaktivieren. Ihre Ost-Berliner Gewerkschaftskommission sah in den Beschlüssen der IG-Metall gegen Rüstungspolitik, Notstandsgesetze und soziale Demontagen die polit. Grundlage für eine legale Plattform der KPD-Gewerkschaftspolitik. Zwei von der damals unter der Bezeichnung Abt. für Arbeiterfragen in Westdeutschland formierenden FDGB-Westabteilung bestätigte Kriterien für die Einladung von Funktionären der IG-Druck und Papier im DGB zur Deutschen Arbeiterkonferenz nach Leipzig 1962 illustrieren noch einmal den Zusammenhang von kommunist. Gewerkschaftspolitik in der BRD und der FDBG-W. Einzuladen waren:
1. Funktionäre, die „aktiv in die Vorbereitung des 6. Gewerkschaftstages eingreifen“, (sie waren wichtig für die Vorbereitung von Anträgen an diesem Gewerkschaftstag) und
2. sollte man sich bezüglich der Herkunft der Teilnehmer auf die „Druckhauptorte“ konzentrieren.
Die Möglichkeit, ausgewählte westdeutsche Gewerkschaftsfunktionäre in der DDR zu versammeln, um deren Vorgehen auf einem Gewerkschaftstag in der BRD festzulegen, machte die Verbreitung der legalen KPD-Plattform in den Gewerkschaften und unter ihren Funktionären allerdings nicht obsolet. Diese Aufgabe kam der seit Juni 1961 unter dem unverfänglichen Titel Nachrichten, Informationen und Kommentare zur Wirtschafts- und Sozialpolitik erscheinenden Monatszeitschrift mit gewerkschaftspolit. Thematik zu. Die KPD nutzte zudem persönliche Kontakte von Parteimitgliedern in die Vorstandsebene der DGB-Gewerkschaften zum Wiederaufbau kommunist. Gewerkschaftspolitik im DGB. Sie sollten ihre persönlichen Kontakte im Auftrag der Partei pflegen und über die Gespräche laufend Bericht erstatten.
Der VI. SED-Parteitag 1963 erhob die prinzipielle Neueinschätzung der Rolle der Gewerkschaften in der BRD in den Rang einer Programmaussage: „Sie sind gegenwärtig die einzige legale Klassenorganisation in der westdeutschen Arbeiterbewegung mit großem Masseneinfluss und starker organisator. Kraft, die günstigste Basis für die Herstellung der Aktionseinheit von sozialdemokrat., kommunist., christlichen und parteilosen Arbeitern. Die Gewerkschaften sind in Westdeutschland berufen, nicht nur die sozialen und wirtschaftlichen, sondern vor allem auch die polit. Interessen und Ziele der Arbeiterklasse zu vertreten.“ Die programmat. Festlegung war Richtschnur für die ideolog. Erklärung des Bedeutungswandels der Gewerkschaften im staatsmonopolist. Kapitalismus der BRD. Die marxist.-leninist. Gesellschaftswissenschaftler der SED begründeten die Revision der bisherigen Einschätzung der Gewerkschaften mit der neuen Entwicklungsphase des Monopolkapitalismus. Angesichts der doppelten Herausforderung durch die wissenschaftlich-technische Revolution und vor allem der Existenz der sozialist. Staaten, habe er sich zum staatsmonopolist. Kapitalismus entwickelt. Die wesentlichen Merkmale waren: „Die Verschmelzung der Macht der Monopole mit der Macht des imperialist. Staates zu einem Gesamtmechanismus im Interesse des Profites, der Machterhaltung und -ausweitung, sowie der äußeren Expansion des Monopolkapitals; die durch die vereinigte Macht von Staat und Monopolen vorangetriebene Konzentration und Zentralisation des Kapitals in den Händen der Finanzoligarchie.“ Im staatsmonopolist. Kapitalismus galt somit das Primat der Politik über die Ökonomie und die Gewerkschaften waren in dieser Gesellschaft strukturell Gegenmacht zu den Monopolen und einer von ihren Interessen bestimmten staatlichen Politik.
Johanna Töpfer gehörte als stellv. Direktorin der FDGB-Hochschule, in die das Institut für Gewerkschaftspolitik in Westdeutschland 1964 integriert wurde, und als Mitglied der Westkommission beim SED-Politbüro zu den Herausgebern eines 1968 unter dem Titel Die westdeutschen Gewerkschaften und das staatsmonopolist. Herrschaftssystem 1945-1966 erschienenen Handbuchs zum DGB. Töpfer stieg danach zur stellv. Vors. des FDGB-BuV auf und blieb in dieser Funktion weiterhin zuständig für dessen Westabteilung. Das Handbuch selbst behandelte die einzelnen Felder der Gewerkschaftspolitik, die DGB-Programmatik und den Organisationsaufbau in sachlicher Form. Einleitend gingen die Autoren auf zwei zentrale Fragen der marxist.-leninist. Gewerkschaftstheorie ein:
1. Das Verhältnis von Reform und Revolution und
2. die Beziehungen zwischen SPD und DGB.
Bei der ersten Frage kommen die Autoren zum Ergebnis, im staatsmonopolist. Kapitalismus ändere sich das Verhältnis zwischen Revolution und Reformen, sie sind keine unversöhnlichen Gegensätze mehr. Dies sei vor allem der Existenz des sozialist. Lagers und im deutschen Fall der DDR geschuldet, sei doch das von der Sowjetunion geführte Lager des realen Sozialismus die Hauptkraft des weltrevolutionären Prozesses. Setze man diese Außenbedingung in Rechnung, könne in der BRD „der Kampf um echte polit. und ökonom. Reformen zu einer ernsthaften Gefahr für die Monopole“ werden. „Grundlegende demokrat. Reformen“ würden zudem die Grenze „zwischen Reformen und Revolution“ immer fließender machen. Schließlich müsse der „antimonopolist. Kampf“ notwendigerweise auch um die „Demokratisierung des Staates“ geführt werden, „also um eine Veränderung der polit. Machtverhältnisse!“ Sie zu befördern sei die Aufgabe politisierter Gewerkschaften, die sich auf ein entwickeltes Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse stützen können. Dem entgegen stehe die Wirksamkeit der „bürgerlichen Ideologie“ und vor allem der „Antikommunismus“. Um beide zu überwinden, sahen die SED-Autoren nur einen Weg, der bereits dem Konzept der „Aktionseinheit“ zugrunde lag, nämlich in polit. Auseinandersetzungen gemeinsame Ansatzpunkte zu finden „für die notwendige Auseinandersetzung mit den verschiedensten Spielarten der bürgerlichen Ideologie“ und vor allem mit dem „Antikommunismus“. Der Antwort auf die zweite Frage, dem Verhältnis von SPD und DGB, kam auch nach Ansicht der Autoren noch größere polit. Bedeutung zu, da ein hoher Prozentsatz der haupt- und ehrenamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre zugleich SPD-Mitglieder war. Wichtiger als dieser bekannte statist. Befund war den Autoren die Differenz zwischen den programmat. und polit. Aussagen der SPD und denen der Sozialdemokraten in den Gewerkschaften: „Viele westdeutsche Sozialdemokraten bringen heute im DGB ihre wahre, oppositionelle Meinung zur gesellschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik zum Ausdruck“. Gleichzeitig würden sich „rechte sozialdemokrat. Führer“ darum bemühen, die Gewerkschaften zu einer „Politik der Gleichschaltung“ zu bewegen. Die Herausbildung dieser verschiedenen Gruppierungen innerhalb des DGB und der SPD sei auf die „objektiven Existenzbedingungen“ von Partei und Gewerkschaft im System des staatsmonopolist. Kapitalismus zurückzuführen. Ein Teil der „Reformisten“ bewege sich durch diese Widersprüche allmählich in Richtung der Positionen „des antimonopolist. Kampfes“ und akzeptiere zunehmend die Kommunisten als Bündnispartner.


VII.   Beschlusslagenpolitik für die Anerkennung der DDR im DGB

Die ideolog. begründeten „zwei Grundlinien“ in DGB und SPD im staatsmonopolist. Kapitalismus entsprachen dem polit. Konzept der KPD-Gewerkschaftskommission, namentlich Beschlüsse der IG-Metall für das legale Agieren der immer noch verbotenen KPD in den Gewerkschaften zu nutzen. Die gleiche Taktik wählte der FDGB, als er 1965 für den bevorstehenden 8. Gewerkschaftstag der IG-Metall einen Maßnahmeplan entwickelte, um die Beschlüsse und Entschließungen dieses Gewerkschaftstages zu beeinflussen, wenngleich sich die Westabteilung der geringen Reichweite ihres Einflusses sehr bewusst war. Wollte der FDGB mit seiner W. die Anerkennung der DDR im DGB befördern, musste der FDGB in dieser Aktion im Hintergrund bleiben. Wörtlich heißt es in diesem Maßnahmeplan: „Der mittelbare Einfluss des FDGB über westdeutsche >legale Stimmen< und Personen hat den Vorzug, dass er westdeutschen Ursprungs ist, den Nachteil, dass seine Stärke und Reichweite noch begrenzter ist“ als die Briefaktionen und Aufrufe aus der DDR an die „westdeutschen Kollegen“. Erwünscht war die „Einflussnahme über Funktionäre der IG-Metall, die Kontakte mit dem FDGB haben“. Entscheidend für das Gelingen der Aktion, in der sich der FDGB auf die Anleitung seiner westdeutschen Akteure beschränkte, war die Wahrung der Konspiration, d.h. „nie erkennen zu lassen, dass sie auch nur die entfernteste Verbindung zum FDGB haben“, vielmehr den Eindruck zu vermitteln, ihr Vorgehen sei „ein völlig legales Unternehmen ihm Rahmen der IG-Metall“. Im Unterschied zur ersten Phase der FDGB-W., als der FDGB eine einheitliche deutsche Gewerkschaftsbewegung unter seiner Führung propagierte, ging es in der zweiten, aber auch in der dritten Phase um die Anerkennung der Zweistaatlichkeit, und dieses schloss ein entsprechendes Verständnis der beiden Gewerkschaftsbünde ein. Auf dem 8. Gewerkschaftstag der IG-Druck und Papier funktionierte 1967 die im Maßnahmeplan der IG-Metall 1965 entwickelte Taktik der Durchsetzung „fortschrittlicher Beschlusslagen“. Im Vordergrund der FDGB-Planung stand die Anerkennung der DDR. Der Maßnahmeplan des FDGB zum Komplex Frieden forderte: „Normalisierung der staatlichen Beziehungen zwischen Westdeutschland und der DDR, vertraglicher Verzicht auf Gewaltausübung und vorbehaltlose Anerkennung der bestehenden Grenzen in Europa.“ Die angenommene Entschließung zur Politik des Friedens der IG-Druck und Papier forderte, in „Gewaltverzichtserklärungen auch die DDR einzubeziehen und ein geregeltes Miteinander mit dem anderen deutschen Teilstaat vertraglich zu erzielen.“ Die IG Druck und Papier war mit diesem Beschluss Vorreiter im DGB, der im gleichen Jahr 1967 seine Absicht bekannt gab, Beziehungen zu den sowj. Gewerkschaften und denen der anderen sozialist. Staaten aufzunehmen, allerdings mit einer Ausnahme, dem FDGB. Sein Vorsitzender Herbert Warnke kommentierte in einem offenen Brief diese Inkonsequenz des DGB und nahm dies zum Anlass für eine Grundsatzerklärung zu den Unterschieden zwischen den beiden deutschen Staaten und den Gemeinsamkeiten von FDGB und DGB. Beide Bünde hatten nach Herbert Warnkes Ansicht einen gemeinsamen Feind: „den deutschen Imperialismus und Militarismus. Der grundlegende Unterschied besteht jedoch darin, dass dieser Feind bei uns seit langem geschlagen und vertrieben ist, in Westdeutschland jedoch nach wie vor herrscht und erst noch besiegt werden muss“. Daraus entwickelt der FDGB-Vorsitzende ein Aktionsprogramm:
1. „Die Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaften wollen nicht, dass der westdeutsche Imperialismus - Erbe des kaiserlichen und hitler. Imperialismus - noch einmal den Frieden Europas und der Welt bricht.“ FDGB und DGB kämpfen daher
2. „für die Ausrottung des Neonazismus, der sich heute in der Bundesrepublik breit macht, als Erzfeind der Arbeiterklasse und des ganzen Volkes“,
3. treten für Senkung der Rüstungsausgaben, Entspannung in Europa und Abrüstung ein,
4. fordern die „Beseitigung der Alleinvertretungsanmaßung der westdeutschen herrschenden Kreise, Verzicht auf Revision der in Europa bestehenden Grenzen und Durchsetzung der friedlichen Koexistenz zwischen beiden deutschen Staaten“,
5. betonen die Notwendigkeit gewerkschaftlicher Mitbestimmung bei der Gestaltung der wissenschaftlich-technischen Revolution.
„Friedliche Koexistenz“ bedeutete für die Kommunisten niemals die Wahrung des Status quo, sondern Veränderungen im Kapitalismus bei Vermeidung von Krieg. Um diese Veränderungen in der BRD zu bewirken, benötigten SED und FDGB in der BRD eine legale kommunist. Partei. Durch die Neukonstituierung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) 1968 wurde dieses Problem im Vorfeld der sozialliberalen Ostpolitik gelöst. Die SED behielt sich in allen ideolog. Fragen die Letztentscheidung ebenso vor, wie die Kontrolle über die Kader an der Spitze der neuen Partei, ihre Finanzen und die Verwahrung ihres Archivs. Die Gewerkschaftsprogrammatik der DKP beruhte auf der von der SED und der KPD bereits vorgenommenen Neubewertung der Rolle des DGB im staatsmonopolist. Kapitalismus. Die DKP trat sofort als entschiedene Verfechterin der Einheitsgewerkschaft auf. Die FDGB-W. war vom Dilemma des Fehlens einer legalen westdeutschen „Arbeiterpartei“ befreit.


VIII.   Vorstandsdiplomatie zwischen DGB und FDGB

Mit der Aufnahme von offiz. Beziehungen zwischen DGB und FDGB begann 1972 die dritte Phase der W. des FDGB. Im Vorfeld der Verhandlungen hatte die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 noch für Irritationen im DGB gesorgt. Als der DGB-Bundeskongress 1969 eine Kontaktaufnahme zum FDGB beschloss, ging es jedoch um die Unterstützung der sozialliberalen Entspannungspolitik. Die öffentliche Wahrnehmung dieser Beziehungen nach 1972 konzentrierte sich auf die Spitzenfunktionärs-Diplomatie, die unter Ausschluss der Gewerkschaftsmitgliedschaft erfolgte. Nach dem Scheitern der Politik der deutschen Gewerkschaftseinheit in der ersten Phase, dem Bemühen, einen Beitrag zur Anerkennung der DDR in der BRD zu leisten, in der zweiten Phase, galt es in der dritten Phase der FDGB-W., die Doktrin der Zweistaatlichkeit im Denken und Handeln der westdeutschen Gewerkschafter zu befördern und zu befestigen. Ein Beschluss des Sekr. des FDGB-BuV zur W. von 1972 bringt dies klar zum Ausdruck. Es galt „alles zu tun für die Stärkung der entwickelten sozialist. Gesellschaft“ in der DDR. Daraus ergaben sich für die W. vier Aufgaben:
1. Organisierung von Reisen von Delegationen von Angehörigen der Gewerkschaften und der „Arbeiter- und Gewerkschaftsjugend aus der Bundesrepublik“ in die DDR.
2. Aktive Unterstützung der Gewerkschaftsbewegung in der BRD „im Kampf gegen die Herrschaft der Monopole, für Frieden und europäische Sicherheit, für Demokratie und Sozialismus“. Diese Aufgabe wird auch präzisiert. Es gehe um die „Unterstützung einer marxist.-leninist. Gewerkschaftspolitik in der BRD; Arbeit mit progressiven Kräften in den westdeutschen Gewerkschaften und ihren Leitungen; wissenschaftlich-analyt. Arbeit zu Problemen des Kampfes der Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaftsbewegung in der BRD.“
3. Trotz Einstellung der Gesamtdeutschen Arbeiterkonferenzen sollten weiterhin die Leipziger Messe, die Arbeiterkonferenzen der Ostseeländer und die Arbeiterfestspiele genutzt werden, um „Beratungen und andere Zusammenkünfte mit Gruppen von Arbeitern und Gewerkschaftern aus der BRD über Grundfragen des Klassenkampfes zwischen Sozialismus und Imperialismus“ auf Einladung des FDGB zu führen.
4. Ständige Information des FDGB-BuV über die Politik der Gewerkschaften in der BRD „sowie der gegner. Tätigkeit gegen die DDR und den FDGB“ zum Zwecke der „Vorbereitung polit.-ideolog. Maßnahmen für eine offensive Politik des FDGB in der Klassenauseinandersetzung Sozialismus-Imperialismus“.
Verbunden mit dieser Festlegung der Aufgaben der W. wurde sie organisator. neu strukturiert und einzelne Arbeitsbereiche festgelegt, inklusive eines eigenen Sektors für West-Berlin. Das apparative Beziehungsgeflecht erweiterte sich in dieser dritten Phase der FDGB-W. Kontinuität bestand weiterhin in der hierarch. Struktur: das PB der SED bestimmte die Richtlinien. Der FDGB musste zu Beginn eines jeden Jahres dem Sekr. des ZK der SED seinen Plan der Beziehungen zum DGB und seinen Einzelgewerkschaften zur Bestätigung vorlegen. Die Konzeptionen für Spitzengespräche zwischen FDGB und DGB mussten dem ZK-Sekr. bzw. PB vor dem jeweiligen Treffen noch einmal zur Zustimmung vorgelegt werden. Nach der Anerkennung der DDR durch die BRD war das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA), dem die Ständige Vertretung der DDR in Bonn zugeordnet war, an den offiz. Gesprächen zwischen FDGB und DGB beteiligt. Auf Beschluss des ZK der SED wurde 1973 in der Ständigen Vertretung der DDR eine Stelle für einen Mitarbeiter geschaffen, der für die Kontakte und Beziehungen zu den Gewerkschaften verantwortlich war. Die Stelle wurde mit einem polit. Mitarbeiter aus der FDGB-Westabteilung besetzt, die künftig zu den regelmäßigen Empfängern seiner Aktenvermerke über Gespräche mit DGB-Funktionären gehörte. Im Zuge der nationalen Abgrenzungspolitik der SED nach dem Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR, verstand der FDGB seine W. nunmehr als Pflege internationaler Beziehungen und somit als Teil seiner internationalen Arbeit.
Um die Delegationsreisen aus der BRD von Gewerkschaftern, namentlich der von örtlichen Funktionären, auf Einladung des FDGB in die DDR zu verschleiern, wurde Anfang 1974 als Reiseorganisation das „International - Informations- und Bildungszentrum e.V. gegründet, über das diese Reisetätigkeit bis 1989 abgewickelt wurde. Finanziert wurde diese „Klassensolidarität“ aus dem Solidaritätsfonds des FDGB, der aus Spenden der Mitglieder aufgebracht wurde. Die Besucherzahlen aus der BRD beliefen sich 1976 auf 5 764, im Jahr 1988 auf 13 165. In dieser Zahl enthalten waren auch 59 über die Sozialist. Einheitspartei Westberlins (SEW) organisierte Gruppen mit insgesamt 881 Teilnehmern.
Der DGB verfolgte mit seinen innerdeutschen Beziehungen weitaus bescheidenere Ziele als der FDGB mit seiner W. Wie die 1977 vom DGB-BuV verabschiedeten vertraulichen „Leitlinien für die Beziehungen zum FDGB“ belegen, betrachtete der DGB bereits das bloße Stattfinden von Begegnungen, Kontakten und eines Meinungsaustauschs auf der Ebene von Spitzenfunktionären als sinnvollen Beitrag zur Entspannungspolitik und als Beitrag zur Entkrampfung der innerdeutschen Verhältnisse.


IX.   Avantgarde im DGB: Die IG Druck und Papier/Die IG Medien

In der FDGB-W. spielte in den 70er und 80er Jahren die IG-Druck und Papier (bzw. die spätere IG-Medien) eine besondere Rolle. Obwohl zahlenmäßig eine kleinere Gewerkschaft im DGB, wurde der IG-Druck und Papier „aufgrund des Charakters des Organisationsbereiches (Presse und andere Massenmedien) große gesellschaftspolit. Bedeutung“ zugemessen. Das Interesse des FDGB zog sie aber vor allem auf sich, weil sie zu jenen Gewerkschaften gehörte, bei denen, wie es in einer internen Einschätzung der Entwicklungen im DGB aus dem Jahre 1971 hieß, „in wichtigen innen- und außenpolit. Fragen Elemente einer konstruktiven, eigenständigen Gewerkschaftspolitik am sichtbarsten waren“. Diese Bewertung bezog sich auf die Beschlüsse ihres 9. Gewerkschaftstages. Hervorgehoben wurde auch die „faktische Ablehnung des Antikommunismus“. Dies wertete der FDGB auch als Erfolg der eigenen Politik. Maßgebliche Verdienste an dieser für den FDGB positiven Entwicklung hatte der 1968 zum Vorsitzenden gewählte Leonard Mahlein (*4.4.1921-† 18.12.1985). 1952 aus der KPD ausgeschlossen, gehörte er 1981 zu den Funktionären im DGB, die die Beziehungen zwischen FDGB und DGB zur polit. Zusammenarbeit ausweiten wollten und dazu beitrugen, den DGB in die Protestbewegung gegen die „NATO-Hochrüstung“ einzureihen. Wie eng die Abstimmung mit dem FDGB war, lässt eine Aktennotiz Werner Heilemanns, Sekretär für Westarbeit im FDGB-BuV, vom Dezember 1983 über ein Gespräch mit dem Vors. der IG-Druck und Papier, Erwin Ferlemann (*16.3.1930-†24.9.2000), erkennen. Ferlemann habe betont, die „guten Beziehungen zur IG-Druck und Papier im FDGB müssten noch fester geknüpft werden. Aufgrund des Ernstes der Lage sei die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Gewerkschaften und zwischen dem BuV des FDGB und dem DGB besonders notwendig.“ Ferlemann habe sich über „Bremser“ im DGB beklagt, die einer solchen Politik entgegenstünden. Es seien die gleichen Gewerkschaften, die aus der Forderung der 35-Stunden-Woche ausscherten und eine engere Zusammenarbeit mit der Regierung Helmut Kohl (*3.4.1930) anstrebten: Die IG-Chemie, die IG-Bergbau-Energie, die IG-Bau, Steine, Erden und die beiden Gewerkschaften Nahrung, Genuss, Gaststätten und Textil-Bekleidung. Nach Heilemanns Bericht schlug der Vors. der IG-Druck und Papier vor, zu überlegen, „wie wir stärker deren Haltung beeinflussen könnten“. Die IG-Medien stellte dann auch die letzte DGB-Gewerkschaftsdelegation, die im Oktober 1989 in Ost-Berlin die beiden FDGB-Abteilungsgewerkschaften IG Druck und Papier und Gew. Kunst besuchte. In der Information der beiden FDGB-Abteilungsgewerkschaften an das Sekr. des FDGB-BuV heißt es: „Die Delegation brachte ihren Unmut über die Hetzkampagne der Medien in der BRD im Zusammenhang mit der illegalen Ausreise von DDR-Bürgern zum Ausdruck.“ Ferlemann habe betont, „dass die Beziehungen zwischen beiden Vorständen […] stark genug seien, um Belastungen auch in polit. schwierigen Zeiten standzuhalten“.


X.   Die Wiederherstellung einer gesamtdeutschen Einheitsgewerkschaft

Im September 1989 kam der FDGB-Vorsitzende Harry Tisch auf Einladung des DGB in die BRD. Beide Verbände unterzeichneten am 15.9.1989 eine Vereinbarung über die künftigen Beziehungen zwischen DGB und FDGB. Vereinbart wurde u.a. die Fortsetzung des Kulturaustauschs zwischen DGB und FDGB und die Teilnahme des FDGB mit einer Leitungsdelegation am 14. Bundeskongress des DGB im Jahr 1990. Gemeinsam wollte man in Halberstadt 1991 den 100. Jahrestag der Gründung der Generalkommission Deutscher Gewerkschaften feiern. Zehn Wochen nach diesem feierlichen Vertragsabschluss trat Harry Tisch infolge der friedlichen Revolution in der DDR als Vorsitzender des FDGB zurück und wurde kurz darauf unter dem Verdacht von Korruption und Amtsmissbrauch verhaftet. Der FDGB entdeckte in letzter Minute Michail S. Gorbatschows (*2.3.1931) Glasnost und Perestrojka für sich und versuchte, sich selbst in einen Gewerkschaftlichen Dachverband FDGB zu reformieren, um sich mit dem DGB zu einer gesamtdeutschen Einheitsgewerkschaft vereinen zu können. Diese Politik scheiterte im Frühjahr 1990 mit der faktischen Entmachtung des FDGB durch die Selbständigkeit beanspruchenden Einzelgewerkschaften, die selbst Verhandlungen mit ihren Partnern im DGB aufnahmen. Auf dem 14. Bundeskongress des DGB im Mai 1990 zog der neu gewählte Vors. Heinz-Werner Meyer (*24.8.1933-† 9.5.1994) den Schlussstrich unter das Kapitel FDGB in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte: Der FDGB war „die Massenorganisation der herrschenden SED und ihr Erfüllungsgehilfe in den Betrieben. Der zentralist. FDGB hat die Interessen der Arbeitnehmer nicht vertreten, sondern er hat die Politik der SED oft genug gegen die Interessen und auch gegen den Willen der Arbeitnehmer durchgesetzt. Das ist nicht nur ein Makel, das ist ein Strukturfehler, der nicht zu korrigieren ist. Der FDGB ist nicht reformfähig. […] Ein Zusammenschluss von DGB und FDGB kam für uns nie in Betracht.“ Die FDGB-W. endete mit der friedlichen Revolution in der DDR und führte in der Tat zu der von Herbert Warnke 1950 geforderten deutschen Gewerkschaftseinheit, allerdings durch Auflösung der SED-Massenorganisation.

Manfred Wilke


Lit.: Feinde der Gewerkschaften, Feinde der Demokratie, Hg.: DGB-Bundespressestelle, 1950. - H. Heimberger u.a., Imperialismus heute. Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland, 1965. - H. Kuehl, Die Gewerkschaftspolitik der KPD von 1945 bis 1956. Die Rolle der Parteimitglieder in betrieblichen Konflikten im Schwerpunkt dargestellt anhand des Hamburger Werftarbeiterstreiks von 1955, 1981. - Th. Pirker, Die blinde Macht. Die Gewerkschaftsbewegungen in Westdeutschland, 2 Bde., 1960. - A. Behrendt u.a. (Hg.), Die westdeutschen Gewerkschaften und das staatsmonopolistische Herrschaftssystem 1945-1966, 1968. - Zu den Beziehungen zwischen den Gewerkschaften der DDR und Westdeutschlands von 1961 bis Mitte 1970 (I), Hg.: Hochschule der Deutschen Gewerkschaften „Fritz Heckert“, Sektion Gewerkschaftsbewegungen in Westdeutschland , Dokumente und Materialen, 1970. - G. Leminsky/B. Otto, Politik und Programmatik des Deutschen Gewerkschaftsbundes, 1974. - G. Gruner/M. Wilke (Hg.), Sozialdemokraten im Kampf um die Freiheit. Die Auseinandersetzungen zwischen SPD und KPD in Berlin 1945/46, 1981. - M. Wilke, Einheitsgewerkschaft zwischen Demokratie und antifaschistischem Bündnis. Die Diskussion über die Einheitsgewerkschaft im DGB seit 1971, (Forschungsbericht) Konrad-Adenauer-Stiftung 1946, 1985. - Die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus von Links und Rechts im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der IG Chemie-Papier-Keramik (IG CPK) chronologische Darstellung, Hg.: IG Chemie-Papier-Keramik, Hauptvorstand, 1987. - G. Judick u.a. (Hg.), KPD 1945-1968. Dokumente, Bd. 1, 1989. - W. Mensing, Nehmen oder Annehmen. Die verbotene KPD auf der Suche nach politischer Teilhabe, 1989. - Ders., Wir wollen unsere Kommunisten wiederhaben… Demokratische Starthilfe für die Gründung der DKP, 1989. - M. Schneider, Kleine Geschichte der Gewerkschaften, 1989. - M. Wilke u.a., Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Geschichte, Organisation, Politik, 1990. - M. Wilke/H.-P. Müller, SED-Politik gegen die Realitäten. Verlauf und Funktion der Diskussion über die westdeutschen Gewerkschaften in SED und KPD/DKP 1961-1972, 1990. - J. Staadt, Die geheime Westpolitik der SED 1960/1970. Von der gesamtdeutschen Orientierung zur sozialistischen Nation, 1993. - M. Wilke/H.H. Hertle, Das Genossenkartell. Die SED und die IG Druck und Papier/IG Medien. Dokumente, 1993. - P. Erler u.a. (Hg.), „Nach Hitler kommen wir“. Dokumente zur Programmatik der Moskauer KPD-Führung 1944/45 für Nachkriegsdeutschland, 1994. - H. Laude/M. Wilke, Die Pläne der Moskauer KPD-Führung für den Wiederaufbau der Gewerkschaften, In: K. Schroeder (Hg.), Geschichte und Transformation des SED-Staates, 1994. - H.-P. Müller, Die Westarbeit der SED am Beispiel der DKP (Materialen der Enquete-Kommission. „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Hg.: Deutscher Bundestag, Bd. V, 1995). - J. Kaiser, „Der politische Gewinn steht in keinem Verhältnis zum Aufwand“. Zur Westarbeit des FDGB im Kalten Krieg, Jahrbuch für Historische Kommunikationsforschung JHK Berlin, 1996. - H. Amos, Die Westpolitik der SED 1948/1949/1961. „Arbeit nach Westdeutschland“ durch die nationale Front, das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit, 1999. - T. Kössler, Abschied von der Revolution. Kommunisten und Gesellschaft in Westdeutschland 1945-1968 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der Politischen Parteien, Bd. 143, 2005) - M. Wilke, Die Westarbeit des FDGB (Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat, 18/2005).