FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Sozialistisches Bewusstsein. Nach Auffassung des Marxismus-Leninismus ist das menschliche Bewusstsein stets gesellschaftlich bestimmt. Er betrachtet es „nicht als einen selbständigen, vom materiellen Sein unabhängigen Bereich, sondern als eine Erscheinung, die auf den materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen, dem gesellschaftlichen Sein, beruht und von ihnen bestimmt wird.“
Gesellschaftliches Bewusstsein als Widerspiegelung des gesellschaftlichen Seins sei die Gesamtheit der gesellschaftlichen Anschauungen, Auffassungen und Theorien.
In Klassengesellschaften trage es Klassencharakter und umfasse sowohl das Bewusstsein der herrschenden als auch der unterdrückten Klassen.
Das s.B. ist gemäß seinem Inhalt und Ursprung nach zunächst die Widerspiegelung der Klassenlage und -interessen des Proletariats. Es sei „wissenschaftlich und revolutionär, […] Erkenntnis und Anleitung zum Handeln, […] objektive Wahrheit und leidenschaftliches Bekenntnis.“ Beim Aufbau der sozialist. Gesellschaft werde das s.B. mehr und mehr zur wissenschaftlich exakten Widerspiegelung „der gemeinsamen Lebensbedingungen, Interessen und Ziele der unter Führung der Arbeiterklasse polit. und moral. zusammengeschlossenen befreundeten Klassen und Schichten sowie der gesetzmäßigen Entwicklungstendenzen“ dieser Gesellschaft. Allerdings entwickele es sich nicht von selbst, sondern müsse - ganz nach Wladimir I. Lenin (*22.4.1870-†21.1.1924; s.a. ideolog. Grundlagen) „durch die Partei der Arbeiterklasse und unter ihrer Führung in die werktätigen Massen hineingetragen werden.“ In diesem Prozess würden „sozialist. Persönlichkeiten“ und die „sozialist. Gemeinschaft“ entstehen. Dies erfordere „die konsequente Überwindung von Egoismus, Individualismus und anderen Erscheinungen der bürgerlichen Ideologie.“ Die SED übte mithin eine Erziehungsdiktatur aus, die gegen gesellschaftliche Grundmuster ein homogenes Gemeinwesen unter ihrer Führung hervorbringen sollte.
Als mustergültige Erscheinungsform des s.B. propagierte man zum Beispiel die sozialist. Gemeinschaftsarbeit, an deren Entfaltung mitzuwirken dem FDGB aufgetragen war. Er hatte insbesondere das „sozialist. Arbeitsbewusstein“ heranzubilden, das - so der langjährige FDGB-Vorsitzende Herbert Warnke - beginne, „wenn der Arbeiter nicht nur aufgrund persönlicher materieller Vergütungen arbeitet, sondern auch mehr leistet im Bewusstsein für die Verbesserung der gesamten Entwicklung der materiellen und kulturellen Lebensbedingungen der Gesellschaft.“
U.G.