Vorsitzende des Bundesvorstandes (1946-89). Im Prozess des schrittweisen Zusammenschlusses der regionalen Org. des FDGB bis hin zur Gründung des FDGB für die SBZ hatte der in Berlin im Juni 1945 gegründete Vorbereitende Gewerkschaftsausschuss sehr bald seinen Führungsanspruch durchgesetzt. Seine Mitgl. waren Spitzenfunktionäre der verschiedenen Gewerkschaftsrichtungen (s.a. Einheitsgewerkschaft) gewesen und Berlin wurde von ihnen als die Reichshauptstadt angesehen, von der ein polit. Neuaufbau in ganz Deutschland ausgehen sollte. Aus dem Berliner Vorstand kamen daher auch die ersten Vors. des auf der Allg. Delegiertenkonferenz des FDGB (1. FDGB-Kongress) im Febr. 1946 gewählten BuV. Das Führungsgremium aus drei Vors. repräsentierte die verschiedenen Gewerkschaftsrichtungen in der Weimarer Republik, zugleich aber auch den Führungsanspruch der KPD: 1. V.d.B wurde Hans Jendretzky (KPD), aus der RGO, 2. V.d.B. Bernhard Göring (SPD), ehem. Sekr. des AfA-Bundes, und 3. V.d.B. Ernst Lemmer (CDU) von den Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften.
Bis Ende 1949 veränderte sich die Situation grundlegend. Lemmer trat Anfang April 1949 auf Grund der Repressalien der sowj. Besatzungsmacht gegen den Parteivorst. der Ost-CDU unter Jakob Kaiser von seiner Funktion zurück, nachdem er auch vorher kaum Einfluss auf die Führung im FDGB erlangt hatte. An die Stelle von Jendretzky, der zum 1. Sekretär des Berliner LV der SED gewählt worden war, trat am 25.10.1948 Herbert Warnke. Im Dez. 1949 verstarb unerwartet Göring. Sowohl nach dem Rücktritt Lemmers als auch nach dem Tode Görings wurden ihre Funktionen ersatzlos gestrichen. Damit war Warnke ab 1950 der einzige Vors. des BuV. Ihm wurden ein bis zwei Stellv. zur Seite gestellt.
Neben der allg. Ltg. der Gesamtarbeit des BuV wurden zeitweilig einzelne Abt. direkt dem V.d.B. zugeordnet, vor allem die Abt. Internationale Verbindungen und die Abt. Bundesfinanzen.
Auf dem 2. Weltgewerkschaftskongress in Mailand im Juli 1949 wurde Warnke als Vertreter des FDGB in den Generalrat und in das Exekutivkomitee des WGB gewählt. 1953-69 war er einer der Vizepräsidenten, seit 1969 Mitgl. des Büros des Generalrates.
Warnke war seit Jan. 1949 Mitgl. des Parteivorst. der SED. Im Juli 1953 wurde er Kandidat des PB des ZK der SED, im Juli 1958 Mitgl. des PB. Warnke gehörte seit 1949 der Volkskammer der DDR an, 1971 wurde er Mitgl. des Staatsrates der DDR. Am 26.3.1975 verstarb Warnke.
Nach seinem Tode entschied das PB des ZK der SED, das PB-Mitgl. Harry Tisch, 1. Sekretär der SED-BL Rostock, an die Spitze des FDGB zu setzen. Dass die Auswahl ohne Mitwirkung der satzungsgemäßen Organe des FDGB erfolgte, zeigte die absolute Unterordnung unter die Parteiführung, die sich in dem von der SED festgelegten Nomenklatursystem ausdrückte. Vorstellungen im FDGB, einen Nachfolger aus den eigenen Reihen zu benennen, wurden ohne Diskussion übergangen. So war es nur noch ein formaler Akt, dass die 10. Tagung des BuV am 28.4.1975 Tisch zum V.d.B. wählte.
Sein polit. Auftreten im Herbst 1989 (u.a. in den Diskussionen mit Gewerkschaftsmitgl. im VEB Bergmann-Borsig in Berlin und in der Elbewerft Boizenburg, aber auch Vorwürfe des Amtsmissbrauchs, der persönlichen Bereicherung und Privilegienwirtschaft, führten dazu, dass in Mitgliedschaft und Öffentlichkeit massiv auf Rücktritt Tischs gedrängt wurde. Zunächst noch von der Führung der SED gestützt, versuchte das Präs. auf der 10. Tagung des BuV am 30.10.1989, den Rücktritt zu verhindern. Der Versuch, durch Vertagung die Abstimmung über die gestellte Vertrauensfrage den Rücktritt zumindest aufzuhalten, schlug fehl. Bei der Fortsetzung der Beratung am 2.11.1989 nahm der BuV den angebotenen Rücktritt mit zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung an. Zur Nachfolgerin wurde Annelies Kimmel, Vors. des BV Berlin des FDGB, gewählt.
Die polit. Erosion war jedoch durch den Führungswechsel nicht mehr aufzuhalten (s.a. friedliche Revolution und Wiedervereinigung). Auf der folgenden 11. Tagung des BuV am 29.11.1989 traten Präs. und Sekr. des BuV zurück. Es wurde ein Arbeitssekr. gebildet, das von der V.d.B. geleitet werden sollte. Wichtigstes Vorhaben sollte ein ao. FDGB-Kongress sein, der zum 31.1./1.2.1990 einberufen wurde. Doch bereits nach wenigen Tagen, auf der 12. Tagung des BuV am 9.12.1989, traten der gesamte BuV und das Arbeitssekr. zurück. Als Leitungsorgan wurde eine Komitee zur Vorbereitung des ao. Kongresses gebildet.
Die 11. Tagung des BuV am 29.11.1989 schloss Tisch aus dem BuV und aus dem FDGB aus. Tisch wurde am 3.12.1989 inhaftiert, im Juni 1991 vom Berliner Landgericht wegen Untreue verurteilt, aber unter Anrechnung der Untersuchungshaft freigelassen. Er verstarb am 18.6.1995.
K.K.