FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Rechtsstellung des FDGB. Die rechtliche Verankerung des FDGB wurde aus seiner Stellung im polit. System der DDR abgeleitet und in drei rechtlichen Sphären näher geregelt. Erstens wurde er in der Verfassung der DDR von allen anderen Massenorganisationen hervorgehoben und verfassungsrechtlich im System der DDR verankert. Da seine Hauptfunktion in der Mitregulierung der Arbeitsbeziehungen lag, wurde seine rechtliche Stellung zweitens im Rahmen des Kollektivvertragsrechts und drittens im Bereich des Arbeitsrechts näher definiert.
Während in der ersten Verfassung von 1949 den Gewerkschaften noch ihre Unabhängigkeit zugestanden wurde, verliehen die Verfassungen von 1968 und 1974 dem FDGB Verfassungsrang. Er wurde als einzige Massenorganisation genannt und ihm wurde das Monopol auf die Interessenvertretung der Beschäftigten sowie die Interessenwahrnehmung durch eine umfassende Mitbestimmung in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft eingeräumt. Auf der anderen Seite wurden wie schon im Gesetz der Arbeit von 1950, der Verfassung von 1968 und im Gesetz über den Ministerrat der DDR von 1972 sämtliche staatlichen Organe gesetzlich dazu verpflichtet, mit dem FDGB und seinen Gewerkschaften zusammenzuarbeiten. In weiteren Gesetzen der DDR-Regierung erhielten die Gewerkschaften das Recht, eine bestimmte Zahl an Mandaten des FDGB in den Volksvertretungen stellen zu dürfen, und etwa das Recht, an der Bestellung von Richtern und Schöffen in den Kreis- und Bezirksgerichten mitzuwirken.
In der kollektivvertraglichen Rechtssphäre hatte der FDGB nach 1945 zunächst das Recht erhalten, mit seinen Tarifkontrahenten - in der Regel verstaatlichte und sowj. Betriebe und deren übergeordneten Vereinigungen bzw. deren jeweilige Besatzungs- und Verwaltungseinheit - Tarifverträge autonom zu vereinbaren. Mit der Zentralisierung des Kollektivvertragsrechts durch so genannte Rahmenkollektivverträge (RKV) im Jahr 1950 erhielten der FDGB und seine Gewerkschaften das Recht, RKV mit den zuständigen Branchenministerien bzw. staatlichen Wirtschaftsleitungen abzuschließen. Allerdings wurden zentrale Bestandteile, wie Mindestlöhne oder Arbeitszeit, in eigenständigen Gesetzen und im Rahmen der Wirtschaftspläne geregelt, auf die der FDGB durch seine institutionelle Einbindung in das Rechtssystem der DDR Einfluss nehmen konnte.
Im Gesetzbuch der Arbeit (GBA) von 1961 und im Arbeitsgesetzbuch (AGB) von 1978 wurden die Bestimmungen zu Arbeitsvertrag, Lohn, Qualifikation und Arbeitszeit sowie die Mitbestimmungs-, Mitwirkungs- und Mitgestaltungsrechte (s. Mitbestimmung) der Gewerkschaften grundsätzlich geregelt. Während im Gesetz der Arbeit von 1950, in dem gewerkschaftliche Aktivitäten unter Rechtsschutz gestellt wurden, die Gewerkschaften nur geringe Mitwirkungsrechte erhielten, wurden mit dem GBA und dem AGB die Mitwirkungs- und Kontrollrechte des FDGB und seiner Gewerkschaften gegenüber den Betriebsleitungen und staatlichen Organen erweitert.
In der Arbeitsgerichtsbarkeit konnte der FDGB in strafrechtlich unterschwelligen Bereichen im Rahmen von Konfliktkommissionen und gesellschaftlichen Räten sogar eine eigene Gerichtsbarkeit errichten. Seine Mitwirkungsrechte im Arbeitsrecht und im Arbeitsschutz nahm er zudem als Tarifkontrahent in der Arbeitsrechtssprechung in den unterschiedlichen Instanzen und in den überbetrieblichen Arbeitsschutzinspektionen sowie über seine Organe in den betrieblichen Kommissionen (s. Kommissionen der BGL) und Ausschüssen wahr. Auch seine Mitwirkungsrechte in der Sozialpolitik (s.a. Soziale Dienste) und Kulturpolitik (s.a. kulturelle Massenarbeit) realisierte der FDGB vorwiegend über seine betrieblichen Organe, die im Rahmen der vorgegebenen Mittel Einfluss auf deren Ausgestaltung hatten. Darüber hinaus regelte der FDGB als Träger der Sozialversicherung für ca. 85% der DDR-Bevölkerung rechtlich die Kranken-, Invaliden- und Rentenversicherung und hatte im Rahmen von Sozialgerichten und Sozialräten maßgeblichen Anteil an der entsprechenden Sozialrechtssprechung. Zudem gewährte der FDGB seinen Mitgliedern Rechtsschutz im Rahmen der seinen Aufgabenbereich betreffenden Gerichtsbarkeit.
St.P.W.