FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Sozialistische Gemeinschaftsarbeit. Die s.G. wurde 1958 von der SED als Sammelbegriff für die neuen Formen kollektiver Zusammenarbeit im Arbeitsprozess eingeführt. Neben den „sozialist. Arbeits- und Forschungsgemeinschaften“ galten insbesondere die „Brigaden der sozialist. Arbeit“ als mustergültige Einrichtungen der s.G. Sie sollten - u.a. mittels des „sozialist. Wettbewerbs“ und der Neuererbewegung - um die maximale Steigerung der Arbeitsproduktivität ringen und den Grundsatz „sozialist. arbeiten, lernen, leben“ verwirklichen. Dazu zählte nicht nur vorbildliche Kooperation am Arbeitsplatz, sondern auch im privaten Bereich (etwa gemeinsame Freizeitgestaltung der Familien). Ziel war der mit umfassendem „sozialist. Bewusstsein“ ausgestattete „sozialist. Mensch“. In der späten DDR galt die s.G. als „wesentliche Triebkraft der sozialist. Intensivierung der Produktion, der Vervollkommnung der sozialist. Demokratie und der sozialist. Lebensweise“. Daher fand ideolog. eine strikte Abgrenzung zum westlichen „Teamwork“ statt, das nur dem „Streben der Monopole nach hohen Profiten durch verschärfte Ausbeutung“ zugute komme, während in der s.G. „die Werktätigen am wirksamsten ihre gesellschaftliche Stellung als sozialist. Produzenten und Eigentümer der Produktionsmittel“ realisierten. Da die Belegschaften in Ermangelung der Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel keinerlei Eigentümerbewusstsein entwickeln konnten, reduzierte sich die s.G. im Laufe der Jahrzehnte auf Rituale. Aus den „Brigaden“ waren „Kollektive der sozialist. Arbeit“ geworden, ein jährlich zu verteidigender Ehrentitel, den Mitte der 1980er Jahre über 270 000 Kollektive mit mehr als 4,8 Mio. Mitgliedern trugen. Neben Wettbewerbsverpflichtungen war hierfür ein Kultur- und Bildungsplan durchzuführen. Die gelenkte Masseninitiative verknüpfte sich mit deren Schablonisierung: Selbst auf dem X. FDGB-Kongress war von „Formalismus und Desinteresse“ die Rede; der FDGB-Vorsitzende Harry Tisch beklagte „kollektive Kinobesuche, um Punkte zu sammeln“.
U.G.