FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Gewerkschaftlicher Dachverband FDGB. Gemäß einem Vorschlag des Komitees zur Vorbereitung des außerordentlichen FDGB-Kongresses hatten die Delegierten auf dem Ende Januar/Anfang Februar 1990 durchgeführten Kongress eine Umwandlung des FDGB in einen Dachverband für die in selbständige Einzelgewerkschaften umzuwandelnden Fachverbände beschlossen. Nominell sollte der G.D. die gemeinsamen Interessen seiner Mitgliedsorganisationen auf dem „Gebiet der Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Lohn-, Sozial-, Umwelt-, Gesundheits-, Wissenschafts-, Bildungs- sowie Kulturpolitik“ vertreten und entsprechende polit. Aktivitäten entfalten. In der Praxis sollte er indes sowohl organisator. wie inhaltlich weitgehend auf die Funktion eines „Dienstleistungsunternehmens“ für die Gewerkschaften, vor allem auf der Bezirks- und Kreisebene, reduziert werden. Dementsprechend sollte der hauptamtliche Apparat bis Ende März 1990 um rund ein Drittel verringert werden. An die Spitze des G.D. wurde ein Geschäftsführender Vorstand gewählt, der durch die Vorsitzenden der Mitgliedsgewerkschaften ergänzt wurde. Weitere Organe des G.D. waren neben dem Bundeskongress und dem GV eine Revisions- sowie eine Schiedskommission.
Der Grund für die gezielte Schwächung des G.D. war die Verselbständigung des alten BuV und des ihm zur Verfügung stehenden Apparates, die in den Augen der Delegierten zu einem „System von Amtsmissbrauch und Korruption“ geführt hatte. Man wollte verhindern, dass sich wieder ein „unkontrolliertes, übermächtiges Machtorgan an der Spitze“ bilden konnte.
Die Bezeichnung G.D. setzte sich im Schriftverkehr bzw. in den Sitzungsprotokollen im Übrigen erst ab April 1990 durch. Außerdem wurden nach Bildung des Sprecherrates im Mai von Teilen des GV die Bezeichnungen „Bund Freier Gewerkschaften“ bzw. „Bund der Vorsitzenden der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften“ verwendet. Mit den Beschlüssen des Auflösungskongresses Mitte September 1990 wurde aus dem Dachverband ein G.D. i.L. (in Liquidation). Endgültig aufgelöst wurde er erst 1999.
F.-O.G.