FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Wandzeitung. Die W. war ein vor allem in den 50er Jahren vom FDGB propagiertes Forum für die sog. Kritik und Selbstkritik (s.a. demokrat. Zentralismus). Sie richtete sich jeweils an einen kleinen Kreis von Adressaten, dessen spezielles Mitteilungs- und Informationsbedürfnis sie befriedigen sollte.
Der FDGB forderte, sowj. Vorbildern folgend (s.a. sowj. Referenzmodell, die Einrichtung einer W. für jede Abt. eines Betriebes. W. waren Aushängetafeln, die in maximal zweiwöchigem Abstand mit Berichten, Fotos und Karikaturen zu bekleben waren. Diese Arbeit sollte eine „Wandzeitungskommission“ aus fünf bis zehn ehrenamtlichen „Korrespondenten“ übernehmen. Der FDGB erhoffte sich, dass in den W. vor allem Kritik an den Produktionsmethoden oder den Arbeitsbeziehungen zur Sprache käme. Es galt die 1954 in einer Anleitungsbroschüre veröffentlichte Grundregel: „Alle Artikel müssen mit dem Leben im Arbeitsbereich in Verbindung stehen, parteilich und kurz sein!“ Wer in einer solchen Notiz persönlich angegriffen werde, habe sich öffentlich zu rechtfertigen. Die „Wandzeitungskommission“ sollte sich schützend vor die „Korrespondenten“ stellen, die durch kritische Äußerungen in Schwierigkeiten gerieten.
Die Klage über unzureichend bis gar nicht bestückte Aushängetafeln ist so alt wie die W. selbst. Viele W. wurden in „Einmann-Arbeit“ produziert. Herbert Warnke empörte sich 1955 bei der 18. Tagung des BuV: „Es geht nicht so weiter, dass in den Abteilungen lediglich schwarze Tafeln hängen, die als W. bezeichnet werden, und dann hängen einige Zeitungsausschnitte und Bekanntmachungen daran.“ Aufgrund der wiederholten Beschwerden ist zu vermuten, dass der W. in der Theorie des gewerkschaftlichen Propagandawesens eine höhere Bedeutung zukam als in der Praxis.
A.S.