FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Ehrentitel. Ein Großteil der E. wurde vom Staat gestiftet, aber auch auf betrieblicher Ebene waren sie weit verbreitet. Bei beiden Formen war der FDGB, wie bei Auszeichnungen allgemein üblich, zumeist in die Verleihungspraxis eingebunden. Die Verleihung von E. sollte möglichst in öffentlicher und feierlicher Form erfolgen und war mit Urkunden, Abzeichen und Prämien verbunden. Als Steuerungsinstrument für den sozialist. Wettbewerb verstanden, wurde aus den anfänglich z.T. noch selektiv vergebenen E. zunehmend eine Auszeichnungsform mit Massencharakter, deren Ansehen immer mehr sank.
Seit 1949 gab es die wirtschaftspolit. ausgerichteten staatlichen E. „Verdienter XY“ bzw. „Verdienter XY des Volkes“. Diese wurden in Verbindung mit Berufsbezeichnungen für besondere Leistungen und Initiativen im jeweiligen Berufszweig verliehen. Ab den 60er Jahren wurde auch die Form "Verdienter XY der DDR" gebraucht. Diese Titel wurden am jeweiligen Ehrentag des Berufs- oder Wirtschaftszweiges vom verantwortlichen Minister verliehen. Da diese Titel weniger der Abgrenzung bzw. Heraushebung von einigen wenigen Werktätigen als eher einer möglichst breiten Arbeitsmobilisierung dienen sollten, wurden sie in immer größerer Zahl verliehen. Zum einen wurden die festgesetzten Mengen einzelner E. sukzessive erhöht, zum anderen wurden immer wieder neue Titel gestiftet und zugleich neue Ehrentage geschaffen. Bis 1989 wuchs ihre Zahl auf 51 an. Ein weiterer staatlicher E. lautete „Bester XY“. Ebenfalls in Verbindung mit Berufsbezeichnungen, wurde dieser für die besten Facharbeiter für die Wettbewerbe der Berufe vergeben. Die Verleihung dieses staatlichen Titels setzte die vorherige Auszeichnung mit dem entsprechenden E. durch Gewerkschafts- und Betriebsleitung voraus. Ebenfalls auf diese Weise gestaffelt waren die E. für Meister „Bester Meister des Betriebes“ und „Bester Meister der Industriegruppe“.
Neben berufsbezogenen E. gab es Titel für einzelne Bewegungen oder andere Bereiche. In der Aktivistenbewegung wurden die E. „Aktivist“, „Verdienter Aktivist“ und „Aktivist der sozialist. Arbeit“ bzw. dessen Vorläufer „Aktivist des Fünfjahrplans“ und „Aktivist des Siebenjahrplans“ verliehen. Im Rationalisierungs- und Erfindungswesen gab es die E. „Verdienter Erfinder“ für Einzelpersonen und „Erfinderkollektiv“ für Kollektive. In den Betrieben wurden Leistungen im Neuererwesen mit dem E. „Bester Neuerer“ geehrt. Ebenfalls betrieblich waren die E. „Bestarbeiter“, „Tagesbester“, „Monatsbester" u.ä.
Bereits seit Beginn der 50er Jahre wurden Brigaden in der Produktion besonders gefördert. Im Zuge dessen wurden diesen auch vermehrt betriebliche E. wie „Brigade der ausgezeichneten Qualität“ und staatliche E. wie „Brigade der kollektiven Aktivistenarbeit“, „Brigade der besten Qualität“ und schließlich ab 1959 als höchste Auszeichnung für Brigaden „Brigade der sozialist. Arbeit“ verliehen. Ab den 60er Jahren konzentrierten sich Förderung und Propaganda mit dem E. „Kollektiv der sozialist. Arbeit“ zunehmend auch auf Arbeitsgruppen aus nicht-produzierenden Bereichen.
Auch der BuV des FDGB vergab eigene E. an Mitglieder und Funktionäre. Zu diesen gehörten die Titel „Beste Gewerkschaftsgruppe“ und „Bester Vertrauensmann“.
Der Massencharakter vieler E. wurde besonders an den Aktivisten- und Kollektivauszeichnungen deutlich. So wurde das Aktivistenabzeichen seit dessen Einführung im Okt. 1949 bis zum Mai 1950 bereits 81 714 Mal verliehen. Den Titel „Kollektiv der sozialist. Arbeit“ hatten bis 1989 insgesamt 4,8 Mio. Kollektivmitglieder errungen. Der staatliche E. „Held der Arbeit“ war der einzige nicht inflationäre E. für Werktätige. Mit 50 Verleihungen pro Jahr, war er nur einer ausgewählten Gruppe vorenthalten und stellte für diese einen nicht unbedeutenden Faktor für Karriereverläufe dar.
A.W.