FDGB-Lexikon, Berlin 2009


FDGB Groß-Berlin (1945-53). Am 15.6.1945 veröffentlichte der Vorbereitende Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin den Gründungsaufruf zur Schaffung neuer freier Gewerkschaften. Obwohl zunächst nur als Ltg. der Berliner Ortsorganisationen des FDGB zugelassen, wirkte er v.a. mit seinem programmat. Gründungsaufruf koordinierend und inhaltlich richtungsweisend für den Zusammenschluss der lokalen zu Landesorganisationen und schließlich zum FDGB für die SBZ. Die vorgesehene Einbeziehung Berlins wurde jedoch nicht erreicht. Berlin stand seit Juli 1945 unter Viermächteverwaltung und war nicht Teil der SBZ. Einheitliche für die ganze Stadt geltende Regelungen bedurften immer des Konsens' der vier Besatzungsmächte in der Alliierten Kommandantur (AK). Die AK überwachte auch die Arbeit des FDGB, behielt sich die Genehmigung für Gewerkschaftswahlen, Satzungsbeschlüsse oder auch Tarifvereinbarungen vor. Die Berliner Org. des FDGB unterlag damit einem Sonderstatus, der ihre Zugehörigkeit zum FDGB der SBZ ausschloss. Das unterstrich die AK auf Antrag des französischen Stadtkommandanten durch die Entscheidung, die Berliner Delegierten zur Allg. Delegiertenkonferenz des FDGB der SBZ, dem Gründungs- und 1. FDGB-Kongress, nur als Beobachter zuzulassen.
Der FDGB Groß-Berlin war als eigenständige Org. Mitglied des WGB und nahm mit eigenen Vertretern an den Interzonenkonferenzen der deutschen Gewerkschaften teil. Die faktische Einbeziehung in den FDGB der SBZ war jedoch durch die Personalunion der Führungskräfte beider Org. gegeben. Außer Jakob Kaiser und Paul Walter gehörten alle Mitglieder des Vorbereitenden Gewerkschaftsausschusses für Groß-Berlin sowohl dem Berliner Stadtvorstand als auch dem BuV des FDGB in ltd. Positionen an.
Berlin war Brennpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten wie zwischen den polit. Kräften in Deutschland. Darin waren auch die Gewerkschaften einbezogen. Die Auseinandersetzungen konzentrierten sich zunächst auf die Besetzung von Führungspositionen in den Vorständen, wobei einzelne Personen für unterschiedliche Gewerkschaftskonzeptionen der Parteien standen. Dem Führungsanspruch der KPD bzw. dann SED, die sich auf die sowj. Besatzungsmacht stützen konnten, setzten die Mitglieder der Berliner SPD mit Rückhalt bei den westlichen Militärbehörden stärkeren Widerstand entgegen als es im Gebiet der SBZ möglich war. Im FDGB bildete sich eine starke Opposition heraus. Im Mittelpunkt stand der Widerstand gegen den Zentralismus im FDGB und v.a. die immer wieder beklagte Behinderung oppositioneller Kandidaten bei den Gewerkschaftswahlen, aber auch die Ablehnung der Versuche, wirtschaftspolit. Maßnahmen der SMAD wie den Befehl 234 („Über Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter und Angestellten in der Industrie und im Verkehrswesen“ vom 9.10.1947) mit dem 12-Punkte-Programm des sowj. Stadtkommandanten General Alexander G. Kotikow (*27.8.1902-†19.7.1981) auf ganz Berlin auszudehnen.
Aufgrund inhaltlicher Einwände gegen den Entwurf der Satzung des FDGB Groß-Berlin forderte die AK Nachbesserungen und die Beschlussfassung darüber auf einer ao. Stadtkonferenz. Eine Einigung wurde jedoch auf der Konferenz am 13.7.1947 nicht erzielt. Daher bildeten die oppositionellen Kräfte am 10.2.1948 eine AG Unabhängige Gewerkschaftsopposition (UGO). Die Auseinandersetzung über die Anerkennung von Mandaten der UGO auf der 3. Stadtkonferenz des FDGB vom 21.-23.5.1948 veranlassten die UGO-Delegierten, die Konferenz zu verlassen. Am 25.5.1948 konstituierte sich die kommissar. Leitung des FDGB (UGO).
Während die Anhänger der UGO im sowj. Sektor Repressalien ausgesetzt wurden, schlossen die westlichen Stadtkommandanten als Reaktion darauf die FDGB-Büros in ihren Sektoren, die anschließend von der UGO übernommen wurden. Mit der Anerkennung der UGO als Tarifpartner in den Westsektoren - deren Verweigerung durch den Stadtrat Waldemar Schmidt (SED) die Spaltung der Berliner Stadtverwaltung beschleunigte - verlor der FDGB schnell seine Mitgliedschaft in West-Berlin. Erfolglos versuchte der FDGB, kleinere Gruppen zu einer Opposition gegen die UGO bzw. den DGB aufzubauen. 1952 forderte Walter Ulbricht dann die Auflösung der restlichen noch bestehenden FDGB-Organisationen in Wes-Berlin.
In Ostberlin hielten die SED und die Stadtverwaltung zunächst an der Fiktion des Viermächtestatus fest. Damit bestand auch der FDGB Groß-Berlin als eigene Organisation weiter. Sie wurde jedoch immer mehr wie ein Landesverband der Gesamtorganisation behandelt. Beim BuV wurde ein Verbindungsbüro Groß-Berlin zum Berliner Vorstand eingerichtet, das 1950/51 von Gustav Ulfert und 1951/52 von Hermann Schlimme geleitet wurde. Beide wurden zugleich Mitglied des Sekr. des BuV mit beratender Stimme. Der 1952 mit der Bildung der Bezirke in der DDR verbundene Umbau der Struktur des FDGB bot Gelegenheit zur völligen Integration des FDGB Groß-Berlin in die Gesamtorganisation. Berlin wurde zu einer Bezirksorganisation des FDGB. Die 5. Stadtdelegiertenkonferenz 1953 tagte bereits als BDK, der Berliner Stadtvorstand wurde zum BV Berlin.

1.Vors. des FDGB Groß-Berlin:
Roman Chwalek (KPD/SED), Febr. 1946-März 1949
Adolf Deter (KPD/SED), März 1949-51
Willi Kuhn (KPD/SED), 1951-56

2. Vors.:
Hermann Schlimme (SPD/SED), Febr. 1946-1951

3. Vors.:
Ernst Lemmer (DDP/CDU), Febr. 1946-März 1947
Nikolaus Bernhard (SPD), März 1947-Dez. 1948

Stadtkonferenzen des FDGB Groß-Berlin:
1. Delegiertenkonferenz, 2./3.2.1946
2. Delegiertenkonferenz, 29./30.3.1947
ao. Delegiertenkonferenz, 13.7.1947
3. Delegiertenkonferenz, 21.-23.5.1948
4. Delegiertenkonferenz, 19.-21.5.1950

K.K.