Nomenklatur (auch: Kadernomenklatur). In staatssozialist. Staaten übliches zentralist., hierarch. abgestuftes und sektoral vielfach untergliedertes Verzeichnis der bedeutendsten Funktionen in allen Bereichen der Gesellschaft, über deren personelle Besetzung die marxist.-leninist. Parteiführung entweder selbst entschied (Hauptnomenklatur) oder andere Kompetenzen festlegte, um sich auf die Kontrolle zu beschränken (Kontroll- oder Registraturnomenklatur). Das Sekretariat des SED-Zentralkomitees verfügte zum Beispiel über eine Hauptnomenklatur von 5 000 Führungsfunktionen und eine Kontrollnomenklatur von weiteren 4 000 Funktionen. Da die N. sehr komplex aufgebaut war und zahlreiche Verflechtungen zwischen den einzelnen Hierarchiestufen und sektoralen Bereichen kannte, liegt es nahe, von einem ganzen Nomenklatursystem zu sprechen. Ist die Führungsschicht der Nomenklaturkader als solche gemeint, wird in Anlehnung an den russischen Sprachgebrauch häufig auch von Nomenklatura gesprochen.
Die N. galt als wichtigstes Instrument kommunist. Kaderpolitik und diente der Durchsetzung des Demokrat. Zentralismus als bestimmendem Herrschaftsprinzip. Sie legte die konkrete Entscheidungsbefugnis über den Einsatz, die Versetzung und die Ablösung der Nomenklaturkader im Partei-, Staats- und Wirtschaftsapparat, in den Massenmedien und den Massenorganisationen sowie in Wissenschaft und Kultur fest und umfasste sowohl Wahl- als auch Berufungsfunktionen.
Für die Besetzung von Nomenklaturfunktionen kamen grundsätzlich nur Angehörige der sog. Kaderreserve in Frage, die mit Hilfe der Kaderbedarfsplanung und gezielter Qualifizierungsprogramme für die verschiedenen Bereiche herangebildet wurde und deren Mitglieder vor der Einsetzung in eine bestimmte Funktion der Sicherheitsüberprüfung durch das Ministerium für Staatssicherheit unterlagen.
Charakterist. für das Nomenklatursystem war die doppelte Erfassung der Funktionen: Abgesehen von der N. der obersten polit. Spitze, des Politbüros (umfassend die Mitglieder und Kandidaten des SED-Zentralkomitees, die Sekretäre des ZK-Apparates, die 1. Sekretäre der Bezirksleitungen sowie sämtliche sicherheitspolit. besonders relevanten Positionen), waren sämtliche Nomenklaturfunktionen auf den darunter liegenden Hierarchiestufen doppelt erfasst, nämlich zum einen in der N. der jeweiligen Organisation oder Einrichtung selbst, zum anderen aber auch in der N. der zuständigen Ebene des SED-Parteiapparates. So zählten beispielsweise die ZV der Einzelgewerkschaften und die BV des FDGB zur N. des FDGB-BuV, aber gleichfalls zur N. des SED-Zentralkomitees; diese war allerdings umfassender als jene, denn in ihr waren außerdem die formell von den Delegierten des obersten Gremiums der Einheitsgewerkschaft, dem FDGB-Kongress, zu wählenden Mitglieder des Sekr. sowie außerdem sämtliche Abteilungsleiter des FDGB-BuV erfasst. Zusätzlich gestützt wurde dieser Machtsicherungsmechanismus des Kadernomenklatursystems durch eine weitere kaderpolit. Grundregel: Die Vorsitzenden der FDGB-Vorstände sämtlicher Ebenen wurden stets als Mitglieder in die SED-Parteileitung der gleichen Ebene kooptiert. Deshalb lag also nicht nur die personelle Entscheidungskompetenz in letzter Instanz beim SED-Parteiapparat, sondern außerdem kamen ausschließlich SED-Mitglieder für die Besetzung dieser Positionen in Frage. Das unterste Glied dieser Kette bildeten die Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL), die fast durchgehend zugleich den jeweiligen SED-Betriebsparteileitungen angehörten.
F.S.