FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Sozialistischer Wettbewerb. Vom FDGB hauptverantwortlich organisierter und gelenkter Wettkampf der Werktätigen um höhere Arbeitsleistungen und Produktionsergebnisse bei der Erfüllung der Volkswirtschaftspläne.
Den Prämissen des Marxismus-Leninismus folgend galt der s.W. als wichtigste Form der schöpfer. Masseninitiative und der betrieblichen Mitwirkung der Beschäftigten. In ihm sollte das von gegenseitiger Hilfe und Zusammenarbeit geprägte Wetteifern der werktätigen Miteigentümer an den vergesellschafteten Produktionsmitteln um die nur gemeinsam zu erreichenden immer höheren volkswirtschaftlichen Leistungen zum Ausdruck kommen; er stellte somit quasi das funktionale Gegenstück zur marktwirtschaftlichen Konkurrenz dar, die auf dem Prinzip des menschlichen Egoismus beruht. Im s.W. dagegen sollte sich die polit.-ideolog. Überzeugung mit der materiellen Interessiertheit der Beschäftigten verknüpfen, um so zu einer hohen Arbeitsmobilisierung im gesamtgesellschaftlichen Nutzen beizutragen.
Ausgehend von den zentral vorgegebenen Zielen wurde der s.W. hauptverantwortlich vom FDGB organisiert und gelenkt. Orientiert an der Lehre Wladimir I. Lenins (*22.4.1870-†21.1.1924) hatte er dabei vier Grundprinzipien zu berücksichtigen: das Prinzip der Öffentlichkeit, das Prinzip des Vergleichs der Leistungen, das Prinzip der Wiederholung der besten Leistungen und das Prinzip der materiellen und moral. Stimulierung und Anerkennung hoher Leistungen. In der DDR wurden die rechtlichen Grundlagen des Wettbewerbs erstmals ausführlich im Gesetz der Arbeit (1950) fixiert und stellten seither einen festen Bestandteil des Arbeitsrechts dar. Die inhaltliche Ausrichtung des s.W. hing stark von den jeweils aktuellen Jahresplänen und den daraus abgeleiteten Betriebsplänen mit ihren detaillierten Planauflagen für die Betriebe ab. Nicht selten wurden aber auch konkrete polit. Anlässe, etwa die Jahrestage der russischen Oktoberrevolution oder der DDR-Gründung, als Auftakte für zusätzliche besondere Wettbewerbskampagnen, meist mit dem Ziel der vorfristigen Planerfüllung oder/und der Planübererfüllung, genutzt.
Zu den Aufgaben des FDGB zählte es, die Bevölkerung und die Beschäftigten mit einer intensiven Produktionspropaganda von der gesellschaftlichen Bedeutung der Planziele zu überzeugen, zusammen mit den Ministerien, Branchenverwaltungen, Kombinats- und Betriebsleitungen branchen-, bereichs- und betriebsspezif. Wettbewerbskonzeptionen auszuarbeiten sowie materielle Anreize für die Teilnahme an den Kampagnen des s.W. zu setzen, was über ein ausdifferenziertes System von Lohnformen und Prämien geschah.
Der s.W. wurde sowohl zwischen- als auch innerbetrieblich geführt. Für die Aufschlüsselung der Planauflagen und die Festlegung der allgemeinen Wettbewerbsziele in den Branchen und einzelnen Betrieben waren die Fachministerien bzw. die Betriebsleiter verantwortlich. Die darauf aufbauende Ausarbeitung der branchenspezif. bzw. betriebsspezif. Wettbewerbskonzeption lag in der Hand der ZV der Einzelgewerkschaften des FDGB bzw. der BGL; sie sollten dabei von staatlichen Leitungsorganen und Betriebsleitern unterstützt werden. Im Rahmen der betrieblichen Plandiskussion wurden dann die Wettbewerbsziele der Betriebe, sowie ihrer einzelnen Abteilungen und Arbeitsbereiche miteinander abgestimmt und nach ihrer Billigung durch die Vertrauensleutevollversammlung zum Bestandteil des Betriebskollektivvertrages (BKV) erklärt. Als Hauptaufgaben des Wettbewerbs wurden meist die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die Senkung der Selbstkosten, die Verbesserung der Qualität, die Durchsetzung von Möglichkeiten zur Rationalisierung und Intensivierung durch wissenschaftlich-technische Neuerungen und die Verbesserung der allgemeinen Arbeits- und Lebensbedingungen genannt. Die Wettbewerbskonzeptionen enthielten darüber hinaus i.d.R. detaillierte Ausführungen zum geplanten Verlauf des Wettbewerbs und Bestimmungen über die vorgesehenen Belohnungen.
Als wichtigste Grundformen des s.W. sind die Aktivistenbewegung, die Neuererbewegung und die sozialist. Gemeinschaftsarbeit einschließlich der Bildung von Brigaden und Kollektiven zu nennen. Überdies wurden zahlreiche Sonderformen entwickelt, mit denen zum Beispiel die Kosten- und Ertragsabrechnung von Wettbewerbsverpflichtungen ermöglicht werden sollte, wie etwa mit dem persönlichen Konto bzw. dem daraus entwickelten Haushaltsbuch, oder die zur systemat. Aufdeckung von versteckten Arbeitszeit- und Materialreserven und dadurch möglichen Mehrleistungsverpflichtungen beitragen sollten, wie etwa der persönlich- bzw. kollektiv-schöpfer. Plan, oder die vordringlich zu einer Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts beitragen sollten, wie etwa der persönlich-schöpfer. Pass für Angehörige der technischen Intelligenz. Wurden verschiedene Grund- und/oder Sonderformen des s.W. miteinander kombiniert, was in den 80er Jahren vermehrt geschah, etwa um ein neu entwickeltes Erzeugnis schneller von der Forschung in die Serienproduktion zu überführen, sprach man von einem sog. Komplexwettbewerb.
Wirtschaftlicher Ertrag und organisator. wie finanzieller Aufwand für die immer stärker ausdifferenzierten Formen des s.W. standen spätestens in den 80er Jahren in einem krassen Missverhältnis zueinander. Da der FDGB jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf die von den zentralen Wirtschaftsplänen abhängigen Wettbewerbsziele nehmen konnte, sondern lediglich als Motor des s.W. zu fungieren hatte, gingen von ihm in dieser Hinsicht auch keinerlei Impulse zur Umsteuerung aus.
F.S.