Qualifizierungsvertrag. Das Arbeitsrecht der DDR, insbesondere das Arbeitsgesetzbuch (AGB) von 1977, sicherte den Werktätigen im Interesse der laufenden Anpassung ihrer Qualifikationen an die sich wandelnden Bedürfnisse der Volkswirtschaft umfassende Qualifizierungsmöglichkeiten zu. Formuliert als wechselseitige Ansprüche und Verpflichtungen zwischen dem zu Qualifizierenden und dem Betrieb, in dem er tätig war, wurden sie in einem individuellen Q., auch Qualifizierungsvereinbarung genannt, kodifiziert. Für ihre wechselseitigen Ansprüche und Verpflichtungen übernahmen die beiden „Vertragspartner“ allerdings keine privatrechtliche gegenseitige Haftung, sondern - nach Maßgabe der Prinzipien des demokrat. Zentralismus - eine rechtliche bzw. nur polit.-moral. Verantwortung gegenüber den jeweils übergeordneten staatlichen Stellen. Die verschiedenen individuellen Q. der Beschäftigten eines Betriebes wiederum wurden in dem entsprechenden Betriebskollektivvertrag (BKV) gebündelt, der sämtliche Verpflichtungen zur Planerfüllung von Betriebsleitung einerseits, BGL und Belegschaft andererseits inhaltlich und terminlich genauer fixierte. Hinsichtlich der Qualifizierung enthielt er sowohl Verpflichtungen, die sich auf die Hebung des allgemeinen Kultur- und Bildungsniveaus der Werktätigen richteten, als auch Verpflichtungen, die speziell den Jugendförderungsplan oder den Frauenförderungsplan des Betriebes betrafen.
Dem FDGB als alleinigen gesetzlichen Vertreter der Werktätigen (vgl. Interessenvertretung) sprach das AGB von 1977 bei der Qualifizierung der Beschäftigten ein allgemeines Kontroll- und Informationsrecht über den Abschluss, die Änderung oder vorzeitige Auflösung der individuellen Q. zu. Wenn ein Q. abgeschlossen, geändert oder vorzeitig aufgelöst werden sollte, musste die Betriebsleitung das der zuständigen Gewerkschaftsleitung zumindest zur Kenntnis geben. War die geplante Änderung oder Auflösung des Q. mit einer Kündigung verbunden, musste die entsprechende Gewerkschaftsleitung ausdrücklich zustimmen.
F.S.