FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Einzelgewerkschaften des FDGB. Der Org.-Plan des FDGB war bereits im Vorbereitenden Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin aufgestellt und in der Sitzung vom 14.6.1945 bestätigt worden. Er sah 18 Verbände vor, die überwiegend nach dem Industriegewerkschaftsprinzip aufgebaut waren, d.h. alle Beschäftigten eines Betriebes gehörten der gleichen IG/Gew. an. Dabei folgte der Plan nur z.T. den Organisationsbereichen der Verbände vor 1933. Die Neugliederung entsprach im Wesentlichen den Exilplanungen der KPD für den Wiederaufbau von Gewerkschaften, die im Aug. 1944 in den „Richtlinien zur Gewerkschaftspolitik“ ihren Niederschlag fanden.
Die Berliner Organisationsgrundsätze über den Aufbau der Gewerkschaften wurden als Grundlage für den Gewerkschaftsaufbau in der gesamten SBZ durchgesetzt. Vorangegangene unabh. Gründungen von Gewerkschaftsausschüssen wurden durch neue ersetzt oder nach den Berliner Grundsätzen umgebildet. Für die Angestellten hatte Bernhard Göring, ehemaliger Sekretär des AfA-Bundes, eine Ausnahmeregelung durchgesetzt. Neben den 14 IG wurde die Gew. der Angestellten eingerichtet, die jedoch keine eigenen GO bildete, sondern ihren Vertreter in die BGL entsandte. Der Berliner Plan sah zunächst zwei Angestellten-Gew. vor: für die Techniker und Werkmeister und für die kaufmänn. Angestellten. Die Org.-Konferenz des BuV zum Aufbau der IG am 16./17.5.1946 sah nur eine Gew. der Angestellten vor. Ebenfalls als Gewerkschaften bezeichnet wurden die Verbände der Lehrer sowie der Künstler, Schriftsteller und Journalisten. Ab 1950 wurden die für nichtindustrielle Wirtschaftsbereiche bestehenden Org. ebenfalls als Gewerkschaften bezeichnet.
Leitende Organe der IG/Gew. waren die ZDK, die den ZV wählten, der wiederum aus seinen Reihen Sekr., zeitweilig auch Präsidien bildete. Dem entsprach auch der Aufbau der regionalen Organe der IG/Gew. Allerdings wurden nicht immer für alle Ebenen Ltg. gebildet. Der FDGB wurde von Beginn an als Einheitsorganisation aufgebaut. Die IG/Gew. waren zwar ab 1969 rechtsfähig. Die Rechtsfähigkeit war jedoch durch die alleinige Finanzhoheit des FDGB eingeschränkt. Die Mitgliedschaft wurde im FDGB erworben und dann der zuständigen IG zugeordnet. Bereits der ursprüngliche Entwurf für die Satzung des FDGB von 1946 sah die IG/Gew. als ausführende Organe für die vom BuV gestellten allg. Aufgaben. Angesichts des Widerstands in den IG/Gew. wurde ihre abhängige Stellung in den am 30.5.1946 vom BuV veröffentlichten Mustersatzungen für die IG/Gew. noch zurückgenommen, insges. aber die Mustersatzung für verbindlich erklärt. Die Satzung des FDGB von 1950 ging dann davon aus, dass alle Organe der IG/Gew. zugleich Organe des FDGB seien. Die Satzungen der IG/Gew. unterlagen nach dem Sekr.-Beschluss des BuV vom 17.7.1950 der Registrierung durch den BuV. Der Sekretariatsbeschluss vom 30.1.1951 schränkte die IG/Gew. weiter ein. Deren Satzungen sollten nach dem Muster der FDGB-Satzung ausgearbeitet werden. Dabei waren die „Grundsätze und Ziele“ wörtlich aus der FDGB-Satzung zu übernehmen. Damit waren die eigenen Satzungen der IG/Gew. grundsätzlich in Frage gestellt, so dass die ZV entschieden, auf eigene Satzungen zu verzichten.
Die Entscheidung über die Bildung von IG/Gew. und Festlegung ihrer Org.-Bereiche oblag allein dem BuV. Die Entschließung des 2. FDGB-Kongresses 1947 zur Org.-Frage hatte bereits die Beschränkung des Org.-Bereichs einer IG auf möglichst nur einen Industriezweig gefordert. Aber erst im Zusammenhang mit der Bitterfelder Konferenz 1948 kam es 1949/50 beginnend mit dem Beschluss der Sitzung des BuV vom 5.-7.4.1949 zu einer Neustrukturierung der Org.-Bereiche der IG/Gew., mit der eine Angleichung an die Struktur der staatl. Wirtschaftsleitung erreicht werden sollte. Die operative Gewerkschaftsarbeit sollte weitgehend durch die IG/Gew. erfolgen. Dazu wurden als Zwischenglied zwischen LV und Ortsvorstand der IG die Gebietsvorstände gebildet. Aus den Erfahrungen des 17. Juni 1953 heraus wurden die Zuständigkeiten der IG für die Gewerkschaftsarbeit vor Ort mit dem Beschluss der 14. Tagung des BuV vom 13.-15.8.1953 weiter ausgedehnt. Die Aufgaben der Abt. des BuV wurden eingeschränkt.
Die Folge war jedoch vor allem eine Vergrößerung der Apparate der ZV. Die angestrebte Verlagerung der Arbeit an die Basis wurde nur z.T. erreicht. Nach dem kurzlebigen Experiment mit den Arbeiterkomitees als Reaktion auf die Krisen in Ungarn und Polen 1956 setzte die SED wieder voll auf den FDGB als Instrument der Arbeitsmobilisierung. Die 35. Tagung des ZK der SED vom 3.-6.2.1958 forderte vom FDGB den verstärkten Einsatz zur Entwicklung von Produktionsinitiativen. Die Gewerkschaften sollten „noch mehr für die gesamte Arbeiterklasse zu Schulen des Sozialismus werden.“ Die Arbeitsweise der ZV wurde als „bürokrat.“ kritisiert. Die zentralen Apparate sollten nun zugunsten der KV der IG reduziert werden. Die Konferenz des BuV vom 20./21.2.1958 und die folgende 30. Tagung des BuV am 22.2.1958 fasste darauf Beschlüsse zu den Aufgaben der leitenden Organe des FDGB und der IG/Gew. und die Zusammenlegung einer Reihe von IG/Gew. Die hauptamtl. Apparate sollten verkleinert und die ehrenamtl. Arbeit verstärkt werden. Auch in den folgenden Jahren kritisierte die SED-Führung die ungenügende polit. Wirksamkeit der Gewerkschaftsvorstände. Die 13. Tagung des BuV am 11.5.1962 beschloss daraufhin Richtlinien zur Verbesserung und Vereinfachung der Arbeitsweise der ZV der IG/Gew. Die Sekr. der ZV wurden zu Präsidien der ZV erweitert, denen weitere Mitglieder des ZV angehörten. Bei den ZV wurden Kommissionen gebildet, in die neben ZV-Mitglieder ehrenamtlich aktive Gewerkschafter und Arbeiter aus den Betrieben berufen wurden. Erst in den 80er Jahren wurden wieder Sekr. der ZV gebildet. Nach der Schaffung der VVB als wirtschaftsleitende Organe wurden zunächst Gewerkschaftskomitees als Leitungsorgane der IG geschaffen, die direkt den ZV unterstanden. In den Kombinaten bestanden dagegen Kollektive der BGL-Vors. der Kombinatsbetriebe unter Ltg. eines Beauftragten des ZV.
Im Bestand der einzelnen IG/Gew. gab es nach der Auflösung der Gew. Sta-Ge-Fi 1961 und der IG Energie-Post-Transport 1963 in getrennte Org. keine weiteren Neubildungen.
Angesichts der Krise des FDGB wurde im Herbst 1989 als Weg der Erneuerung der Gewerkschaften die Gründung selbständiger E. mit voller Rechts- und Finanzhoheit gefordert. Nach der Entscheidung des ao. FDGB-Kongresses vom Jan./Febr. 1990 zur Umbildung des FDGB in einen Gewerkschaftlichen Dachverband selbständiger E. konstituierten sich diese auf der Grundlage der von ihnen beschlossenen Satzungen. Die Org. wurde nun in weitgehender Anlehnung an die Struktur der E. im DGB neu aufgebaut. Zum Ende der DDR beschlossen die IG ihre Auflösung und forderten ihre Mitglieder zum Übertritt in die bundesdeutschen Gewerkschaften auf.
K.K.

Verzeichnis der Einzelgewerkschaften