FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Satzung. Eine die Organisation dauerhaft formende, marxist.-leninist. S. erhielt der FDGB erst 1950, fünf Jahre nach seinem Entstehen. Zuvor waren satzungstechn. Traditionell-Gewerkschaftliches, Unverbindliches und Vorläufiges prägend.
Das erste satzungsartige Dokument in der FDGB-Geschichte war ein Organisationsplan des vorbereitenden Gewerkschaftsausschusses für Groß-Berlin (samt dessen Erstaufruf) aus der ersten Junihälfte 1945. Hierin konzentrierte dieser erste provisor. FDGB-Vorstand sämtliche Organisationsarbeit auf sich selbst, erklärte den Industriezweig zur Grundlage der Organisation (Industrieprinzip) und legte die zu gründenden Einzelverbände (s. Einzelgewerkschaften) fest - ein sehr zentralist. Ansatz, den angesichts der Umstände aber auch die nichtkommunist. Ausschussmitglieder mittrugen.
Nachdem die Aufwertung des FDGB zu einer Reichsorganisation mittels einer Delegiertenkonferenz gescheitert war, nahmen im November 1945 auf Drängen der SMAD KPD und SPD unter Umgehung anderer Richtungen die Sache in die Hand. Der daraufhin - nur für die SBZ - gegründete Organisationsausschuss legte am 5.12.1945 den „Entwurf einer Plattform über die Grundsätze und Aufgaben des FDGB“ vor und bestimmte eine Wahlordnung. Mit deren Hilfe errangen die Kommunisten eine Mehrheit auf dem FDGB-Gründungskongress vom 9. bis zum 11.2.1946, der die „Plattform“ zwar nahezu unverändert annahm, daneben aber nur eine „vorläufige S.“ verabschiedete. Diese kennzeichnete die Betriebsgewerkschaftsgruppe als Grundzelle des FDGB (ohne auf deren Verhältnis zu den Betriebsräten einzugehen) und bestätigte die inzwischen bestehende Gliederung in Industriegewerkschaften, ließ indes gegen das Grundprinzip eine eigene Gewerkschaft der Angestellten zu, die sich im Betrieb freilich der BGO anzuschließen hatte. Die „vorläufige S.“ ließ vieles - bewusst - im Vagen. So meinten der 2. FDGB-Vorsitzende Bernhard Göring und andere führende Funktionäre immer noch, es sei über die Frage, ob die „Finanzhoheit wieder bei den Verbänden liegt, […] noch keine endgültig Klarheit erzielt“ worden - immerhin eine Kernfrage innergewerkschaftlicher Machtverteilung. Auch eine Wahlordnung enthielt die „vorläufige S.“ nicht.
In den folgenden Jahren machten die kaderpolit. überlegenen Kommunisten aus dem Vagen Konkretes in ihrem Sinne. Den Abschluss fand dieses in der S., die der 3. FDGB-Kongress 1950 verabschiedete. Die SED firmierte darin als „bewusster organisierter Vortrupp“ auch des FDGB, womit er satzungsmäßig auf seine leninist. Rolle als Transmissionsriemen festgelegt war. Der FDGB wollte „kämpfen für die allseitige Stärkung der DDR und seine Mitglieder zum demokrat. Staats- und Nationalbewusstsein [erziehen]“. Jedes einzelne Mitglied wurde verpflichtet, „einen entschiedenen Kampf gegen […] das Nurgewerkschaftertum zu führen.“ So war es nur konsequent, dass traditionelle Gewerkschaftsziele wie die Verbesserung der Lohn-, Gehalts- und Arbeitsbedingungen sich erst unter Ziffer 15 als „weitere wesentliche Aufgaben“ auffinden ließen. Hatten die Industriegewerkschaften zwischenzeitlich dann doch eine bedingte Finanzhoheit genossen (30% des Beitragsaufkommens zur eigenen Verfügung), so erhielten sie laut dieser S. „für die Erledigung ihrer Aufgaben einen Anteil der von den Mitgliedern gezahlten Beiträge“, dessen Höhe ins Ermessen des BuV gestellt war. Die S. des 3. FDGB-Kongresses vollendete die Verwandlung des FDGB in eine konfliktleugnende, ausschließlich Partei- und Staatsvorgaben befolgende, zentralist. Monopolorganisation.
Der 4. FDGB-Kongress 1955 entzog den IG/Gew. das Recht auf eine eigene S.
Die S. des späteren FDGB (70er/80er) Jahre hatte neun Kapitel. Sie begann mit einer Präambel, in der der FDGB sich zur führenden Rolle der SED und zur Verbreitung von deren Weltanschauung, dem Marxismus-Leninismus, zur „unverbrüchlichen Freundschaft“ mit der UdSSR und zum demokrat. Zentralismus bekannte. Kapitel I. befasste sich mit den Rechten, Pflichten (Einsatz für die Planerfüllung etc.) und Vorteilen (z.B. dem Feriendienst) der Gewerkschaftsmitglieder. Kapitel II. definierte Organisationsaufbau und Organisationsprinzipien im Allgemeinen, während die Kapitel III. bis V. sich - in dieser Reihenfolge - dem BuV und anderen zentralen FDGB-Organen, dem Mittelbau des FDGB und der IG/Gew. und letztlich den gewerkschaftlichen Grundorganisationen widmeten. In den abschließenden Kapiteln VI. bis IX. ging es um die Revisionskommission, die Finanzen, die Rechtsfähigkeit der Vorstände, Einrichtungen sowie der Leitungen der Grundorganisationen und die gewerkschaftlichen Unterstützungseinrichtungen (s. soziale Dienste). Der S. als Anlage angefügt war die Beitragsordnung.
Im Zuge des Auflösungsprozesses des FDGB 1989/90 ist es zwangsläufig auch zu Satzungsdiskussionen gekommen. Nach der Vorlage zweier Satzungsentwürfe am 30.11.1989 und am 5.1.1990 beschloss der außerordentliche Kongress am 31.1.1990 die „S. des gewerkschaftlichen Dachverbandes FDGB“. Sie stärkte nicht nur dem Namen nach die Einzelverbände, indem sie ihnen etwa die Finanzhoheit zusprach. Zur vollen Wirksamkeit konnte diese letzte FDGB-S. jedoch nicht mehr gelangen.
U.G.