FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Abt. Gewerkschaften und Sozialpolitik beim ZK der SED. Obwohl die Kommunisten von Anfang an, etwa im vorbereitenden Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin, massiven Einfluss auf den Aufbau und die Arbeit der Gewerkschaften nahmen, war die Einrichtung einer Gewerkschaftsabt. o.ä. in den Moskauer Exilplänen der KPD zum Aufbau des zentralen Parteiapparates der KPD nicht vorgesehen. Die entsprechenden Kompetenzen in der Parteiführung in Berlin lagen bei Walter Ulbricht und sollten im zentralen Apparat wahrscheinlich zunächst in der Wirtschaftsabt. angesiedelt werden. Den Grund für diese vermeintliche Zurückhaltung seitens der KPD-Zentrale erläuterte Ulbricht im November 1945 auf einer erweiterten Sitzung des KPD-Führungsgremiums: „Wir wollen nicht, dass in der Öffentlichkeit etwa der Eindruck erweckt wird, dass die Kommunisten diese gewerkschaftliche Delegiertenberatung vorbereiten. Deswegen werden wir nirgends davon sprechen, dass wir auf Konferenzen die Gewerkschaftsfrage behandeln, sondern wir behandeln die Fragen der Wirtschaft und des Arbeitsrechts. Wir haben keine Gewerkschaftsabteilung, weder beim ZK noch woanders, sondern wir haben bei den Bezirksleitungen und beim ZK ein Abteilung für Arbeit und Sozialfürsorge.“ Eine solche Abteilung gab es zu diesem Zeitpunkt im zentralen Apparat allerdings noch nicht, sondern nur einen gleichnamigen Ausschuss, der im Oktober auf Beschluss der Parteiführung gebildet worden war. In ihm waren dafür aber gleich acht KPD-Funktionäre versammelt, die damals in Berlin und in Sachsen vor allem in der Gewerkschaftsarbeit aktiv waren: Roman Chwalek, Karl Fugger, Heinz Keßler, Hans Jendretzky, Martha Arendsee, Fritz Apelt, Paul Walter und Fritz Rettmann.
Für die von Ulbricht erwähnte Abt. Arbeit und Sozialfürsorge wurden erst Anfang 1946 zwei Mitarbeiter eingestellt. Der Kommunist Rudolf Belke, eingeplant für den Bereich Sozialfürsorge, wurde trotz „brandleristischer“ Vergangenheit nach der Vereinigung mit der SPD stellvertretender Leiter der Abt., während der Kommunist Emil Paffrath, zuständig zunächst für Betriebsräte, in dieser Abt. bald zu einer der wichtigsten Figuren bei der Anleitung und Kontrolle der Gewerkschaften durch die Parteizentrale wurde. Parität. Leiter der Abt. war seit der Gründung der SED neben Belke der Sozialdemokrat Rudolf Weck, wobei ihm der Bereich Sozialfürsorge unterstand und die Arbeit mit den Gewerkschaften Belke bzw. Paffrath. Belke schied 1948 aus polit. Gründen aus der Parteizentrale aus.
Mit seinen zwei Mitarbeitern gehörte die Abteilung zunächst zu den kleinsten im Apparat der KPD-Führung. Allerdings konnte das Hauptziel, die Sicherung des kommunist. Einflusses auf die im Entstehen begriffenen Gewerkschaften, anfangs ohnehin besser durch die Installierung von Vertrauenskadern in den gewerkschaftlichen Apparat erreicht werden. Hierbei kam dem o.g. Ausschuss bzw. ab 1946 der Abteilung die eigentliche Bedeutung zu. Im Laufe der 40er Jahre wuchs die Abteilung dann aber bereits auf 18 Mitarbeiter an.
Die Abt. Arbeit und Sozialfürsorge (auch Sozialpolitik) in der SED-Parteizentrale bestand in dieser Form faktisch bis 1950. Sie war zuständig für Fragen des Lohn- und Arbeitsrechts, der Berufsausbildung, des Sozial- und Wohnungswesens, für „Umsiedler“ (der damalige SED-Begriff für Vertriebene) und ihre Belange, Opfer des Faschismus, Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft und vor allem für die Sicherung der „führenden Rolle“ der SED in den Gewerkschaften, also deren Anleitung und Kontrolle sowie für die Produktionswettbewerbe (s. sozialist. Wettbewerb). 1948 wurde die Abt. in zwei Unterabteilungen aufgegliedert, wobei Weck für die Sozialfürsorge zuständig blieb und Paffrath nun auch formal die Leitung des Bereichs Arbeit übernahm. Weck blieb formal bis 1951 Leiter des Bereichs Sozialfürsorge, nahm diese Funktion aber wegen eines Schlaganfalls seit 1950 bereits nicht mehr war. Zuständig in der Parteiführung waren parität. der Kommunist Paul Merker (*1.2.1894-†13.5.1969) und der ehemalige Sozialdemokrat Helmut Lehmann (*1.12.1882-†9.2.1959), nach Bildung des Politbüros 1949 nur noch Lehmann.
Im Zuge einer Reorganisation des zentralen Parteiapparates im Zusammenhang mit der Gründung der DDR und der Bildung von Ministerien wurde die Abt. Arbeit und Sozialfürsorge im Juli 1950 aufgelöst. Laut Beschluss des SED-Politbüros vom 30.6.1950 wurden ihre Aufgaben vom Sektor Arbeit und Gewerkschaften in der Abt. Wirtschaftspolitik übernommen. Abteilungsleiter war in dieser Zeit der Kommunist Ernst Scholz.
Anfang 1952 wurden Kaderabt. und Organisationsabt. sowie die Parteiinformation zu einer Superabteilung, der Abt. Leitende Organe der Partei und Massenorganisationen (LOPMO) zusammengefasst. Diese Abteilung war in neun Sektoren untergliedert, darunter ein Sektor Gewerkschaften. Zuständiger Sekretär war bis Ende 1952 der Kommunist Otto Schön (*9.8.1905-†15.9.1968), danach der Kommunist Karl Schirdewan (*14.5.1907-†14.7.1998). Abteilungsleiter war zunächst Heinz Glaser, 1953 kurzzeitig Willi Elstner und ab 1954 dann Fritz Kleinert. Analoge Strukturen wurden auf Landes- (bzw. ab 1952 dann Bezirks-) und Kreisebene aufgebaut. Die Abt. LOPMO war nicht nur für die Anleitung und Kontrolle der Bezirks- und Kreisleitungen der SED zuständig, sondern übte diese Funktionen auch für die Massenorganisationen und somit auch für die „Genossen im Bundesvorstand des FDGB, den Zentralvorständen der Ind. Gewerkschaften und Gewerkschaften“ (Strukturplan, 5.1.1953) aus.
Ende 1952 wurde eine Abt. Arbeitskräfte, Sozialversicherung und Gesundheitswesen gebildet, aus der 1953 die Abt. Arbeit, Sozial- und Gesundheitswesen wurde. Die Anleitung und Kontrolle der Gewerkschaften oblag aber weiterhin der Abt. LOPMO.
Anfang 1957 wurde erneut der Versuch unternommen, durch Reorganisation des zentralen Parteiapparates eine Effektivierung seiner Arbeit zu erzielen. Die erst fünf Jahre zuvor mit gleichem Ziel geschaffene Super-Abt. LOPMO wurde aufgelöst und wieder eine Kader- und eine Organisationsabt. gebildet, letzere hieß ab Ende der 50er Jahre Abt. (Leitende) Parteiorgane. Die Arbeitsbereiche des Sektors Gewerkschaften wurden in die jetzt als Abt. Gewerkschaften, Sozial- und Gesundheitswesen firmierende ZK-Abteilung eingegliedert. Im Juni 1959 beschloss das Politbüro, den Bereich Gesundheitspolitik abzutrennen und eine eigenständige Abt. Gesundheitspolitik zu bilden. Die Leiter der Gewerkschaftsabt. des ZK nahmen seit den 50er Jahren regelmäßig an den Beratungen des Präs. und des Sekr. des FDGB-BuV teil.
Für die Gewerkschaften zuständiger Sekretär in der SED-Zentrale war zunächst Gerhart Ziller (*19.4.1912-†14.12.1957), ab 1959 lag die Verantwortung für Gewerkschaften dann beim Politbüromitglied Alfred Neumann (*15.12.1909-†8.1.2001). 1961 wies der ZK-Stellenplan für die Abt. G.u.S. 19 polit. und vier technische Mitarbeiter aus. Die Abt. bestand dann in dieser Form mehr oder weniger bis 1989, d.h. auch die Anleitung und Kontrolle der Gewerkschaften geschah von hier aus. Die Abteilung war zu enger Zusammenarbeit mit den Industrieabteilungen und der Abt. Landwirtschaft angehalten. Abteilungsleiter waren Fritz Rettmann (1957-1962), Josef Steidl (1962-1965) und Fritz Brock (1965-1989). In der Parteiführung waren die ZK-Sekretäre für Wirtschaft für diese Abt. zuständig: Erich Apel (1962-1965; *3.10.1917-†3.12.1965), Günter Mittag (1966-1973; 1976-1989; *8.10.1926-†18.3.1994), Werner Krolikowski (1973-1976; *12.3.1928) und Wolfgang Rauchfuß (Nov./Dez. 1989; *27.11.1931).
Zu den wichtigsten Aufgaben dieser Abteilung gehörte neben der Anleitung und Kontrolle der Gewerkschaften gleiches im Bereich der Neuererbewegung, des Rationalisierungswesens, der Arbeitsökonomik, des „sozialist. Wettbewerbs“, des Sozialsystems und der entsprechenden Kaderqualifizierung.
M.K.