Technisch-begründete Arbeitsnorm (TAN). Verbindliche und - im Gegensatz zur sog. vorläufigen Arbeitsnorm - um eine wissenschaftliche Begründung bemühte Festlegung der Höhe des Arbeitszeitaufwandes, der unter Berücksichtigung der technischen und organisator. Rahmenbedingungen des Arbeitsplatzes sowie der erforderlichen Qualifikation des Werktätigen für eine bestimmte, abgrenzbare Arbeit eingeräumt wurde und als Grundlage für die zentrale Planung, den rationellen Einsatz und die leistungsgerechte Entlohnung menschlicher Arbeit dienen sollte.
Da sich nach dem Überwinden der gravierendsten Kriegsfolgen und der Rückkehr zu regulären Arbeitsprozessen die erforderliche Anpassung der zunächst überwiegend auf Erfahrungswerten beruhenden Arbeitsnormen nach oben an die technisch und organisator. deutlich verbesserten Arbeitsbedingungen und die steigenden Qualifikationsanforderungen als nur sehr schwer durchsetzbar erwies, versuchten die staatlichen Wirtschaftsleitungen beginnend mit dem ersten Fünfjahrplan 1951-55, vermehrt TAN festzulegen. Die TAN sollten den Anspruch erheben können, wissenschaftlich exakt und damit nur schwer anfechtbar zu sein und deshalb von speziell ausgebildeten betrieblichen Arbeitsnormern durch intensives Arbeitsstudium und bewusste Arbeitsgestaltung ermittelt werden. In ihrer praktischen Arbeit wurden die Arbeitsnormer nicht nur von den Betriebsleitungen, sondern auch vom FDGB und seinen betrieblichen Gliederungen unterstützt. Die Bemühungen um die vermehrte Festsetzung von TAN stießen in den Belegschaften jedoch auf eine massive Verweigerungshaltung und machten nur geringe Fortschritte. Nach dem gescheiterten Versuch, pauschal erhöhte härtere Leistungsnormen auf administrativem Wege durchzusetzen, was für SED und FDGB zum Debakel des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 führte, wurden die Bemühungen um Festsetzung von TAN jedoch bald wieder aufgenommen, wobei die Betriebsleitungen und ihre Arbeitsnormer nun allerdings deutlich um Kompromisse mit den Belegschaften bemüht waren. In der volkseigenen Industrie der DDR wies die durchschnittliche Normübererfüllung folglich weiter steigende Tendenz auf: 1956 lag sie bei knapp 140%, 1961 bei rund 160%, was gravierende Planungsprobleme nach sich zog. Während der wirtschaftspolit. Reformversuche des NÖSPL und des ÖSS, die auf eine höhere volks- und betriebswirtsch. Effizienz zielten, nahm diese Bereitschaft zum innerbetrieblichen Arrangement in der Normenfrage deutlich ab. Die mit mehr Eigenverantwortung und Handlungsspielräumen ausgestatteten Betriebsleitungen besaßen nun ein handfestes eigenes Interesse an der Eindämmung des Kostenfaktors Lohn durch die Festsetzung höherer TAN. Der FDGB machte sich mit seinen BGL und AGL erneut zum Erfüllungsgehilfen des wirtschaftspolit. Kurswechsels, sah sich allerdings bald mit heftigen Klagen aus der Planbürokratie wie aus den Belegschaften über die nun festzustellenden Normuntererfüllungen konfrontiert: Bereits in den Jahren 1964/65 sank die durchschnittliche Normerfüllung in der volkseigenen Industrie der DDR unter 100%. Doch die SED, in ihrem Reformbestreben vorerst unbeirrt, gab dem Ministerrat 1967 und nochmals 1968 auf, weitere Bestimmungen für das Arbeitsstudium, die Arbeitsgestaltung und die Arbeitsnormung zu erarbeiten, mit dem Ziel, zum einen die sog. komplexe sozialist. Rationalisierung zu beschleunigen und zum anderen die sog. sozialist. Führungstätigkeit zu perfektionieren. Erst nach dem Scheitern der Reformversuche wurde die Mitwirkung der Werktätigen bei der betrieblichen Ausarbeitung von Arbeitsnormen wieder stärker betont und dem FDGB sogar ein ausdrückliches Recht auf Mitbestimmung eingeräumt: Das am 1.1.1978 in Kraft tretende Arbeitsgesetzbuch der DDR (AGB) legte fest, dass Arbeitsnormen gemeinsam mit den Werktätigen ausgearbeitet und von den Betriebsleitungen nur mit Zustimmung der BGL in Kraft gesetzt werden konnten.
F.S.