FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Aktivistenbewegung. Die von der SED initiierte und vom FDGB hauptverantwortlich organisierte A. war fester Bestandteil des sozialist. Wettbewerbs und zielte darauf, durch das propagandist. Herausstellen des Vorbildes besonders leistungsbereiter Aktivisten die in den Betrieben erbrachten Arbeitsleistungen im Dienste der Planerfüllung insgesamt zu steigern.
Schon im ersten Halbjahr 1948 beriefen SED, FDGB und FDJ gemeinsam zahlreiche sog. Aktivistenkonferenzen ein, um den Übergang zur mittel- bis langfristigen Wirtschaftsplanung in der DDR vorzubereiten, der mit dem Halbjahrplan 1948 vollzogen werden sollte. Einen wichtigen Impuls für die angestrebte breite A. versprachen sich SED und FDGB von der im Herbst 1948 nach dem Vorbild der sowj. Stachanow-Bewegung ins Leben gerufenen Hennecke-Bewegung. Als Hauer im Steinkohlenbergbau des Donbass hatte Alexej G. Stachanow (*3.1.1906 - †1977) im August 1935 mit modernem Abbauhammer und neuartiger Arbeitsorganisation eine legendäre Normüberbietung erzielt, die fast 10% der Tagesleistung des gesamten Schachts entsprach, und wurde anschließend als Aktivist und Neuerer gefeiert. Ganz nach diesem Beispiel bauten SED-Führung und FDGB-BuV den Bergmann Adolf Hennecke zu einem deutschen Vorzeige-Aktivisten auf, beginnend mit einer wohlvorbereiteten Sonderschicht am 13.10.1948, die eine Normerfüllung von 387% erbrachte. Während SED und FDGB der Leistung Henneckes volle Anerkennung zollten und sie in der eigenen Produktionspropaganda herausstellten, sahen viele Kollegen in Hennecke vor allem einen Normbrecher. Der BuV hatte erhebliche Mühe, selbst seine regionalen und betrieblichen Gliederungen von der Notwendigkeit und den Vorzügen der inszenierten Hennecke-Bewegung zu überzeugen. Beginnend mit der Wettbewerbskampagne für den Zweijahrplan 1949/50 versuchte der FDGB jedoch unbeirrt, die Vorbildfunktion der bisher herausgestellten einzelnen Aktivisten auf ganze Arbeitsgruppen, vor allem die Brigaden, zu übertragen und dadurch dauerhaft und allgemein hohe Leistungen zu erreichen. Ein wichtiges Hilfsmittel dazu war die Aufstellung von Aktivistenplänen, deren Ziel der Kampf gegen alle Produktionsverluste sein sollte. Bis Ende 1950 wurden fast 150 000 Beschäftigte als Aktivisten des Zweijahrplans ausgezeichnet. Während der Laufzeit des ersten Fünfjahrplans 1951-55 griff der FDGB unter dem allgemeinen Motto „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“ bevorzugt auf weitere sowj. Vorbilder für neue Arbeitsmethoden und dadurch zu erzielende Mehrleistungen zurück (vgl. sowj. Referenzmodell). In Anlehnung an die sowj. „Stachanowschulen“ sorgte er nun zum Beispiel dafür, dass spezielle Aktivistenschulen an den Arbeitsplätzen entstanden, die der praktischen Demonstration von Neuerermethoden dienten. Die A. belebte auf diese Weise deutlich das betriebliche Vorschlags- und Erfindungswesen, denn viele in den frühen 50er Jahren noch überwiegend von Handarbeit geprägte Arbeitsprozesse ließen sich bereits durch kleine organisator. und technische Verbesserungen, die mit Prämien belohnt wurden, deutlich intensivieren.
Später nahm die A. immer stärker bürokrat. Züge an, etwa wenn Betriebsleitungen ihre Beschäftigten allein deshalb noch regelmäßig zur Teilnahme aufforderten, um den übergeordneten Stellen darüber berichten zu können, oder wenn die BGL ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf die Fragen der angemessenen Zeremonie für die alljährlichen Aktivistenehrungen richtete.
Die materiellen Erfolge der A. sind kaum realist. einzuschätzen. Wahrscheinlich trug sie zumindest in den 40er und frühen 50er Jahren in Bereichen, die noch durch einen hohen Anteil von Handarbeit sowie außerdem durch eine geringe Abhängigkeit von Vorprodukten und Zulieferungen geprägt waren, tatsächlich zur punktuellen Erhöhung der Arbeitsproduktivität bei. Eine durchgreifende und vor allem kontinuierliche Anhebung des Leistungsniveaus der Volkswirtschaft gelang mit ihrer Hilfe jedoch nicht.
F.S.