FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Arbeitszeit. A. ist allg. der zeitliche Umfang der Leistungserbringung im Berufsleben. Nach dem Arbeitsrecht der DDR umfasste A. die Leistungsdauer (Stunde, Tag, Woche, Monat) der in einem Arbeitsrechtsverhältnis stehenden Beschäftigten. Die Festlegung der A. erfolgte auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen, von Rahmenkollektivverträgen und aufgrund betrieblicher Arbeitsordnungen. A. galt als Maß für den Arbeitsaufwand eines Produktes. Angestrebt wurde, den Arbeitsaufwand zu reduzieren und dadurch die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Als gesellschaftlich notwendige A. betrachtete man die Zeit, die bei durchschnittlichen Produktionsbedingungen erforderlich war, um ein Produkt zu fertigen. Der für die Herstellung eines konkreten Erzeugnisses nötige individuelle A.-Aufwand galt als Ausdruck der realen Arbeitsproduktivität.
Im Betrieb wurde die A. nach einem A.-Plan geregelt, der zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen BGL auf der Grundlage der gesetzlichen A. zu vereinbaren war. Darin waren der Beginn und das Ende der täglichen A. sowie der Pausen festzulegen.
In der SBZ schrieb der SMAD-Befehl Nr. 56 vom 17.2.1946 einen 8-Stunden-Arbeitstag bei einer 48-Stunden-Arbeitswoche vor. Ausgenommen hiervon blieben die in der Landwirtschaft Beschäftigten. Mit dem Gesetz über die Verkürzung der A. vom 18.1.1957 (Gbl. der DDR 1957, I, S. 73 f.) verringerte sich bei vollem Lohnausgleich die Wochen-A. in der Industrie sowie im Verkehrs- und Nachrichtenwesen auf 45 Stunden. Am 9.4.1966 wurde die „Fünf-Tage-Arbeitswoche jede zweite Woche“ eingeführt und die A. für ca. 3 Mio. Beschäftigte auf wöchentlich 45 Stunden gesenkt (Gbl. der DDR 1965, II, S. 897-902). Dem folgte am 28.8.1967 die durchgängige 5-Tage-Arbeitswoche mit 43¾ Stunden. Allerdings wurden dabei angesichts der zu geringen Arbeitsproduktivität einige Feiertage abgeschafft. Bei Dreischichtarbeitern und Beschäftigten im durchgängigen Schichtsystem reduzierte sich die A. auf 42 Stunden (Gbl. der DDR 1967, II, S. 237-241).
Ein gemeinsamer Beschluss des ZK der SED, des BuV des FDGB und des Ministerrates vom 28.4.1972 verankerte die wöchentliche A. von Müttern mit drei und mehr Kindern bis zu 16 Jahren und für Frauen im Mehrschichtsystem auf 40 Stunden.
Auf der Grundlage der Verordnung über die weitere schrittweise Einführung der 40-Stunden-Arbeitswoche vom 29.7.1976 (Gbl. der DDR 1976, I, S. 385) wurde für alle Beschäftigten im Dreischichtsystem die Arbeitswoche auf 40 Stunden festgesetzt. Die 42-Stunden-Arbeitswoche galt für Beschäftigte im Zweischichtsystem und für Jugendliche bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres. Das Arbeitsgesetzbuch der DDR (AGB) vom 12.4.1977 schrieb den „schrittweisen Übergang zur 40-Stunden-Arbeitswoche durch die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit ohne Lohnminderung bei Beibehaltung der 5-Tage-Arbeitswoche“ fest (Gbl. der DDR 1977, I, S. 185-227). Die sozialpolit. und wirtschaftspolit. Beschlüsse des X. und XI. Parteitages der SED (1981 und 1986) sahen keine A.-Reduzierungen mehr vor.
Seit den späten 50er Jahren verstärkte sich unter dem Druck eines zunehmenden Arbeitskräftemangels die Notwendigkeit, A.-Reserven zu erschließen. Dies zielte vor allem auf die Verringerung von Ausfallzeiten, Fehlschichten und die Senkung des Krankenstandes. Das AGB enthielt die Pflicht zur vollen Nutzung der A. und der Produktionsmittel (§ 80 Abs. 1). Hierzu dienten u.a. Maßnahmen der betrieblichen Sozialpolitik (z.B. Arbeiterversorgung, medizin. Dispensairebetreuung, betriebliche Einkaufseinrichtungen). Insgesamt sind die damit verbundenen Ziele nicht erreicht worden. Nicht nur die relativ großzügigen Regelungen zur Freistellung von der Arbeit, sondern auch die unter dem Einfluss der sozialist. Mangelwirtschaft verfestigte Praxis persönlicher Besorgungen während der A. trugen zu dieser Bilanz bei. Die in den späten Jahren der DDR betriebene Kampagne „Arbeitszeit ist Leistungszeit“ wies auf eine ungelöste Problemlage hin.
P.H.