FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Gründungsaufruf (1945). Die spontan und isoliert voneinander gegründeten Vorbereitungsgremien für den Neuaufbau der Gewerkschaften besaßen zunächst keine programmat. Grundlage. Einigkeit bestand, dass die neuen Gewerkschaften maßgeblich an der Beseitigung des Nationalsozialismus und dem Wiederaufbau eines demokrat. Deutschlands teilhaben sollten. Sie sollten die Trennung in Richtungsgewerkschaften überwinden und Einheitsgewerkschaften sein, die auf dem Prinzip von Industrieverbänden beruhten.
Noch vor Ende der Kampfhandlungen wurden drei Einsatzgruppen deutscher Kommunisten aus der UdSSR nach Deutschland geschickt und den Polit. Hauptverwaltungen der einzelnen Fronten der Roten Armee zugeteilt, jene um Walter Ulbricht nach Berlin. Im Juni 1945 begannen sie auf der Basis ihrer Exilpläne ihre Gewerkschaftskonzeption in den Vorbereitungsausschüssen des von sowj. Truppen besetzten Gebietes durchzusetzen. Ihre im August im Moskauer Exil beschlossenen „Richtlinien zur Gewerkschaftspolitik“ wurden noch im Juni 1945 allen Bezirksleitungen der KPD übermittelt.
Eine maßgebliche Rolle beim einheitlichen Aufbau der Gewerkschaften im Reich wollte der Vorbereitende Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin spielen, der zwar führende Gewerkschafter der verschiedenen früheren Richtungsgewerkschaften vereinigte, jedoch von Anfang an kommunist. dominiert war. Die Grundlage bildete der von diesem Ausschuss am 15.6.1945 veröffentlichte G. zum Neuaufbau freier Gewerkschaften. Er ging auf eine Vorlage von Ulbricht zurück, wurde aber im Gremium heftig und kontrovers diskutiert und den Forderungen der nichtkommunist. Mitglieder in einigen Punkten angepasst. Hauptgegenspieler Ulbrichts war dabei immer wieder Jakob Kaiser, nicht selten gemeinsam mit den Sozialdemokraten.
Wichtigste Meinungsverschiedenheit war die Frage der Mitverantwortung der Führungen der Gewerkschaften für den Machtantritt der Nationalsozialisten 1933, insbesondere ihre Haltung am 1. Mai 1933. Die ehemaligen ADGB-Funktionäre suchten nach einer Rechtfertigung ihrer damaligen Haltung, die Kommunisten wiesen jede Mitverantwortung zurück. Schließlich einigte sich das Gremium darauf, allg. die Spaltung der demokrat. Kräfte als eine Ursache zu benennen und zugleich den Anteil von Gewerkschaftern am Widerstandskampf gegen den NS zu würdigen. Weitgehende Übereinstimmung gab es hinsichtlich der Sofortaufgaben der neuen Gewerkschaften: Kampf gegen die nazist. und militarist. Ideologie, Mitwirkung an der Ingangsetzung der Produktion unter Mobilisierung aller verfügbaren Arbeitskräfte und Beteiligung am Wiederaufbau der Wirtschaft und Sozialversicherung, gewerkschaftliche Mitbestimmung in dem durch die Besatzungsbehörden gesetzten Rahmen. Bis Mitte 1945 wurde dieser Berliner G. - gefördert von der KPD und der SMAD - auch zur programmat. Grundlage für den Neuaufbau der Gewerkschaften in der SBZ und Berlin. Auf den Aufbau der Gewerkschaften in den westlichen Besatzungszonen hatte er keinen nennenswerten Einfluss.
K.K.