FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Betriebsrat. Von der Belegschaft frei gewählte Vertretung zur Wahrnehmung von betrieblichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten, die in der SBZ nur zwischen 1945-1948/49 existierte.
Nach dem II. WK wurden in der SBZ in zahlreichen Betrieben von meist antifaschist. orientierten Arbeitern und Angestellten spontan provisor. B. nach dem Vorbild der Weimarer Republik gebildet. Im Chaos des Zusammenbruchs versuchten sie, entweder allein oder zusammen mit handlungsfähig gebliebenen Betriebsleitungen, kriegszerstörte Gebäude zu räumen, die Produktion wieder in Gang zu bringen und für halbwegs erträgliche Arbeitsbedingungen zu sorgen; mit hoher Priorität kümmerten sie sich auch um die Versorgung der Belegschaften mit dem Lebensnotwendigstem und trieben die Entnazifizierung ihrer Betriebe voran. Verglichen mit den Weimarer Betriebsräten traten sie - bedingt vor allem durch die Zeitumstände - mit deutlich weiter reichenden Mitbestimmungsansprüchen gegenüber den Betriebsleitungen auf.
Von der sowj. Besatzungsmacht, der KPD-Führung und dem vorbereitenden Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin als unliebsame Konkurrenz zu den polit. prinzipiell besser steuerbaren Gewerkschaften anfangs nur widerstrebend geduldet und aus rein pragmat. Gründen anerkannt, sollte die Tätigkeit der B. schließlich mit Hilfe von Ländergesetzen auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestellt werden. Nur im - zunächst amerikan. besetzten - Thüringen war bereits im Oktober 1945 ein Betriebsrätegesetz verabschiedet worden. Der Entwurf für ein neues einheitliches Betriebsrätegesetz, das die praktisch schon realisierten Mitbestimmungsrechte deutlich zurückgeschnitten hätte, wurde im Februar 1946 zwar von einer zentralen Delegiertenkonferenz des FDGB angenommen, dann jedoch nicht in die Praxis umgesetzt - offensichtlich, weil die SMAD kurzfristig einer Regelung durch den Alliierten Kontrollrat den Vorzug gab. Erst das Betriebsrätegesetz des Alliierten Kontrollrats vom 10.4.1946 (Kontrollratsgesetz Nr. 22) schuf schließlich eine für alle vier deutschen Besatzungszonen einheitliche Gesetzesgrundlage. In Hinblick auf die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte der B. blieb dieses Gesetz hinter der alltäglichen Praxis in der SBZ noch weiter zurück als der FDGB-Entwurf vom Februar 1946. U.a. erhielten die B. das Recht, künftig mit den Betriebsleitungen sog. Betriebsordnungen zur partnerschaftlichen Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie der sozialen Belange der Belegschaft zu vereinbaren. In der SBZ wurden diese Betriebsordnungen als Betriebsvereinbarungen bezeichnet und enthielten neben Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie sozialen Belangen auch Vereinbarungen über die Mitwirkung der B. bei der Erfüllung der Produktionsaufgaben sowie bei der Verteilung der Erzeugnisse und der Preiskontrolle - eine Abweichung vom traditionellen Arbeitsfeld der B., die einerseits zwar prinzipiell ihren eigenen Ansprüchen auf mehr Mitbestimmung entgegen kam, anderseits aber auch ihre versuchte Instrumentalisierung für die Planwirtschaft erkennen ließ. Von Bedeutung für die weitere Entwicklung war vor allem, dass das alliierte Betriebsrätegesetz die B. ganz im Sinne von SMAD und KPD-Führung zu einer engen Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften verpflichtete.
Die Zusammenarbeit der B. mit den oft noch relativ schwachen Gewerkschaftsgruppen war tatsächlich meist eng und vertrauensvoll. Viele Betriebsratsvorsitzende verstanden sich als Gewerkschafter und übernahmen zugleich die Leitung der Gewerkschaftsgruppe. Als SED- und FDGB-Funktionäre übergeordneter Ebenen im Vorfeld der Betriebsrätewahlen vom Juni/Juli 1947 jedoch begannen, in Umkehrung der bestehenden Verhältnisse einen generellen Führungsanspruch der vielerorts noch gar nicht lange bestehenden und in Erscheinung getretenen Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) gegenüber den B. geltend zu machen, nahmen die Spannungen zwischen beiden Gremien deutlich zu. Gerade ältere und besonders engagierte Betriebsräte, die aus der Sozialdemokratie stammten (vgl. Sozialdemokraten im FDGB) und das auch weiterhin in ihrer Arbeit zum Ausdruck kommen lassen wollten, sahen sich nun immer häufiger mit dem Vorwurf des Sozialdemokratismus konfrontiert und aus verantwortlichen Funktionen herausgedrängt. Die Belegschaften drückten ihre Unzufriedenheit mit dieser Entwicklung bei den Betriebsrätewahlen aus: Der Anteil der SED-Mitglieder an den gewählten B. sank deutlich zugunsten der Parteilosen ab: Hatte er im Land Brandenburg 1947 noch bei 51,5% gelegen, so waren es 1948 nur noch 41,4% (Parteilose erlangten 1947 47,2% und 1948 56,6% der Mandate). Unter diesen Umständen gelang es dem FDGB, der unter dem polit. Druck der SMAD und der SED-Führung stand, nur schrittweise, den eigenen Unterbau in den Betrieben voranzutreiben (vgl. Widerstand und Opposition). Mit den Bitterfelder Beschlüssen des FDGB-BuV vom 25./26.11.1948 wurde jedoch das faktische Ende der unabhängigen Betriebsräte besiegelt; überwiegend gliederten sie sich in den folgenden Wochen und Monaten in die BGL ein. Damit war der anfängliche Dualismus der betrieblichen Interessenvertretung zwischen den autonomen Betriebsräten und den von übergeordneten Leitungen weisungsabhängigen Betriebsgewerkschaftsorganisationen zugunsten der letzteren beseitigt. In der Verfassung der DDR von 1949 wurden die B. zwar noch als legitime Interessenvertreter der Arbeiter und Angestellten erwähnt, doch schon das Gesetz der Arbeit vom 19.4.1950 sprach dann dem FDGB das gesetzliche Vertretungsmonopol zu.
F.S.