FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Produktionskomitee. Von der SED geführtes Gremium der betrieblichen Mitwirkung, das in den Jahren der Wirtschaftsreformversuche zwischen 1963-71 in den größeren Volkseigenen Betrieben (VEB) an Stelle der vom FDGB geführten Zentralen Ständigen Produktionsberatung erprobt wurde.
Der Etablierung von P. lag ein Beschluss des SED-Politbüros vom 29.10.1963 zur Bildung der ersten P. in rund 160 ausgewählten VEB zu Grunde, der erst am 27.4.1967 durch einen Beschluss des Ministerrats, und wenig später auch durch die Verfassung der DDR vom 6.4.1968 bestätigt wurde. Bei den Vereinigungen der Volkseigenen Betriebe (VVB) waren 1966 als überbetriebliches Pendant zu den P. inzwischen Gesellschaftliche Räte etabliert worden. Die P. unterstanden der Leitung der BPO, sollten sich aus den fachlich und polit. erfahrendsten Arbeitern, Ingenieuren und leitenden Kadern bis hinein in die Werkleitung zusammensetzen, von den Vertrauensleuten der Belegschaft, später direkt von der Belegschaft gewählt werden und dieser gegenüber regelmäßig Rechenschaft ablegen. Die Hauptaufgabe der P. bestand darin, sich regelmäßig mit den Grundfragen der betrieblichen Entwicklung entsprechend den Anforderungen des Neuen Ökonom. Systems der Planung und Leitung (NÖSPL) und des Ökonom. Systems des Sozialismus (ÖSS) zu befassen und dabei insbesondere die Fragen der Produktions- und Arbeitsorganisation unter dem Aspekt der besseren Ausnutzung der Ressourcen, der Suche nach Rationalisierungsmöglichkeiten und der Durchsetzung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu beraten. Zu diesem Zweck wurden anfangs teilweise sehr zeit- und arbeitsaufwendige betriebswirtschaftliche Untersuchungen durchgeführt und entsprechende Empfehlungen für die Betriebsleitungen sowie BGL ausgearbeitet - ohne jedoch bei den Adressaten das erwartete Interesse zu finden, so dass der anfängliche Arbeitselan der P. schnell wieder verebbte. Viele Betriebs- und Gewerkschaftsleitungen empfanden die Bildung und Tätigkeit der P. als eine Beschneidung ihrer eigenen Kompetenzen, de facto wurden sie im Interesse der besseren Umsetzung des Reformkonzeptes allerdings lediglich einer stärker koordinierten Kontrolle durch ein parteigeführtes Gremium unterworfen, dem sie selbst angehörten. Die mit den P. verbundenen neuen formellen Partizipationsmöglichkeiten für die Belegschaft erschöpften sich in einer ebenso klar wie einseitig auf das Ziel der effektiveren Plandiskussion und Planerfüllung ausgerichteten nominellen Mitwirkung. Eine wirkliche Wahl- und Organisationsfreiheit blieb den Beschäftigten auch weiterhin vorenthalten: Die zu wählenden Kandidaten für das P. wurden gemeinsam von den gesellschaftlichen Organisationen und den Werkdirektoren vorgeschlagen, wobei vor allem Produktionsarbeiter mangels Interesse an der Mitarbeit stark unterrepräsentiert blieben. Aber nicht nur bei den Arbeitern, auch bei den Vertretern der anderen betrieblichen Gruppen sank das Interesse an einer Mitarbeit in den P. angesichts der beschränkten Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten immer stärker ab. Auch nachdem die Tätigkeit der P. im Frühjahr 1967 auf eine verbindliche rechtliche Grundlage gestellt worden war, änderte sich daran wenig. Die P. beschränkten ihre Aktivitäten nun im Wesentlichen darauf, zusammen mit den BGL alljährlich Stellungnahmen zu den Planangeboten der Betriebsleitungen abzugeben. Nach dem Abbruch der Wirtschaftsreformversuche wurden die P. auf Beschluss des FDGB-BuV vom 18.11.1971 wieder durch Zentrale Ständige Produktionsberatungen ersetzt.
F.S.