FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Recht auf Arbeit. Das R.a.A. war ein in der Verfassung der DDR seit 1949 verankertes materielles Recht ihrer Bürger, das durch die planwirtschaftliche Lenkung der Volkswirtschaft verbürgt werden sollte und mit der moral. begründeten Pflicht zur Arbeit eine Einheit bildete. Beide miteinander korrespondierenden Rechte lassen sich auf das Menschenbild des Marxismus(-Leninismus) zurückführen, demzufolge Arbeit konstitutives Merkmal menschlichen Seins ist und zugleich den einzigen produktiven Faktor darstellt, der einen weit über den zu seiner Reproduktion erforderlichen Ressourceneinsatz hinausgehenden Mehrwert schafft.
Das R.a.A. bestand im Einzelnen in dem Recht jedes Bürgers auf einen Arbeitsplatz und dessen freier Wahl nach den persönlichen Qualifikationen, das allerdings durch die „gesellschaftlichen Erfordernisse“ beschränkt sein konnte, sowie auf einen der eigenen Arbeitsleistung nach Qualität und Quantität entsprechenden Lohn. Mit der Verankerung des R.a.A. in der Verfassung wurde die Arbeitslosenversicherung im Grunde genommen obsolet, die jedoch erst mit dem Inkrafttreten des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) zum 1.1.1978 formell abgeschafft wurde. Seither waren die Betriebe verpflichtet, den durch interne Umstrukturierungen oder Rationalisierungen frei werdenden Beschäftigten Umsetzungen und berufliche Weiterqualifizierungen anzubieten und ihnen ein Arbeitsverdienst oder zumindest ein Überbrückungsgeld zu zahlen. Dem FDGB und seinen betrieblichen Gliederungen oblag es, diese Rechte der Beschäftigten im konkreten Fall einzufordern und zu wahren - was ihnen vor dem Hintergrund der grundsätzlich beschränkten Eigenständigkeit der Betriebe zumindest formell weitgehend gelang.
Da in der DDR unter den Bedingungen der zentralen Planwirtschaft die Ursachen für konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit als beseitigt galten und die Betriebe zur Hortung von Arbeitskräften neigten, herrschte offiz. Vollbeschäftigung; das R.a.A. galt somit formell als verwirklicht. Ohne statist. erfasst zu werden, existierten jedoch auch in der DDR Phänomene wie fluktuationsbedingte und vor allem strukturelle Arbeitslosigkeit fort. Die Zahl der Werktätigen, die trotz Umstrukturierungen und Rationalisierungsmaßnahmen einen bezahlten Arbeitsplatz behielten, obwohl sie im Arbeitsprozess eigentlich entbehrlich waren, wird für die späten 80er Jahre auf 1,4 Mio. geschätzt, was etwa 15% der Beschäftigten entsprach. Es konnte also bei weitem nicht jeder sein verfassungsgemäßes R.a.A. im eigentlichen marxist. Sinne in Anspruch nehmen. Darüber hinaus stimmte bei vielen Erwerbstätigen der eigene Arbeitsplatz nicht mit den beruflichen Wünschen und fachlichen Qualifikationen überein. Auch den meisten Antragstellern auf dauerhafte Ausreise aus der DDR wurde das R.a.A. aus polit. Gründen verweigert.
F.S.