FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Gewerkschaftspublizistik. Ausgehend von Lenins Pressetheorie galt die Gewerkschaftspresse und somit die gesamte G. des FDGB als kollektiver Propagandist, Agitator und Organisator. Als Instrument der SED unterlag sie dem Grundsatz der Parteilichkeit. Ihre Hauptaufgaben bestanden in ideolog. Erziehung, Verbreitung gewerkschaftlicher Grundsätze und Standpunkte, Schilderung gewerkschaftlicher Tätigkeiten auf polit., ökonom. und kulturellem Gebiet, Unterstützung der Volkswirtschaftspläne, der Neuererbewegung, der Nationalen Front sowie des proletar. Internationalismus. Die G. sollte ferner zur Festigung des demokrat. Zentralismus innerhalb des FDGB beitragen. Von einer Erfüllung dieser Aufgaben kann allerdings v.a. auf Grund mangelnden Zuspruchs nicht ausgegangen werden.
Die Zuständigkeit für die G. beim BuV lag von 1946-49 bei der Abt. Presse und Rundfunk, ab 1950 bei der Pressestelle des FDGB sowie der Abt. Agitation und Propaganda. Zu den Aufgaben dieser Abt. gehörten die Unterstützung und Belieferung der Gewerkschaftspresse mit Informationen und Argumentationsmaterialien - z.B. bis 1952 durch Herausgabe des Pressedienstes des FDGB - Förderung der Arbeiterkorrespondenten und Qualifizierung von Redakteuren.
Eigenständige Presseorgane wurden sowohl vom BuV als auch von den ZV der IG/Gew. (s. Verzeichnis wichtiger Publikationsorgane) und den BV herausgegeben - allein vom BuV erschienen im Laufe der Zeit etwa 56 Periodika. Verschiedene Publikationsformen erfüllten dabei unterschiedliche Funktionen. Die Tageszeitung Tribüne galt als das offiz. Organ des BuV. Von diesem wurden außerdem mehrere Zeitschriften herausgegeben, darunter Die Arbeit als Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewerkschaften, Sozialversicherung/Arbeitsschutz zu Fragen des Gesundheitsschutzes, Arbeitsschutzes und der SozialversicherungKulturelles Leben für die Kulturarbeit der Gewerkschaften und Rundschau des FDGB als internationales Organ des FDGB. Außerdem gab es Ztg. und Zs. der ZV der IG/Gew., in denen die Beschlüsse und Positionen des BuV auf den jeweiligen Wirtschaftszweig angewendet und erläutert werden sollten, z.B. Der Bau der IG Bau-Holz oder Glück auf der IG Bergbau-Energie. In Informations- und Mitteilungsblättern wurden vor allem Beschlüsse und aktuelle Informationen veröffentlicht. Ab 1947 gaben die ZV der IG/Gew. eigene Informationsblätter heraus, die monatlich kostenlos an Funktionäre und ausgewählte Mitglieder verteilt wurden. 1962 wurden diese größtenteils eingestellt und ihre Funktion vom Informationsblatt des FDGB, ab 1957 vom BuV herausgegeben, übernommen. Später wurden wiederum von den IG/Gew. eigene Informationsblätter herausgegeben, 1978 von insgesamt elf ZV, z.B. die IG Chemie, Glas und Keramik mit dem Informationsblatt oder die Gew. Wissenschaft mit Forschung-Lehre-Praxis. Staatliche Organe entstanden z.T. in Kooperation mit einzelnen ZV, z.B. die vom Min. für Volksbildung und der Gew. Unterricht und Erziehung herausgegebene Deutsche Lehrerzeitung. Weiterhin gab es für einzelne ZV die Möglichkeit in zweigspezif. staatlichen Ztg. und Zs. zu publizieren. So stand der Gew. Gesundheitswesen in der Zs. Humanitas je eine Seite pro Ausgabe zur Verfügung. Innerhalb der einzelnen Betriebe wurde eine gewerkschaftliche Mitarbeit an den von den BPO publizierten Werks- und Betriebszeitungen sowie an dem von diesen organisiertem Betriebsfunk angestrebt. Zudem wurden Wandzeitungen genutzt, um für den Betrieb relevante gewerkschaftliche Positionen und Probleme zu diskutieren.
Der Vertrieb der vom Verlag Tribüne herausgegebenen Presse innerhalb der Organisation und an die Betriebe wurde von dem zum Verlag gehörigen Literatur- und Vordruckvertrieb Markranstädt organisiert. Die Zustellung an Abonnenten erfolgte über den auch sonst üblichen Postzeitungsvertrieb. Insgesamt kann von einer eher geringen Resonanz der G. bei Mitgliedern und Funktionären ausgegangen werden. Teilweise gab es offiz. Verpflichtungen für Funktionäre zur regelmäßigen Lektüre der Tribüne oder der Arbeit. Zudem gab es besonders für die Tribüne immer wieder Werbekampagnen. Von den BGL und AGL wurde jeweils ein Literaturobmann eingesetzt, der für die Werbung um Abonnenten und die Verbreitung der Gewerkschaftspresse und -literatur in einem Betriebe zuständig war.
Lizenzen und Auflagenhöhen der gewerkschaftlichen Organe wurden bis 1949 durch die SMAD danach durch die Abt. Agit/Prop. der SED bzw. durch das Presseamt beim Vors. des Ministerrates geregelt. Über letzteres erhielt die G. zudem direkte inhaltliche und formale Weisungen seitens der Partei. Darüber hinaus erfolgte von Anfang an eine systemat. Anleitung und Kontrolle durch den BuV. Bereits ab 1950 kontrollierte die Abt. Agit/Prop. die Einhaltung von Redaktionsplänen. Außerdem sollte der Abt. jede Betriebszeitung zur Auswertung zugesandt werden. Ab 1960 mussten alle Artikel, die prinzipielle Fragen thematisierten, vor ihrer Veröffentlichung dem Sekr. des BuV vorgelegt werden. Ab 1969 wurden nach BuV-Sitzungen und vor wichtigen Kampagnen Chefredakteurkonferenzen vom Sekr. durchgeführt. Besondere Beachtung sollte den Beziehungen zu internationalen Bruderorganisationen gewidmet werden. So gab es z.B. eine Partnerschaft zwischen Tribüne und der Tageszeitung Trud der sowj. Gewerkschaft. Außerdem fanden Chefredakteurkonferenzen der gewerkschaftlichen Tageszeitungen sozialist. Länder statt.
A.W.