FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Generalstreik. Der G., eine Aktionsform bei der Arbeiter aller Branchen einer Stadt, einer Region oder eines Landes gleichzeitig die Arbeit verweigern, spielte in der DDR zwei Mal eine Rolle: am 17. Juni 1953 als Praxis, im Zuge der friedlichen Revolution 1989 lediglich als nicht realisierte Forderung.
In der Verfassung der DDR von 1949 war das Streikrecht noch verankert (Art. 14, Abs. 2). Der FDGB erklärte jedoch seit seiner Gründung, dass er den Streik als Mittel gegen „volkseigene Betriebe“ und eine „volkseigene Wirtschaft“ nicht einsetzen werde.
Am Ende der 40er Jahre und in den 50er Jahren kam es dennoch, meist gegen den Willen des FDGB, zu Streiks (vgl. a. Widerstand und Opposition). Nachdem am 16.6.1953 die Regierung der DDR mit streikenden Bauarbeitern der Stalinallee ein Gespräch über erhöhte Arbeitsnormen verweigerte und der FDGB Normerhöhungen in seiner Zeitung Tribüne sogar verteidigte, forderten Arbeiter den G. Er weitete sich am 17. Juni 1953 zum Volksaufstand aus. Als der Justizminister Max Fechner (*27.7.1892-†13.9.1973) am 30.6.1953 erklärte, das Streikrecht sei in der Verfassung garantiert, niemand dürfe wegen Streik verurteilt werden, wurde er entlassen, verhaftet und später selbst verurteilt.
Im Dezember 1989 tauchte die Forderung nach einem G. erneut auf. Als Bürger nach der Maueröffnung bemerkten, dass die SED ihre Macht in den Betrieben noch nicht verloren hatte und außerdem das Ministerium für Staatssicherheit begann, seine Akten zu vernichten, verbreitete ein Mitglied der Gruppe Neues Forum in Halle am 1.12.1989 die Forderung nach einem G. Der DDR-Ministerrat, der FDGB und selbst große Teile der Bürgerrechtsgruppen wandten sich entschieden dagegen; der G. sei nur als „letztes Mittel“ anzusehen. In einigen Orten, z.B. Weimar und Plauen, kam es in der Folge zwar zu örtlichen G., bei den sich die Forderungen auf einen Machtwechsel der DDR richteten, aber zu einem DDR-weiten G. kam es nicht.
M.J.