FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung (NÖSPL). Wirtschaftspolit. Reformkonzept zur Modernisierung der zentralen Planwirtschaft der DDR, das nach mehrjähriger Vorbereitung im Juli 1963 mit einer Richtlinie des Ministerrats bekannt gemacht (GBl. 1963, II, S. 453) und in den Jahren 1963-67 in zwei Etappen umgesetzt wurde (1. Etappe: 1964/65; 2. Etappe: 1966/67); modifiziert fortgeführt wurde es in den Jahren 1968-70 mit dem Ökonom. System des Sozialismus (ÖSS).
Das NÖSPL zielte auf die volkswirtschaftliche Effizienz- und Wachstumssteigerung und enthielt zu diesem Zweck zwei Leitgedanken: einerseits die Dezentralisierung, Flexibilisierung und Ökonomisierung der etablierten zentraladministrativen Planungs- und Lenkungsmechanismen, andererseits die Verstärkung von indirekten monetären betrieblichen und individuellen Leistungsanreizen, die sich die materielle Interessiertheit der Volkseigenen Betriebe (VEB) und der Werktätigen an Gewinn- und Einkommenssteigerungen im Interesse der Volkswirtschaft zunutze machen sollte.
Obwohl die Forcierung des Leistungsgedankens fast unweigerlich zum Anwachsen des lohnpolit. Konfliktpotenzials in den Betrieben führen musste, spielten arbeitsrechtliche und sozialpolit. Fragen bei Reformbeginn kaum eine Rolle. FDGB-BuV und IG-Zentralvorstände stellten sich vorbehaltlos hinter das Reformkonzept und propagierten es nach Kräften in den Betrieben. Erst im weiteren Verlauf des Reformprozesses, als die Leistungsanreize zu greifen begannen und soziale Spannungen verstärkten, wurden Fragen des Arbeitsrechts sowie der Konsum- und Sozialpolitik dann ein Thema. Für den FDGB führte das zu einer ambivalenten Situation: einerseits wurden nun sogar Formen der direkten Partizipation der Werktätigen diskutiert, wie etwa die neuen Produktionskomitees, durch die das offiz. Interessenvertretungsmonopol der gewerkschaftlichen Massenorganisation in Frage gestellt schien, andererseits wurde ihr Gewicht gegenüber den im Sinne des Reformkonzeptes mit mehr Handlungsspielräumen ausgestatteten Betriebsleitungen aber auch gestärkt. Damit der FDGB bzw. die Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) gegenüber den Betriebsleitungen ein von der Partei ohne eigenes Eingreifen zu beeinflussendes Gegengewicht darstellen konnte, bekam er zum Beispiel mehr Kontrollbefugnisse zugestanden und nutze auch im eigenen Organisationsinteresse die Chance, sich wieder stärker als eine Interessenvertretung der Beschäftigten zu profilieren (etwa durch die vorgebrachte Forderung nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen für die Beschäftigten). Um eine Stärkung der Interessenvertretung an sich handelte es sich dabei allerdings nicht, eher um einen indirekten Beitrag zur Optimierung des Reformkonzeptes.
F.S.