FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Schule der sozialistischen Arbeit. Die Sch. d. s. A. stellten seit den frühen 1970er Jahren eine Kernform der gewerkschaftspolit. Massenarbeit des FDGB dar, die sich nicht nur an die eigenen Mitglieder, sondern an alle Werktätigen richtete. Wichtigstes Ziel dieser propagandist. Breitenarbeit war die Popularisierung des Marxismus-Leninismus als Weltanschauung der Arbeiterklasse (vgl. ideolog. Grundlagen), um zur Vertiefung des sozialist. Bewusstseins und zur Heranbildung sozialist. Persönlichkeiten (vgl. sozialist. Bewußtsein) in den Belegschaften beizutragen. Der FDGB sollte auf diese Weise - ganz im Sinne seiner Rolle als gesellschaftlicher Transmissionsriemen - für eine enge Verbindung zwischen der kommunist. Partei und den breiten „Massen“ sorgen.
Der FDGB und die Einzelgew. selbst verstanden sich als „Schulen des Sozialismus“ und verpflichteten ihre Grundorganisationen dazu, „die Werktätigen mit der Weltanschauung der Arbeiterklasse, dem Marxismus-Leninismus, vertraut zu machen“ (vgl. die Satzungen des FDGB von 1977 und 1982). Eine der Kernformen der auf dieses Ziel ausgerichteten gewerkschaftspolit. Massenarbeit waren die 1972 in Anlehnung an die sowjet. „Schulen der kommunist. Arbeit“ in den Volkseigenen Betrieben (VEB), vor allem auf der Ebene der Brigaden gebildeten Sch. d. s. A., an denen alljährlich mehr als drei Mio. Personen teilnahmen. Praktisch gesehen, ging es bei den Sch. d. s. A. insbesondere darum, die jeweils aktuellen Ziele der SED-Wirtschaftspolitik zu erläutern und damit den sozialist. Wettbewerb immer wieder möglichst zielgerichtet neu zu beleben. Grundsätzlich offen nicht nur für Gewerkschaftsmitglieder, sondern für alle Interessierten, boten die Sch. d. s. A. unter der Leitung eines der SED angehörenden Wirtschafts- oder Gewerkschaftsfunktionärs einjährige Kurse für Gruppen von jeweils 15 bis 20 Teilnehmern an, die in der Regel einmal monatlich als Vortrags- oder Seminarveranstaltungen nach Feierabend stattfanden. Das Kursangebot folgte dabei den von der Abt. Agitation und Propaganda des BuV in Zusammenarbeit mit der Hochschule der Deutschen Gewerkschaften „Fritz Heckert“ herausgegebenen Materialien mit fertig ausgearbeiteten Referaten und detaillierten Argumentationshilfen für die Kursleiter.
Im Mittelpunkt der Sch. d. s. A. standen Fragen der jeweils aktuellen SED-Politik, etwa hinsichtlich des internationalen Klassenkampfes, vor allem aber mit Blick auf die vorgegebenen Ziele der Wirtschaftspläne. Diese Fragen sollten nicht ideolog.-abstrakt, sondern mit möglichst konkretem Bezug zu den praktischen Aufgaben am Arbeitsplatz diskutiert werden. Die erfolgreiche Teilnahme an einer Sch. d. s. A. war zugleich formelle Vorbedingung für die Übernahme einer gewerkschaftlichen Funktion und den späteren Aufstieg innerhalb des Gewerkschaftsapparates oder im Staats- und Wirtschaftsapparat. Die Wirkung der Sch. d. s. A. ist bislang nicht untersucht worden; anzunehmen ist, dass es in den 1980er Jahren auch bei diesem Versuch der Ideologievermittlung und Erziehung zu erheblichen Abnutzungs- und Ermüdungserscheinungen kam. 1988/89 wurden die Sch. d. s. A. von den Teilnehmern offenkundig vermehrt dazu genutzt, die fortgesetzten ideolog. Indoktrinationsversuche zurückzuweisen und offene Kritik an den inzwischen vielfach unhaltbaren Zuständen in den Betrieben zu äußern.
F.S.