FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Aktionseinheit. Der Schlüsselbegriff aus der polit. Sprache des Marxismus-Leninismus bezeichnet das Zusammenwirken verschiedener Strömungen der Arbeiterbewegung zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen in sozialen Konflikten und in polit. Kampagnen in der bürgerlichen Gesellschaft unter Führung der kommunist. Partei. Grundlegend für die „A. der Arbeiterklasse“ war das Zusammengehen von Kommunisten und Sozialdemokraten. Die Gründung des FDGB (vgl. vorbreitender Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin und Gründungsaufruf) war selbst ein Beispiel für eine erfolgreiche Politik der A. Sie beruhte auf den Berliner Vereinbarungen zwischen KPD und SPD in der SBZ von Juni und Dezember 1945. Diese Schritte halfen der KPD, die Spaltung der Arbeiterbewegung in der SBZ durch Zwangsfusion der SPD mit der KPD zur SED auf Grundlage der kommunist. Programmatik zu überwinden.
Der Begriff A. wurde von der Kommunist. Internationalen (Komintern) geprägt. Sie war 1921 in Westeuropa und in Deutschland damit konfrontiert, dass die Sozialdemokratie ihre hegemoniale Stellung in der Arbeiterbewegung gegenüber den kommunist. Parteibildungen behauptete. Die Politik der A. erforderte zwingend die organisator. Selbständigkeit der Kommunist. Partei. Ziel der A. war die Stärkung der kommunist. Partei und die Durchsetzung ihrer führenden Rolle gegenüber ihren Bündnispartnern (vgl. Bündnispolitik). Die gemeinsamen Aktionsziele sollten auch in ihrer aktuellen Bedeutung immer die sozialdemokrat. Anhänger im gemeinsamen Kampf für die kommunist. Partei gewinnen.
Es gab verschiedene Taktiken in der Politik der A. Bis 1929 war die Politik der A. auf die Bildung von „Arbeiterregierungen“ durch Vereinbarung von Führung zu Führung gerichtet. In den Jahren 1929-34 wurde eine Politik der A. von unten, unter offener Führung durch die kommunist. Parteien betrieben. Dies bedeutete vor allem, dass die Kommunisten gegen die gewählten Führungen in den Gewerkschaften kämpften und versuchten, eigene kommunist. Richtungsgewerkschaften aufzubauen, wie es in Deutschland mit der Bildung der Revolutionären Gewerkschaftsorganisation (RGO) geschah (vgl. a. Rote Gewerkschaftsinternationale (RGI)). Diese Taktik wurde 1935 aufgegeben. Nun ging es im Zeichen der „Volksfront gegen den Faschismus“ wieder um eine Politik der A., die auf Abkommen zwischen Parteien und Gewerkschaften und deren Führungen beruhte.
Die theoret. Grundlage für die Taktik der A. ergab sich aus dem Selbstverständnis der kommunist. Partei und ihres Bildes von der Arbeiterklasse. Der Marxismus-Leninismus differenzierte die Arbeiterklasse nach dem Grad des von dem Einzelnen erworbenen polit. Bewusstseins, das Ausdruck in seinem Organisationsverhalten finde. An der Spitze dieser Bewusstseinspyramide stand nach diesem Verständnis die kommunist. Partei. Allein ihre Berufsrevolutionäre konnten als Avantgarde die Klasse durch Revolution zum Sozialismus führen. Die sozialdemokrat. Arbeiter oder die religiös gebundenen galten als polit. rückständig. Sie sollten mit der Politik der A. gewonnen werden. Die Basis dieser Pyramide des Klassenbewusstseins bildeten die Gewerkschaftsmitglieder. Die Konflikte mit den Unternehmern und Regierungen um Lohn und Leistung, um Mitbestimmung und gesellschaftliche Anerkennung waren für die Kommunisten nicht Selbstzweck, sondern die „Elementarschule“ des Klassenkampfes: In Streiks und Demonstrationen erlebten die Arbeiter, gleichgültig welcher polit. Überzeugung sie anhingen, den Klassengegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie und in diesen Kämpfen hatte die A. ihren Ort. In Bezug auf die SBZ hatte die Politik der A. mit Gründung von FDGB und SED ihr Ziel erreicht. Die 1945 umworbenen Sozialdemokraten verwandelten sich, so sie ihren sozialdemokrat. Überzeugungen treu und (trotzdem) in der DDR blieben, in Gegner der neuen Ordnung, die mittels „Säuberungen“ aus dem Apparat des FDGB gedrängt und in vielen Fällen Opfer der polit. Justiz der SBZ/DDR wurden. Sie bildeten ein wesentliches Reservoir für Widerstand und Opposition im und gegen den FDGB Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre.
Die Politik der A. blieb für den FDGB allein in seiner Westarbeit handlungsleitend. In der Bundesrepublik selbst wurde sie mit einem Gegenbegriff belegt: Infiltration. Unter dieser Bezeichnung wurden alle von der SED und dem FDGB gelenkten Aktivitäten der westdeutschen KPD und ihrer Tarnorganisationen subsummiert. Dies bezog sich sowohl auf die verdeckte Positionsgewinnung in Organisationen wie den Gewerkschaften, dem Aufbau informeller Kontakte zu sozialdemokrat. Gewerkschaftsfunktionären als auch auf die bis Mitte der 60er Jahre strafbare systemat. Verbreitung kommunist. Propaganda in der Bundesrepublik. Die Instrukteure der Westabteilungen von SED und FDGB galten in dieser Politik der Abgrenzung von der DDR als lebende Beweise für die Außensteuerung kommunist. Aktivitäten in der Bundesrepublik. Erst mit der Debatte um die neue Ostpolitik und der offiziellen Kontaktaufnahme zur DDR verblasste dieser Gegenbegriff zur A. in seiner Bedeutung für die öffentliche Diskussion im Westen.
M.W.