FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Brigade der sozialistischen Arbeit. Staatlicher Ehrentitel, der ab 1959 als höchste Auszeichnung für Brigaden im Produktionsbereich verliehen wurde. Vorläufer war der Titel „Brigade der kollektiven Aktivistenarbeit“. Den Titel erhielten Brigaden, die ihre eingegangenen Verpflichtungen "Sozialist. zu arbeiten, zu lernen und zu leben!" erfüllten, den Brigadeplan täglich er- bzw. übererfüllten, ihre Arbeitsproduktivität erhöhten, Neuerermethoden anwandten, ihre Selbstkosten senkten sowie die Qualität ihrer Produkte verbesserten. Zur Auszeichnung gehörten Kollektiv- und Einzelurkunden, eine Medaille für jedes Mitglied sowie eine vom erbrachten wirtschaftlichen Nutzen abhängige Prämie. 1959 betrug diese 600 M pro Mitglied. Der Titel konnte jedes Jahr erneut verteidigt und errungen werden. Die Verleihung erfolgte am 7. Okt. durch den Ministerrat der DDR und den BuV des FDGB, bzw. bei Jugendbrigaden den Zentralrat der FDJ.
Die B.d.s.A. wurden als Wettbewerbskampagne initiiert, die sich an den zuvor in der UdSSR eingeführten kommunist. Brigaden orientierte. Sie sollte eine Weiterentwicklung der Brigadebewegung darstellen. Ausgangspunkt für die B.d.s.A. sowie deren Losung "Sozialist. arbeiten, lernen und leben!" bildete eine Initiative der Bitterfelder Jugendbrigade "Nikolai Mamai" im Jan. 1959. Im Okt. 1959 folgte ein Beschluss des 5. FDGB-Kongresses, mit der Förderung "der sozialist. Erziehung durch das Kollektiv" den "Kampf gegen kleinbürgerlichen Egoismus und Individualismus" zu führen. Die neue Bewegung sollte nicht nur durch materielle Anreize zur Effektivitätssteigerung der Volkswirtschaft beitragen, sondern durch kollektive Freizeitgestaltung und die Förderung von Weiterbildungen auch das außerbetriebliche Leben der Brigademitglieder ideolog. beeinflussen (s.a. Betrieb als Sozialisationsinstanz). Entsprachen die Förderung von Qualifizierung und Produktivitätssteigerung aufgrund der damit verbundenen Einkommenssteigerung aber auch die Unterstützung kultureller Aktivitäten zumindest partiell den Interessen der Werktätigen, hatten diese besonders gegen die ideolog. Komponente der Bewegung starke Vorbehalte. Dennoch war die Beteiligung von Beginn an sehr hoch, wohl auch wegen der 1961 im Gesetzbuch der Arbeit festgelegten Verpflichtung der Gewerkschaften und Betriebsleitungen zur Unterstützung der teilnehmenden Brigaden. Ende 1959 war mit 60 000 Kollektiven bereits jeder 25. DDR-Bürger beteiligt. Jedoch konnte nur ein geringer Teil davon, bis Mitte der 60er Jahre etwa 3%, den Titel erwerben. Dem auf diese geringe Erfolgsquote zurückzuführenden Beteiligungsrückgang, wurde versucht entgegenzuwirken. Wurden 1959 noch 100 Brigaden ausgezeichnet, waren es 1960 972 und 1961 bereits 2 765. Hohe Teilnehmerzahlen bedeuteten jedoch zugleich ein Kontrollverlust der Gewerkschaft über die Bewegung, der sich darin äußerte, dass die übernommenen Verpflichtungen oftmals nicht über die ohnehin zu erfüllenden Arbeitsaufgaben hinausgingen oder der Bereich des sozialist. Lebens etwa durch kollektive Kinobesuche erfüllt wurde. Versuche, Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre über die B.d.s.A. im Rahmen einer Reform der Wirtschaftsverwaltung den Brigaden mehr Eigenverantwortlichkeit zu übertragen, scheiterten am Widerstand der SED und wurden im Nachhinein als „syndikalist.“ abgewertet. Damit wurde die praktische Unmöglichkeit einer selbständigen Brigadebewegung offensichtlich. Der Effekt der B.d.s.A. beschränkte sich v.a. aufgrund der materiellen Anreize auf die Herstellung einer zumindest "missmutigen Loyalität" gegenüber dem Staat. 1962 wurde die B.d.s.A. durch den neu gestifteten Ehrentitel „Kollektiv der sozialist. Arbeit“ abgelöst.
A.W.