FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Schöpferische Masseninitiative. Bezeichnung für die angestrebte aktive Teilnahme möglichst vieler Beschäftigter an organisierten und gelenkten Kampagnen zur Arbeitsmobilisierung im Rahmen des sozialist. Wettbewerbs zur Erfüllung der Volkswirtschaftspläne.
Nach dem Verständnis der marxist.-leninist. Ideologie schuf die Überführung der Produktionsmittel in Volkseigentum die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Werktätigen in der DDR schöpfer. tätig werden könnten und nunmehr aus innerem Bedürfnis wie zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen wesentlich mehr leisten würden als unter dem äußeren Zwang der früheren kapitalist. Ausbeutung. Doch diese neue Einstellung zur Arbeit, so die Annahme, würde sich nicht allein aus der Veränderung der Eigentumsverhältnisse ergeben, sondern sie müsse in einem langwierigen Kampf unter Führung der Partei der Arbeiterklasse, also hier der SED, mit Hilfe des sozialist. Staates und der Massenorganisationen, darunter an prominenter Stelle der FDGB, erst schrittweise im Produktionsprozess durchgesetzt werden, bis sich ein sozialist. Bewusstsein der Menschen ausgebildet habe. Dieses Argumentationsmuster bot die ideolog. Legitimation für immer neue zentral organisierte Kampagnen zur Entfaltung der s.M., die sich von selbst nicht einstellen wollte.
Im Bereich der Produktion sollte die s.M. vor allem in den vielfältigen Formen des sozialist. Wettbewerbs zum Ausdruck kommen, also zum Beispiel in der Aktivistenbewegung, der Neuererbewegung und der sozialist. Gemeinschaftsarbeit einschließlich der Brigaden und Kollektive. Als Instrumente zur Entfaltung der s.M. standen dabei zum einen Ideologievermittlung und Erziehung, ergänzt durch Ideologie- und Verhaltenskontrolle, zum anderen das Wecken der materiellen Interessiertheit über ein ausdifferenziertes Lohn- und Prämiensystem zur Verfügung. Generell bestanden die Aufgaben des FDGB und seiner betrieblichen Gliederungen bei der Entfaltung der s.M. in den Kombinaten und Betrieben darin, intensive ideolog. und wirtsch. motivierte Produktionspropaganda zu betreiben, als Organisatoren für die polit. beschlossenen Wettbewerbskampagnen zu wirken, ihre Abläufe und Ergebnisse laufend zu kontrollieren und auszuwerten, wo notwendig Kritik zu üben, praktische Anregungen aus den Belegschaften aufzugreifen, für Erfahrungsaustausche und die Popularisierung von Verbesserungsvorschlägen zu sorgen, erzielte Erfolge anzuerkennen und herauszustellen sowie Auszeichnungen vorzunehmen.
Allein die Notwendigkeit, immer neue zentral organisierte und gelenkte Kampagnen ins Leben zu rufen, zeigt, dass es dem FDGB genauso wenig wie den anderen Massenorganisationen gelang, in breiten Schichten der Bevölkerung eine echte eigenständige Initiative für die Umsetzung der vorgegebenen polit. Ziele zu wecken.
F.S.