FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Betriebsparteiorganisation (der SED) (BPO). In den Betrieben der DDR war nur die SED mit BPO vertreten. Die Blockparteien (s.u. Blockpolitik) durften sich nicht in den Betrieben organisieren, während die SED-Mitglieder in der Regel nach dem Produktionsprinzip im Betrieb, in dem sie beschäftigt waren, ihrer SED-Grundorganisation angehörten. Anfängliche Versuche von Christdemokraten oder LDPD-Mitgliedern, sich in den Gewerkschaften zu engagieren und in BGL gewählt zu werden, wurden von der SED als feindliche Aktivitäten des „Klassenfeindes“ erfasst.
Die BPO waren gemäß dem demokrat. Zentralismus einer straffen Hierarchie unterworfen und hatten für die Umsetzung der Beschlüsse der SED-Führung zu sorgen. Sie leiteten auf dieser Basis auch die propagandist. Tätigkeit und die polit. Massenarbeit. Hierzu unterstand ihnen die betriebliche Presse und der Betriebsfunk (vgl. u. Gewerkschaftspublizistik).
Die BPO wurden von einer Betriebsparteileitung mit einem Parteisekretär an der Spitze geführt, die wiederum dem jeweiligen SED-KV direkt unterstellt waren. Ihnen kam bereits in den 40er Jahren die Aufgabe zu, „die führende Kraft innerhalb des Betriebes in allen polit., wirtsch., sozialen und kulturellen Fragen“ zu sein (s.a. Betrieb als Sozialisationsinstanz). Sie waren also nicht nur innerparteiliche Basisorganisation, sondern hatten vielfältige anleitende und kontrollierende Funktionen im Bereich der Arbeitsmobilisierung, der Ideologievermittlung und Erziehung sowie der Ideologie- und Verhaltenskontrolle. Die Mitglieder der Betriebsparteileitungen und in kleineren Betrieben auch der Parteisekretär waren ehrenamtliche Funktionäre.
Solche BPO bestanden nicht nur in Betrieben im eigentlichen Sinne, sondern wurden in allen staatlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen und Verwaltungen gebildet. SED-Grundorganisationen wurden aber auch in den hauptamtlichen Leitungsgremien der Massenorganisationen, also auch des FDGB, gebildet. Die SED-Grundorganisationen konnten in Parteigruppen und in Abteilungsparteiorganisationen (APO) untergliedert sein.
Die Anleitung und Kontrolle des FDGB durch die SED, deren sog. „führende Rolle“, war auf allen Ebene sicherzustellen. Auf der betrieblichen Ebene erfüllte diese Aufgabe die BPO der SED gegenüber der BGL. Wie ebenfalls auf allen Ebenen funktionierte die Anleitung und Kontrolle auch hier sowohl administrativ als auch über die Personalunion von vielen BGL-Vorsitzenden und Mitgliedern der BPO. Zuletzt waren 98,2% der BGL-Vorsitzenden der Kombinate, 47,5% der BGL-Vorsitzenden und 56,4% der AGL-Vorsitzenden als SED-Mitglieder zugleich „gesetzte“ Mitglieder der Betriebsparteileitungen. Die SED griff über die BPO massiv in die personelle Zusammensetzung der BGL ein, wenn es Probleme gab, was aber mit den Jahren immer seltener der Fall war (vgl. Widerstand und Opposition). Die Betriebsparteileitung rief in der Regel vor Gewerkschaftsversammlungen alle Parteimitglieder zusammen, um zu besprechen, welche Beschlüsse den Arbeitern als Gewerkschaft „vorzuschlagen“ sind. Entsprechende Anweisungen der SED wurden auf unterer Ebene oft nur mündlich weitergegeben. In Sitzungen der Betriebsparteileitungen musste der BGL-Vorsitzende Rechenschaft ablegen und „Vorschläge“ der Parteileitung entgegennehmen, die dann in der Regel auch so umgesetzt wurden. Dies ging soweit, dass die Parteileitung „vorschlug“, wer in die BGL zu wählen sei, was dann meist auch einstimmig so geschah. Die Betriebsparteileitungen wurden in ihrer Arbeit von besonders zuverlässigen, einsatzbereiten bzw. fachlich qualifizierten und von den Parteileitungen in Parteiaktivs zusammenfassten SED-Mitgliedern unterstützt.
Die BPO bzw. deren Leitungen hatten zudem ein Kontrollrecht gegenüber den Leitern der Betriebe (die selbst meist SED-Mitglieder waren und ihre Karriere im Betrieb oft als Parteisekretäre begonnen hatten) oder anderer Institutionen und staatlicher Organe, in deren Bereich sie tätig waren. So hatte der Parteisekretär das Recht, an Leitungssitzungen teilzunehmen, und auf Einsichtnahme in alle betrieblichen bzw. internen Unterlagen.
M.K.