FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Arbeitsrecht. Das A. der DDR stellte einen eigenen Rechtszweig des Staatsrechts dar und regelte umfassend die Arbeitsverhältnisse und sonstigen Beziehungen zwischen dem meist staatlichen Arbeitgeber und den abhängig Beschäftigten. Grundsätzlich wurde dem A. die Aufgabe zugewiesen, gestützt auf die sozialist. Produktionsverhältnisse zur Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus der Bevölkerung beizutragen. Dem einzelnen Beschäftigten sollte es die aktive Teilnahme am Arbeitsprozess, die Mitwirkung an der Planung und Leitung des Betriebes und die Verbesserung seiner Arbeits- und Lebensbedingungen sichern, so dass er sich zu einer sozialist. Persönlichkeit entwickeln konnte.
Die wichtigsten Kodifizierungen des A. waren das Gesetz der Arbeit von 1950, das sehr stark vom Erziehungsgedanken durchdrungene Gesetzbuch der Arbeit (GBA) von 1961 und das erstmals auf eine wirklich umfassende Regelung sämtlicher Arbeitsbeziehungen im Sozialismus bedachte Arbeitsgesetzbuch (AGB) von 1977. Der FDGB nahm als Massenorganisation der SED und zugleich einziger gesetzlicher Vertreter der Werktätigen auf Legislative, Judikative und Exekutive des A. in unterschiedlichem Maße Einfluss.
Im Bereich der Legislative räumte das „Gesetz über den Ministerrat“ von 1972 dem FDGB-BuV wichtige Mitwirkungsrechte ein. Grundsätzlich betrafen sie alle Regelungsbereiche: Arbeitsverträge, allgemeine Arbeits- und Lebensbedingungen, insbesondere Gesundheitsschutz und Arbeitsschutz, Lohn-, Einkommens- und Sozialpolitik sowie Sport und Kultur. An der Ausarbeitung des AGB von 1977 war der BuV intensiv beteiligt. Auch die später erforderlichen Durchführungsbestimmungen unterlagen seiner Zustimmungspflicht. Und an den ergänzenden branchenbezogenen und betrieblichen Vereinbarungen über die Arbeitsverhältnisse, den sog. Rahmenkollektivverträgen (RKV) und Betriebskollektivverträgen (BKV), waren der FDGB und seine Gliederungen ebenfalls beteiligt.
Im Bereich der Judikative besaß der FDGB laut AGB von 1977 das Recht, personelle Vorschläge für die Benennung von Richtern an den staatlichen Bezirks- und Kreisgerichten zu machen, die in den Kammern für Arbeitsrecht tätig waren. Auch für die Benennung von Schöffen, die auf arbeitsrechtlichem Gebiet tätig waren, durfte er personelle Vorschläge unterbreiten. Über diese beiden formalen Rechte konnte in der Praxis allerdings kein nennenswerter Einfluss auf die staatliche Arbeitsrechtssprechung genommen werden. Auch die vorgesehene gewerkschaftliche Prozessvertretung (vgl. Rechtsschutz) in arbeitsrechtlichen Verfahren vor staatlichen Gerichten wurde nur wenig in Anspruch genommen: 1975 in rund 12%, 1980 in immerhin 17% aller Verfahren. In einem anderen Bereich konnte der FDGB wesentlich stärker Einfluss nehmen: bei den aus der staatlichen Rechtsprechung herausgelösten Gesellschaftlichen Gerichten, zu denen u.a. die Schiedskommissionen in den Wohngebieten und die Konfliktkommissionen in den Betrieben zählten. Auf die Wahl und Tätigkeit dieser Kommissionen nahm der FDGB u.a. durch seine Schulungen (vgl. Schulungswesen) massiven Einfluss.
Im Bereich der Exekutive hatte der FDGB dazu beizutragen, dass sowohl die staatlichen Wirtschaftsleitungen als auch die Beschäftigten sich an die gesetzlichen Bestimmungen hielten: Die im A. vorgesehenen Rechte und Pflichten sollten nicht verkürzt, aber auch nicht überstrapaziert und missbraucht werden. Der FDGB richtete bei den Kreisvorständen und bei den Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) Rechtskommissionen ein, die in diesem Sinne als Beratungsstellen wirkten. In den frühen 80er Jahren erteilten diese Beratungsstellen jährlich insgesamt rund 1,5 Mio. Auskünfte.
F.S.