Einheitsgewerkschaft. Unter einer E. versteht man eine Gewerkschaft, die allen abhängig Beschäftigten ungeachtet deren polit. oder weltanschaulicher Überzeugung offen steht. Voraussetzung dafür ist strikte Neutralität und Toleranz dieser Gewerkschaften in polit.-weltanschaulichen Fragen und die Einbeziehung aller vorhandenen weltanschaulich-polit. Strömungen in Leitungsgremien und bei innergewerkschaftlichen Wahlen.
In Deutschland hatte sich vor der Machtübernahme durch Hitler die Idee der E. nicht durchsetzen können. Herausgebildet hatten sich ganz im Gegenteil weltanschaulich und (partei-)polit. festgelegte Richtungsgewerkschaften. Die vier Hauptrichtungen vor 1933 waren:
- die sozialdemokrat. orientierten freien Gewerkschaften, worunter man den nach dem Industrieprinzip organisierten Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) sowie den nach dem Funktionsprinzip organisierten Allgemeinen freien Angestellten-Bund (AfA-Bund) verstand. Beide hatten 1931 zusammen ca. 4,8 Mio. Mitgl. Zu den freien Gewerkschaften rechnete man überdies den Allgemeinen Deutschen Beamtenbund (ADB).
- die christlichen Gewerkschaften, die in der Dachorganisation Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) zusammengeschlossen waren und 1931 knapp 1,3 Mio. Mitgl. besaßen. Zu den christlichen Gewerkschaften zählte auch der Gesamtverband Deutscher Angestellten- Gewerkschaften (GEDAG).
- die liberal-nationalen, sog. Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften mit ca. 570 000 Mitgl. (1931), offiziell als Gewerkschaftsring Deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände bezeichnet.
- die stets mitgliedsschwachen kommunist. Gewerkschaftsorganisationen, die während der Weimarer Republik zwischen konstruktiver Mitarbeit in den freien Gewerkschaften, Fraktionsbildung darin und der Errichtung eigener Organisationen lavierten. Sie trugen die Bezeichnung RGO (Revolutionäre Gewerkschaftsopposition bzw. -organisation je nach Positionierung) und hatten ca. 300 000 Mitgl.
Nach einem eher unrühmlichen Auftritt am 1. Mai 1933 sowie dem dann folgenden Verbot oder der Einverleibung in die nationalsozialist. Deutsche Arbeitsfront (DAF) und der Verfolgung von Gewerkschaftern während der NS-Zeit gab es 1945 ein nahezu einhelliges Bestreben, einen übergreifenden Zusammenschluss, die E., zuwege zu bringen.
Mit der Etablierung des Vorbereitenden Gewerkschaftsausschusses für Groß-Berlin und dessen Bestätigung als vorläufigem FDGB-Vorstand durch zwei - demokrat. freilich nicht legitimierte - Konferenzen im Juni und Juli 1945 glückte (von oben und vordergründig) die Gründung der E. für die SBZ: Alle früheren Richtungen waren beteiligt, die Kommunisten freilich gemessen an ihrer früheren Stärke dank der Einflussnahme der Besatzungsmacht weit überproportional. Auf dem FDGB-Gründungskongress im Februar 1946 benutzten die KPD-Kader diese Stellung noch nicht, sondern beließen es programmat. und organisationspolit. bei Unverbindlichem.
Mit der Zwangsvereinigung von KPD und SPD nur zwei Monate später verfestigten sich die Kräfteverhältnisse in den FDGB-Vorständen zugunsten der neuen SED, die nunmehr SED über den FDGB verfügen konnte und dies ab 1947 auch tat. Die anderen Richtungen und selbst ehemalige Sozialdemokraten wurden aus den Führungsgremien herausgedrängt. Man oktroyierte dem FDGB kommunist. Organisationsprinzipien wie den demokrat. Zentralismus und das leninist.-stalinist. Funktionsverständnis von Gewerkschaften. Die Autonomie der IG und Gew. wurde abgeschafft. Der FDGB war fortan eine E. im kommunist. Sinne: eine der Partei unterworfene, zentralist. Monopolorganisation mit untergeordneten Verbänden. Die freie E. als Kompromiss aller Richtungen existierte in der SBZ nicht mehr. In der BRD entstand im Oktober 1949 der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als Dachverband von 16 Einzelgewerkschaften auf dem Gebiet der vormaligen westlichen Besatzungszonen.
U.G.