FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Hochschule der Deutschen Gewerkschaften „Fritz Heckert“. Bereits im Mai 1946 errichtete der FDGB in Berlin eine eigene Bundesschule. Unter dem Namen „Bundesschule des FDGB ›Theodor Leipart‹“ verlagerte sie ihren Sitz im Mai 1947 in die frühere Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) nach Bernau nördlich von Berlin. Sie war zuständig für die Aus- und Weiterbildung sämtlicher leitender Funktionäre des FDGB. 1952 wurde die Bundesschule des FDGB zu einer den staatlichen Hochschulen der DDR gleichgestellten Hochschule aufgewertet und trug als solche zunächst den Namen „Hochschule der Gewerkschaften ›Fritz Heckert‹“, ab 1956 dann den Namen „Hochschule der Deutschen Gewerkschaften ›Fritz Heckert‹“. 1971 wurde sie umbenannt in „Gewerkschaftshochschule ›Fritz Heckert‹ beim Bundesvorstand des FDGB“ - ein Name der ihr bis zum Ende der DDR 1989/90 erhalten blieb.
Die H. d. G., wie sie im Folgenden vereinfachend genannt wird, hatte auch die Aufgabe, an der Ausarbeitung der SED-Gewerkschaftspolitik mitzuarbeiten. Ihre Hauptaufgaben aber bestanden - ganz im Sinne der dem FDGB von der SED als ihrer Massenorganisation zugewiesenen Funktionen, darunter nicht zuletzt die Kaderbildung - in der Aus- und Weiterbildung der eigenen leitenden Funktionäre.
Die H. d. G. war seit 1952 dem Sekr. des BuV direkt unterstellt, wobei die persönliche Zuständigkeit von 1972 bis 1989 kontinuierlich bei der Stellv. des Vors. Johanna Töpfer lag, die zuvor selbst Dozentin und stellv. Dir. der H. d. G. gewesen war. Die konkrete Anleitung der Gewerkschaftshochschule oblag zunächst der HA Schulung und Bildung (1946-48), die auch für allgemeine Kultur- und Bildungsfragen zuständig war, dann der stärker auf die Qualifizierung der Gewerkschaftsfunktionäre spezialisierten HA Schulung (1948-49) bzw. der daraus hervorgehenden Abt. Schulung des BuV (1948-60). Diese widmete sich dem gezielten Aufbau eines zentralistisch-einheitlichen Systems von Gewerkschaftsschulen bis in die Betriebe hinein, musste ihre Kompetenzen zeitweise jedoch an die Abt. Organisation-Kader des BuV (1956-57) abtreten. Von 1960 bis 1990 war dann durchgängig die - intern mehrfach umstrukturierte Abt. Agitation und Propaganda des BuV für die Anleitung der H. d. G. zuständig.
Die H. d. G. bildete zunächst Diplom-Wirtschaftler, ab 1956 dann Diplom-Gesellschaftswissenschaftler aus. Studierende ohne Hochschulabschluss konnten zwischen einem dreijährigen Direkt- und einem fünfjährigen Fernstudium wählen. Für Studierende mit Hochschulabschluss wurden eineinhalb- bzw. zweijährige Fernstudienlehrgänge zur Weiterbildung angeboten. Seit 1959 wurden an der H. d. G. auch ausländische Gewerkschaftsfunktionäre, vor allem aus den Entwicklungsländern in Afrika und Asien, zum Studium zugelassen (vgl. internationale Arbeit des FDGB). Zusätzlich wurde 1959 für die Schulung von Kulturfunktionären ein vierjähriger Fernstudiengang speziell für „Staatlich geprüfte Klubhausleiter (Fachschule)“ eingerichtet. 1961 kamen Externatslehrgänge für berufstätige Frauen („Frauenklassen“) hinzu, zunächst ausschließlich - als eine Art Experiment - in der Filmfabrik Wolfen (Bezirk Halle), später auch in anderen Betrieben und Bezirken der DDR. Neben den regulären Studiengängen bot die H. d. G. auch kürzere Weiterbildungslehrgänge an.
Als Leiter bzw. Direktoren bzw. Rektoren der H. d. G. amtierten Emil Kortmann (1946-48), Karl Fugger (1948-49 u. 1952-54), Hermann Duncker (1949-52 u. 1954-60), Karl Kampfert (1960-68), Heinz Oehler (1969-73), Herbert Felgentreu (1974-78), Horst Demmler (Mai bis Sept. 1978), Horst Schneider (1978-89) sowie Erich Geier (1990).
Die Lehrstühle der H. d. G. wurden zu mehreren Instituten und zeitweilig auch zu drei Fakultäten zusammengefasst. Das Institut für Geschichte der H. d. G. fungierte dabei als Leitinstitut für die Erforschung der Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung. 1964 wurden zwei bisher dem Präs. des BuV unterstellte, stark politisch-operativ arbeitende Institute, das Institut für nationale Gewerkschaftspolitik und das Institut für Gewerkschaftspolitik in Westdeutschland, in die H. d. G. eingegliedert. Auf Beschluss des Präs. des BuV vom 15. Januar 1965 sowie auf Empfehlung des BuV vom 4./5. Februar 1965 wurde an der H. d. G. außerdem ein neues Institut für Sozialpolitik der Gewerkschaften ins Leben gerufen, das sich u.a. mit den Grundfragen einer im Zuge der Umsetzung des Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung (NÖSPL) immer notwendiger erscheinenden eigenständigen sozialist. Sozialpolitik des FGDB zu befassen hatte. 1966 erfolgte die Umbenennung sämtlicher Fakultäten zu Instituten, 1968 dann die Ablösung dieser Institute durch Sektionen. In der Tätigkeit der H. d. G. nahm in den 1970er und 1980er Jahren die empirische Forschung einen wachsenden Stellenwert ein, etwa bei der Erprobung neuer Arbeitsmethoden in der betrieblichen Praxis. Die H. d. G. war Sitz des Wissenschaftlichen Rates für Fragen des sozialist. Wettbewerbs. Die Auflösung erfolgte zum 30.9.1990. Die umfangreiche Überlieferung der H. d. G. in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen im Bundesarchiv (SAPMO) wurde von der historischen Forschung bisher kaum genutzt.
F.S.