FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Kündigung. Einseitige Willenserklärung der Betriebsleitung oder des Werktätigen zur Beendigung eines mit Arbeitsvertrag begründeten Arbeitsverhältnisses. Im Falle der K. durch die Betriebsleitung handelte es sich um eine Entlassung. Da in der Verfassung der DDR sowohl ein Recht auf Arbeit als auch eine Pflicht zur Arbeit verankert war, stufte das Arbeitsrecht der DDR die K. als eine nur in Ausnahmefällen anzuwendende Maßnahme ein.
Von den Betrieben durften K. überhaupt nur aus zwei Gründen ausgesprochen werden: erstens wenn ihnen die Wirtschaftsplanungsbehörden bestimmte Änderungen in der eigenen Struktur und Produktion vorschrieben, etwa zu Zwecken der Rationalisierung oder Intensivierung, und zweitens wenn ein abgeschlossener Arbeitsvertrag infolge von Unvermögen oder bewussten Verstößen des Werktätigen nur mangelhaft oder gar nicht erfüllt werden konnte. Im Regelfall sollten die Betriebe jedoch versuchen, Änderungs-, Überleitungs- oder Aufhebungsverträge mit den Beschäftigten abzuschließen. Es war Aufgabe des FDGB und seiner betrieblichen Gliederungen, bei den wirtschaftspolit. bedingten Veränderungen für Verständnis zu werben, Qualifizierungspläne aufzustellen und zusätzliche sozialpolit. Angebote zu machen. Entlassungen waren nach den Bestimmungen des Gesetzbuches der Arbeit (GBA) von 1961 und des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) von 1977 möglichst auf solche Fälle zu beschränken, bei denen „schwerwiegende Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten oder der sozialist. Arbeitsdisziplin“ vorlagen und andere Erziehungs- und Disziplinierungsversuche erfolglos geblieben waren (vgl. Ideologievermittlung und Erziehung und Disziplinarmaßnahmen gegen Werktätige). Betroffen von Entlassungen wegen Verletzung der „staatsbürgerlichen Pflichten“, also aus polit. Gründen, waren vor allem die Antragsteller auf dauerhafte Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland (vgl. Widerstand und Opposition). Jede von Seiten der Betriebsleitung ausgesprochene fristgerechte oder fristlose K. bedurfte zudem, bevor sie wirksam werden konnte, der ausdrücklichen Zustimmung durch die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL). War ein Mitglied der BGL selbst betroffen, musste die Zustimmung der übergeordneten FDGB-Leitung eingeholt werden. Von geplanten Änderungs-, Überleitungs- oder Aufhebungsverträgen dagegen musste die BGL nur informiert werden.
Der Werktätige selbst konnte gegen seine Entlassung Einspruch bei einer Konfliktkommission erheben und sich im Falle der Abweisung bei der Kammer für Arbeitsrecht des zuständigen Kreisgerichts um Revision bemühen. Wollte er von sich aus kündigen, hatte er sich zunächst ebenfalls um einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag mit der Betriebsleitung zu bemühen, nur wenn dieser nicht gewährt wurde, durfte er kündigen. Von Seiten der Werktätigen ausgesprochene K. waren infolge der Pflicht zur Arbeit aber eher selten.
F.S.