FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Hauptaufgabe. Die SED-Führung formulierte auf ihren Parteitagen i.d.R. sog. ökonom. oder auch allgemein gesellschaftliche H., um die Grundrichtung der in den nächsten Jahren zu verfolgenden Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik vorzugeben.
Auf dem V. Parteitag der SED im Juli 1958 proklamierte der 1. Sekretär des ZK der SED Walter Ulbricht zum Beispiel die „ökonom. H.“, in nur drei Jahren, bis 1961, den Pro-Kopf-Verbrauch der werktätigen Bevölkerung der DDR bei allen wichtigen Lebensmitteln und Konsumgütern über das in Westdeutschland erreichte Niveau hinaus zu steigern. Die Rolle des volkswirtschaftlichen Wachstumsmotors sollte dabei der Chemischen Industrie zukommen; sie wurde deshalb mit einem großzügigen Investitionsprogramm bedacht. Doch schon nach wenigen Jahren zeigte sich, dass diese Erwartungen, die in den Siebenjahrplan 1959-65 eingingen, überzogen waren. Nach dem vorzeitigen Abbruch dieses Plans und dem Mauerbau vom 13. August 1961 verschwand die „ökonom. H.“ fast stillschweigend aus der von SED und FDGB getragenen Produktionspropaganda, noch bevor sie sich in der Arbeit des FDGB tiefgreifend hatte niederschlagen können.
Längere Geltungsdauer konnte die auf dem VIII. Parteitag der SED im Juni 1971 vom neuen 1. Sekretär des ZK der SED Erich Honecker (*25.8.1912-†29.5.1994) formulierte H. beanspruchen, die ausdrücklich nicht nur als eine „ökonom. H.“ betrachtet wurde. Auf die Kurzformel von der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik gebracht, bestimmte sie für zwei Jahrzehnte die Grundzüge der Wirtschafts- und Sozialpolitik der DDR, bis ihr Scheitern schließlich auch von Honecker nicht mehr länger geleugnet werden konnte und er im Oktober 1989 -gezwungen von der Friedlichen Revolution - zurücktreten musste. Die 1971 proklamierte H. bestand „in der weiteren Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialist. Produktion, der Erhöhung der Effektivität des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität“ (Protokoll des VIII. Parteitages der SED, Berlin (Ost) 1971, S. 61/62). Dieses Ziel, bei dem vor allem die Prioritätensetzung bemerkenswert war - an erster Stelle stand die Erhöhung des Lebensstandards, erst an zweiter Stelle folgte die dafür notwendige Produktionssteigerung - wurde 1974 in der Verfassung der DDR verankert, 1976 in das Programm der SED aufgenommen und auf ihren späteren Parteitagen stets neu bekräftigt, so zuletzt auf dem XI. Parteitag im April 1986. Auch in der Präambel des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) von 1977 wurde es verankert.
Der FDGB übernahm die H. als seine eigene, indem er sie auf seinem 8. Kongress im Juni 1972 zum „Hauptkampffeld der Gewerkschaften“ erklärte und sie auf seinem 9. Kongress im Mai 1977 in die eigene Satzung aufnahm. Im Auftrag der SED-Führung hob er bei seinen öffentlichen Proklamationen stets die engen Wechselwirkungen zwischen den wirtschafts- und den sozialpolit. Aspekten der H. hervor: Er verlangte, den „Kampf um hohe Leistungen bei der Erfüllung der volkswirtschaftlichen Aufgaben“ zu führen, zugleich aber auch durch die Stärkung der betrieblichen Mitwirkung und die weitere Ausgestaltung sozialpolit. Maßnahmen eine „ständige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen“ zu erreichen. Infolge der sich verschlechternden volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und des damit verbundenen Rückgangs der allgemeinen Arbeitsmotivation verschob sich das Schwergewicht dabei - ganz entgegen der ursprünglichen Zielsetzung der H. - immer mehr zum ersten Aspekt, womit sich der FDGB von den Interessen seiner eigenen Mitglieder immer weiter entfernte.
F.S.