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Ökologische Agrarwende in der EU : Chance oder Risiko für die Entwicklungsländer? / Harald Grethe - [Electronic ed.] - Bonn, 2003 - 28 S. = 108 KB, Text . - (Arbeitspapiere zur EU-Entwicklungspolitik ; 10) - ISBN 3-89892-172-7
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2003

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT


[Seite der Druckausg.:2 = Rückseite Titelblatt]








Die Reihe "Arbeitspapiere zur EU-Entwicklungspolitik" greift aktuelle Fragen der europäischen Entwicklungspolitik auf. Sie soll ein Forum anbieten zur Diskussion politischer Optionen für die Gestaltung der europäischen Entwicklungspolitik und den Dialog zwischen Norden und Süden. Ihr Ziel ist es, zu mehr Transparenz auf dem Weg zu einer koordinierten und kohärenten europäischen Entwicklungspolitik beizutragen.

ISSN 1432-9824

ISBN 3-89892-172-7

Die Reihe erscheint in unregelmäßigen Abständen. Sie kann kostenlos bei der Friedrich-Ebert-Stiftung angefordert werden.

Herausgegeben vom Referat Entwicklungspolitik


Christiane Kesper

Copyright 2003 by Friedrich-Ebert-Stiftung
Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin
Godesberger Allee 149, 53175 Bonn

Layout: PAPYRUS – Schreib- und Büroservice
Printed in Germany 2003

[Seite der Druckausg.:3]

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Zusammenfassung

"Die ökologische Agrarwende" wird in Deutschland kontrovers diskutiert, und es ist bisher noch undeutlich, zu welchen konkreten Schritten es kommen wird. Als Kernstücke der Agrarwende werden für dieses Papier die stärkere Ausrichtung der Agrarpolitik an Zielen des Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzes sowie der Abbau der klassischen Subventionspolitik verstanden. Auswirkungen auf die Entwicklungsländer werden in vier Bereichen diskutiert:

  1. Auswirkungen einer Verringerung der EU-Agrarproduktion.

  2. Auswirkungen höherer Produkt- und Prozeßstandards in der EU.

  3. Auswirkungen einer stärkeren Förderung des Ökologischen Landbaus.

  4. Auswirkungen einer stärkeren Förderung von regionaler Vermarktung.

Drei Gründe können im Rahmen der Agrarwende zu einer geringeren EU-Produktion beitragen: i) die stärkere Verfolgung von Umwelt- und Tierschutzzielen, die teilweise mit dem heutigen Produktionsniveau konkurrieren, ii) der Abbau der klassischen, produktionsfördernden EU-Agrarpolitik und iii) die Erhöhung des Anteils der ökologischen Landwirtschaft, die deutlich geringere Erträge aufweist. Betreffen werden diese Änderungen vor allem die Kernprodukte der EU-Agrarpolitik: Rind- und Schaffleisch, Milchprodukte, Getreide, Ölsaaten, Hülsenfrüchte und Zucker. Auch der Bereich der getreidebasierten Veredelungsproduktion könnte insbesondere aufgrund von erhöhten Tierschutzstandards betroffen sein.

Verschiedene Entwicklungsländer wären von diesen Änderungen der EU-Preise und der Nettohandelsposition der EU unterschiedlich betroffen. Zum einen hat ein Rückgang der EU-Agrarproduktion zur Folge, daß ein geringeres Weltmarktangebot zur Verfügung steht und die Weltmarktpreise steigen. Dieser Effekt ist also mit dem einer allgemeinen Agrarhandelsliberalisierung zu vergleichen. Die Nettoimporteure unter den Entwicklungsländern, die zu Weltmarktpreisen importieren, wären bei einer statischen Betrachtung hiervon negativ, die Nettoexporteure positiv betroffen. Zum anderen hat eine Reihe von Entwicklungsländern präferentiellen Zugang zu den EU-Agrarmärkten. Diese Entwicklungsländer exportieren einen Teil ihrer Agrarprodukte nicht zu Weltmarktpreisen, sondern zu einem höheren Preis in die EU. Diese Agrarexporte wären somit negativ von den niedrigeren Preisen in der EU betroffen. Insbesondere viele der AKP-Länder und der LDC würden bei einer Liberalisierung der EU-Agrarpolitik zumindest kurzfristig verlieren, da diese Ländergruppen präferentiellen Zugang zu Teilen des EU-Marktes haben und überwiegend Nettoimporteure der voraussichtlich von der Agrarwende betroffenen Produkte sind. Langfristig kann es allerdings in Ländern mit einem entsprechenden Produktionspotential auch zu positiven Effekten kommen. Zu den potentiellen Gewinnern eines Abbaus der EU-Agrarprotektion gehören einige lateinamerikanische Länder, da sie für viele der betroffenen Produkte schon heute Nettoexporteure sind und kaum präferentiellen Zugang zum EU-Markt genießen.

Im Rahmen der Agrarwende werden Produkt- und Prozeßstandards in vielen Bereichen angehoben. Dabei stellt sich die Frage, wie mit Produkten aus Drittländern umgegangen wird. Müssen sie denselben Standards unterliegen? Darf/sollte an der Außengrenze zwischen Produkten, die zu unterschiedlichen Standards produziert wurden, unterschieden werden? Entwicklungsländer stehen hohen Standards häufig kritisch gegenüber, da sie die Gefahr eines protektionistischen Missbrauchs

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sowie die Kosten der Einführung höherer Standards fürchten. Im Rahmen der Agrarwende ist der Wunsch der EU nach einer weitergehenden Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips bei den Produktstandards zu erwarten. Für die Entwicklungsländer ist es von großem Interesse, daß der Prozeß der Standardsetzung transparent, unter internationaler Beteiligung und unabhängig von protektionistischen Interessen erfolgt. Prozeßstandards sind im Rahmen der WTO bisher nicht vorgesehen. Es gilt im vollen Umfang das Gebot der Nichtdiskriminierung ausländischer Produkte, wenn es sich um gleichartige Produkte handelt, die sich nur in ihrem Entstehungsprozeß unterscheiden. Diese Regelung führt dazu, daß nationale Tierschutzpolitiken unter Umständen ihr Ziel teilweise verfehlen, da die Produktion an Standorte mit geringeren Standards verlagert wird. Dieses Problem gewinnt im Rahmen der Agrarwende an Bedeutung, da tierfreundlichere Haltungssysteme erhebliche Mehrkosten im Vergleich zu den heute üblichen Verfahren mit sich bringen können. Aufgrund verschiedener Nachteile anderer Möglichkeiten wird in diesem Papier empfohlen, die Einführung eines Systems von Tierschutzzöllen zu prüfen. Allerdings besteht Forschungsbedarf bezüglich der mit Tierschutzzöllen verbundenen Transaktionskosten.

Die verstärkte Förderung des Ökologischen Landbaus wird sich auch positiv auf die Importnachfrage nach Öko-Produkten auswirken, womit für die Entwicklungsländer eine Reihe von potentiellen Vorteilen verbunden ist. Allerdings ist die Zertifizierung von Öko-Produkten aus Entwicklungsländern in der EU generell relativ intransparent und uneinheitlich geregelt. Sie sollte verbessert werden, um so wenig wie möglich als Handelsbarriere für Exporte aus Entwicklungsländern zu wirken und die Beteiligung lokaler Kontrollstellen zu fördern. Langfristig sollten die Produktions- und Kontrollstandards für international gehandelte Öko-Produkte weltweit harmonisiert werden, um unnötige Transaktionskosten zu vermeiden.

Vor allem mit dem Argument der geringeren Umweltbelastung aufgrund der kürzeren Transportwege wird eine Regionalisierung der Vermarktung gefordert ("regional ist die erste Wahl"). Verschiedene Ökobilanzierungen von mehr oder weniger regionalen Vermarktungskonzepten kommen jedoch zu dem Ergebnis, daß regionale Ansätze nicht unbedingt die günstigeren Ökobilanzen aufweisen. Die Umweltbelastung beim Transport hängt in erster Linie von dem gewählten Transportmittel und der damit verbundenen Transporteinheit ab. Sinnvoller als die pauschale politische Forderung von Regionalität wäre eine angemessene Energiebesteuerung sowie streckenabhängige Straßennutzungsgebühren für den Frachtverkehr.

Aus entwicklungspolitischer Sicht sollte der Abbau der EU-Agrarsubventionen unterstützt werden. Tier- und Umweltschutzpolitiken sollten nicht als versteckte Subventionspolitiken mißbraucht werden. Damit möglichst viele Entwicklungsländer von einer Situation höherer Weltmarktpreise für Agrarprodukte profitieren können, sollte der Abbau von den Agrarsektor benachteiligenden Politiken in Entwicklungsländern unterstützt und die Nutzung des landwirtschaftlichen Potentials durch Verbesserungen von Infrastruktur, Beratung und Ausbildung gefördert werden. Da ein Anstieg der Weltmarktpreise einige Nettoimporteure unter den Entwicklungsländern belasten würde, sollten im Rahmen der Reform der Agrarpolitik eingesparte EU-Haushaltsmittel teilweise für die Entwicklungszusammenarbeit verwendet werden.

Um den Import von Öko-Produkten aus Entwicklungsländern zu erleichtern, sollte das gegenwärtige EU-System der Zertifizierung von ökologischer Drittlandsware vereinfacht und vereinheitlicht werden. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Prozeßstandards, nicht nur im Bereich der ökologischen Landwirtschaft, sollten Konzepte für eine internationale Harmonisierung der Zertifizierung erarbeitet werden, und die Teilnahme lokaler Zertifizierer sollte von der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden.

Die Ideologisierung der Diskussion um eine umweltfreundliche Vermarktung ("regional ist

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die erste Wahl") sollte aus entwicklungspolitischer Sicht abgelehnt werden. Sie schadet den Exportinteressen der Entwicklungsländer und ist außerdem wenig zielgenau, ineffizient und in Teilbereichen kontraproduktiv bei der Verfolgung des Umweltziels.

Insbesondere in der WTO, aber auch in anderen internationalen Organisationen, ist es für die Entwicklungsländer von essentieller Bedeutung, ihre Interessen effektiv zu vertreten. Die Entwicklungszusammenarbeit kann sie hierbei unterstützen. Außerdem hat die Implementierung und Verschärfung von Produkt- und Prozeßstandards bestimmte institutionelle und finanzielle Voraussetzungen. Die Entwicklungszusammenarbeit kann den Entwicklungsländern dabei helfen, sich an die EU-Nachfrage anzupassen.

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