FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Vertrauensleutevollversammlung. Zusammenkunft sämtlicher Vertrauensleute eines Betriebes, also der ehrenamtlichen Basisfunktionäre des FDGB, denen die Leitung der einzelnen Gewerkschaftsgruppen des betreffenden Betriebes oblag. V. fanden regelmäßig etwa alle drei bis vier Monate statt.
Nachdem das Sekr. des ZK der SED die eigenen Parteileitungen und Grundorganisationen im Juli 1957 aufgefordert hatte, den FDGB und seine Einzelgewerkschaften stärker als bisher bei der Plandiskussion zu unterstützen, beschloss der FDGB-BuV im September 1957, in den Betrieben regelmäßig V. abzuhalten. Auf ihnen sollte ausführlich über den Betriebsplan und den Betriebskollektivvertrag (BKV) beraten werden. In der Praxis waren die V. jedoch kein Forum für lebhafte Diskussionen, sondern eher einseitige Anhörungen von Berichterstattungen und Rechenschaftslegungen der Betriebsleitung und der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL). Häufig kamen auch Partei-, Wirtschafts- und Gewerkschaftsfunktionäre übergeordneter Leitungen als geladene Gäste mit langen Vorträgen zu Wort. Nur wenige Vertrauensleute nutzten ihr Recht, auf den V. von der eigenen Betriebsleitung Auskunft über Arbeits- und Lohnfragen zu verlangen.
In größeren Industriebetrieben, die im Mehrschichtsystem arbeiteten, traten die V. bald ganz an die Stelle der allgemeinen Mitgliederversammlung der gewerkschaftlichen Grundorganisation, da diese - bedingt durch die Arbeitsorganisation - faktisch nie vollständig zusammentreten konnte. Die V. war in diesen Betrieben berechtigt, das Leitungsorgan der Grundorganisation zu wählen, also die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) oder die Kombinatsgewerkschaftsleitung (KGL).
F.S.