Auf dritten Wegen ins dritte Jahrtausend?

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Zum Beitrag  Zu diesem Heft (Seite 385)


Zum Beitrag  Erhard Eppler
Vom europäischen Modell
(Seite 386)

Man sollte nicht vom "Dritten Weg", sondern eher vom europäischen Modell sprechen, denn wo der "Dritte Weg" vorgibt zu wissen, wohin die Reise geht, setzt das europäische Modell einen flexiblen Rahmen, der weniger auf Harmonie als auf geregelten Konflikt besonderen Wert legt.

 

FORUM: Auf dritten Wegen ins dritte Jahrtausend?

 

Zum Beitrag  Gerhard Schröder
Eine Außenpolitik des "Dritten Weges"
(Seite 392)

Für die modernen Industrienationen gibt es keine "rechte" oder "linke" Außenpolitik, mithin keinen "Dritten Weg", wenngleich dessen Werte Gültigkeit haben; die beherrschende Denkfigur in der Außenpolitik ist die der "Kontinuität", obwohl es tiefe Zäsuren, als letztes den Kosovo-Konflikt, gegeben hat. Eine moderne Außenpolitik sollte eine Politik des "aufgeklärten Eigeninteresses" sein. Im Kosovo-Konflikt hat Europa mit seiner politischen Neu-Definition begonnen.

 

Zum Beitrag Tony Blair
"Dritter Weg" und "neue Mitte"
(Seite 397)

Unsere Aufgabe ist es, den Werten, an die wir glauben, in einer veränderten Umwelt neue Geltung zu verschaffen. Wir benötigen mehr Unternehmertum und Risikobereitschaft, müssen insgesamt flexibler werden. Die verschiedenen sozialdemokratischen Ansätze in Europa sollten demgemäß abgestimmt werden.

 

Zum Beitrag Wim Kok
 Konsenspolitik durch Dialog
(Seite 400)

Während der wirtschaftliche Erfolg in den Niederlanden kaum in das öffentliche Bewusstsein gelangt, spricht die ausländische Presse vom holländischen "Poldermodell", dessen Erfolg auf – mitunter konflikreichem - Dialog im sozialökonomischem Bereich beruht. Verantwortung reicht über das Interesse der einzelnen Unternehmungen hinaus. Das ist die Psychologie des "Poldermodells".

 

Pierre Moscovici
Schröder, Blair und wir
(Seite 411)

Obwohl das Schröder-Blair-Papier einen nützlichen Beitrag zur Debatte über die Zukunft der Sozialdemokratie darstellt, scheint es keine Lösungen anzubieten, die auf die französische Situation passen würde. Dennoch sind wir vollkommen einer Meinung über das von Lionel Jospin zusammengefasste zu erwartende Ziel: Ja zur Marktwirtschaft, Nein zur Marktgesellschaft.

 

Wissenschaftlich-publizistische Prognosen

  Ulrich Beck
Die Arbeitsgesellschaft als Risikogesellschaft

(Seite 414)

Die Leitidee der Vollbeschäftigung zerfällt. Vieles spricht dafür, dass in zehn Jahren nur noch jeder zweite abhängig Beschäftigte einen dauerhaften Vollzeitarbeitsplatz haben wird. Die Arbeits- wird eine Risikogesellschaft, die weder für die Lebensführung des Einzelnen noch für Staat und Politik kalkulierbar ist. Es müssen neue Freiräume in der Abstimmung von Arbeit, Leben und politischem Handeln entstehen und gesichert werden.

 

  Norman Birnbaum
Ein Koloss auf tönernen Füßen?
(Seite 418)

Der amerikanische Wohlstand beruht auf der Initiative der Unternehmer, auf dem offenen Zugang zum Arbeitsmarkt und auf gnadenloser Rationalisierung. Dies ist ein Ergebnis der vorsätzlichen Zerstörung des Solidaritätsgefühls in der amerikanischen Gesellschaft seit Roosevelts "New Deal". In den USA besteht die Gefahr, dass Markt und Gesellschaft eins werden.

 

  Amitai Etzioni
Ein reformierter Sozialstaat
(Seite 422)

Das soziale Element im amerikanischen Sozialstaat wurde ausgedünnt und verfällt zusehends, obwohl es bis dato noch nicht verschwunden ist. Obwohl die höhere Wettbewerbsfähigkeit in Amerika viel Leid erzeugt, befürworten die Menschen dieses System, denn es schafft neue Arbeitsstellen und lässt die amerikanische Wirtschaft florieren. Nichtsdestoweniger sollte der Sozialstaat strukturell verändert werden, damit seine sozialen Elemente auch in Zukunft erhalten bleiben.

 

  Gunter Hofmann
Kritik und Politik
(Seite 430)

Der Sozialstaat deutschen Grundmusters, der in breitem Konsens ins Zeitalter der globalisierten Finanzmärkte hinübergerettet wurde, steht künftig wirklich zur Disposition. Die Republik tummelt sich in der Mitte, aber Konturen zeigt sie nicht. Es wäre angezeigt, sich der Kategorien von links und rechts durchaus wieder zu besinnen.

 

  Andrei S. Markovits
Die große Herausforderung der Berliner Republik
(Seite 434)

Im neuen Berliner Gehäuse spricht viel für die Kontinuität der alten Bonner Republik, wobei vor allem die sich anbahnende Machtdebatte identitätsstiftend sein wird. Der Kosovo-Krieg war Europas "coming out party" als eine sich noch in den Kinderschuhen befindende, aber bereits klar zu erkennende militärische Macht. Dies sind Zusammenhänge, denen sich die Berliner Republik nicht wird entziehen können.

 

  Sven Papcke
Verteilungsgerechtigkeit statt großer Sprüche
(Seite 439)

Bernsteins nüchterne Sicht der Sozialwelt, aber auch seine moderne Wiederentdeckung der Ethik als aktivem Sozialfaktor verletzte die festsitzenden Benennungstabus.Sein Konzept einer sozialen Dauerreform als Gesellschaftspolitik, das für Mitverantwortung der Arbeitnehmer an der Produktivitätssteigerung plädierte, hat seither sozialtheoretisch kaum an Aktualität verloren.

 

  Saskia Sassen
Kontrollverlust? Der Staat und die neue Geographie der Macht
(Seite 447)

Eine neue Geographie der Macht offenbart, zusammen mit der globalen Standortlosigkeit des Unternehmens-Kapitals, Aspekte des Verhältnisses zwischen globaler Wirtschaft und Nationalstaat, die in der vorherrschenden Vorstellung einer Dualität von global und national nicht angemessen erfasst werden können.

 

  Fritz W. Scharpf
Der Arbeitsmarkt im internationalen Wettbewerb
(Seite 459)

Die Internationalisierung der kapitalistischen Ökonomie hat die Kontrolle des Nationalsstaats über seine Außengrenze beseitigt. Die Folgen für den Arbeitsmarkt werden in Bezug auf die Standortkonkurrenz zwischen den Hochlohnländern kaum verstanden. Unser Problem ist nicht die Arbeitsproduktivität, sondern der Arbeitsplatzmangel. Der deutsche Sozialstaat muss partiell umfinanziert werden und die Gewerkschaften müssen sich dem anpassen.

 

 Danilo Zolo
Politik im Verborgenen?
(Seite 464)

Der Sieg der globalen Marktwirtschaft hat langfristige Konsequenzen auf dem Mediensektor. Im Medienmarkt werden Pluralismus und Konkurrenz nicht die gleichen Vorteile produzieren, wie dies in anderen Bereichen der Fall ist, da sie Konformismus gefördert und das intelektuelle Niveau des Angebots gesenkt haben. Der assymmetrische, selektive und nicht interaktive Charakter der Massenmedien wird sich nicht verändern, jedoch Politik zu "unterschwelliger Politik" machen.

 

Gewerkschaftliche Perspektiven

  Regina Görner
Ein "Dritter Weg", der seinen Namen nicht verdient

(Seite 470)

Grundüberzeugungen scheinen nach dem Schröder/Blair-Papier in der politischen Landschaft von heute nicht mehr allzu viel Sinn zu machen, obwohl die "Soziale Marktwirtschaft" auch im Zeitalter der Globalisierung und der elektronischen Medien nichts von ihrer Aktualität und Praktikabilität verloren hat.

 

  Detlef Hensche
Dritte (Ab-)Wege
(Seite 473)

Der weltweite Triumph der Marktwirtschaft hat keine seiner Verheißungen erfüllt, daher ist politische Gestaltung, national wie international, gefragt. Das Schröder/Blair-Papier ist unbedarft und stellenweise peinlich – von der aktuellen freidemokratischen Erbschleicherei der Grünen ganz zu schweigen.

 

  Wolfgang Storz
Medien und "Dritter Weg"
(Seite 479)

Die Botschaft von Blair und Schröder wirkt so selbstverständlich, dass sie von den meisten Medien entgegengenommen und weitergegeben wird. Wer die Definition bestimmt, hat ein Stück Vorherrschaft im Meinungsstreit. Und das bedeutet in einer Mediengesellschaft: mehr Einfluss. Die Gewerkschaften sollten daher selbst die Debatte (wieder)eröffnen. Auf eigenem Terrain, aber offen für alle anderen.

 

  Fritz Verzetnitsch
Die Herausforderung der Gleichzeitigkeit
(Seite 484)

Wenn Unternehmer von der Globalisierung profitieren, warum dann nicht auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Die Aufgaben der Gewerkschaften sind heute geprägt von der Herausforderung der Gleichzeitigkeit, basierend auf sozialen Grundwerten.

 

  Elisabeth Vogelheim
Neue Wege zur Macht – Frauen in den Gewerkschaften
(Seite 488)

Wohin soll in Zukunft gewerkschaftliche Gleichstellungspolitik gehen und welche Instrumente benötigt sie? Wir müssen uns von einer typischen Arbeitsstruktur für Minderheiten verabschieden, und zwar als Ausdruck unseres Selbstbewusstseins. Daher könnte unter Umständen die Aufhebung von Frauenausschüssen sinnvoll sein.

 

  Dieter Wunder
"Government by the people"?
(Seite 492)

Einen "Dritten Weg" gibt es nicht, es macht nur Sinn von einem andersartigen "Ersten" bzw. "Zweiten Weg" zu sprechen, ausgehend von einer ökonomisch-sozialen Definition. Die Demokratiekritik und –utopie müsste ausserdem weiterentwickelt werden. Demokratisierung, einst "linkes Projekt", ist heutzutage eine gängige Forderung in allen Lebensbereichen.

 

  Dokumentation (Seite 497)

Grundlegender Wandel der Politik?
(Brief des DGB-Vorsitzenden Dieter Schulte an den Vorsitzenden der SPD, Bundeskanzler Gerhard Schröder vom 24. Juni 1999)

 

  Buchbesprechung (Seite 502)

Gerhard Leminsky: Kurt Hirche, Immer in Bewegung: Lebensweg eines deutschen Sozialisten, 3 Bde. (Bd. 1: Unruhe und Aufbruch, 560 S., Bd. 2: Die braune Zeit, 296 S., Bd. 3: Am Webstuhl der Zeit, 416 S.) Schüren Presseverlag, Marburg 1995, 48 DM (je Band)