FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Unabhängige Belegschaftsinitiativen. Umbruch und friedliche Revolution 1989/90 spielten sich hauptsächlich auf den Straßen der DDR ab, die Betriebsbelegschaften traten nur in wenigen Fällen polit. auf den Plan, wie dies in vergleichbaren Umbrüchen, etwa 1918 oder 1945, der Fall war.
U.B. gab es zwar in nicht geringer Zahl, eine vollständige Übersicht existiert bislang nicht, sie bildeten nach bisherigem Kenntnisstand jedoch nur eine Minderheit unter der arbeitenden Bevölkerung.
Die Gründung neuer Gewerkschaften, betrieblich oder überbetrieblich, war kein wesentliches Thema des Umbruchs. Der FDGB konnte sich sogar als Teilnehmer am Runden Tisch durchsetzen.
Zwar verließen aus Protest viele Mitglieder des FDGB ihre Organisation während des Umbruchs. Nur die Wenigsten handelten jedoch im Kollektiv der Betriebsbelegschaft polit. So findet man auch nur ganz selten Gruppen, die, wie in Teltow bei Berlin, eine von SED und FDGB unabhängige Betriebsgewerkschaft Reform gründeten.
Der aus verschiedenen DDR-Bürgerrechtsgruppen hervorgegangene überbetriebliche Zusammenschluss der Initiative für unabhängige Gewerkschaften zerstritt sich über der Frage der Modalitäten einer Gewerkschaftsgründung.
Betriebliche Initiativen formierten sich zumeist als ad hoc Gremien, um spezif. betriebliche Belange zu regeln. Es wurden z.B. Direktoren abgewählt, Pausenräume neu gestaltet, Eigentumsveränderungen kritisch begleitet und anderes mehr.
Solche Initiativen hatten verschiedenste Namen wie z.B. Belegschaftskontrollrat, Arbeiterrat, Initiativgruppe oder auch Kollegengespräche. Nicht selten spielten Bürgerrechtsgruppen wie z.B. Neues Forum oder Vereinigte Linke dabei eine Rolle. Eine besonders ausgeprägte histor. Tradition, an die man angeschlossen hätte, findet sich dabei aber nicht.
Meist erst nach dem 9.11.1989 formierten sich auch einige Initiativgruppen als Betriebsrat, um schon mit der Namensgebung für die Einführung bundesdeutscher Verhältnisse zu demonstrieren.
Daneben gab es auch eine Reihe von BGL, die sich im Zuge des Umbruchs wandelten, um einen Beitrag zur Reform des FDGB zu leisten.
Der am 1.12.1989 von einem Mitglied der Gruppe Neues Forum in Halle geforderte Generalstreik gegen den SED-Machtmissbrauch kam nicht zustande.
M.J.