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[Seite der Druckausg.:23]



5. Auswirkungen einer potentiellen Förderung von Regionalvermarktung auf Entwicklungsländer


Im Rahmen der Agrarwende ist von seiten der Bundesregierung verschiedentlich eine Regionalisierung der Vermarktung und damit eine stärkere Ausrichtung des Konsums an der regionalen Produktion gefordert worden ("regional ist erste Wahl"). Mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden soll, ist zur Zeit noch undeutlich. Als vorrangiges Argument für die Regionalvermarktung wird die geringere Umweltbelastung aufgrund der geringeren Transportstrecken angeführt. Schaut man sich dieses Argument genauer an, zeigt sich, daß es in der gegenwärtigen ideologisierten Form wenig taugt. Wie Tabelle 4 zeigt, hängt der Energieverbrauch pro transportierter Mengeneinheit und Transportstrecke, und damit ein wesentlicher Teil der Umweltbelastung, vor allem von der Wahl des Transportmittels ab.

Tabelle 6:
Primärenergieeinsatz und energieeinsatzgleiche
Transportstrecken verschiedener Transportmittel


Kleinbus

LKW

Bahn

Binnenschiff

Hochseeschiff

Primärenergieverbrauch (Mj/tkm)a

18,6

2,6

0,7

0,6

0,12

Energieeinsatzgleiche
Transportstrecke (km)

50

350

1350

1550

7750
(USA-Europa)

a Megajoule pro Tonnenkilometer. Quellen: Heißenhuber (1998), eigene Berechnungen.

Der Energieverbrauch per transportierter Einheit (angegeben in Tonnenkilometern) ist bei kleinen Transporteinheiten unverhältnismäßig viel höher ist als bei größeren Einheiten. So führt z. B. eine Transportstrecke von 50 km mit dem Kleinbus, ein Abstand wie er z. B. in der Direktvermarktung von Gemüse-Abokisten häufig überschritten wird, da der Kleinbus lange nicht die gesamte Strecke mit der hier unterstellten Auslastung von einer Tonne unterwegs ist, zu demselben Energieverbrauch je Produkteinheit wie etwa der Seetransport USA-Rotterdam. Selbst wenn man die kompletten Transportwege (vom Produzenten bis zum Endverbraucher) mit einbezieht, muß der Transport von anderen Kontinenten in die EU nicht schlechter abschneiden als der innereuropäische Transport, denn viele Ballungszentren der EU wie auch Produktionsgebiete in Drittländern liegen an der Küste oder an Schiffahrtsstraßen, so daß nur eine relativ kurze Transportstrecke per Straße/
Schiene zurückgelegt werden muß.

Auch verschiedene Ökobilanzierungen von mehr oder weniger regionalen Vermarktungskonzepten kommen zu dem Ergebnis, daß ein regionaler Ansatz nicht unbedingt die günstigere Ökobilanz aufweisen muß. [Vgl. z.B. Schmidtlein et al. (erscheint demnächst) und Höper et al. (2000).] So zeigen z. B. Schmidtlein et al. an den Beispielen einer Großbäckerei und zwei handwerklicher Bäckereien, daß der höhere Energieeinsatz der Großbäckerei beim Transport durch den niedrigeren Energieeinsatz im Produktionsprozeß mehr als kompensiert wird.

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In der Summe aus Transport und Produktion ist sowohl der Energie- wie auch der Wassereinsatz in der untersuchten Großbäckerei per Produkteinheit etwa halb so hoch wie in den untersuchten handwerklichen Betrieben.

Wesentlich sinnvoller als die pauschale politische Forderung von Regionalität wären eine angemessene Energiebesteuerung sowie streckenabhängige Straßennutzungsgebühren für den Frachtverkehr. Hierdurch würde der Transport auf der Straße vor allem in den Bereichen eingeschränkt, wo er wenig Vorteile bringt und die Kosten des Verzichts deshalb relativ niedrig sind. Die Besteuerung des Energieeinsatzes sollte deshalb auch in der Bundesrepublik weiter erhöht werden.

Nichts spricht dagegen, daß Konsumenten mit einem entsprechenden Interesse Nahrungsmittel aus regionaler Produktion kaufen. Eine Ideologisierung der Diskussion im Sinne einer pauschalen Verurteilung von internationalem Handel oder sogar eine massive staatliche Förderung regionaler Vermarktung schadet jedoch den Exportinteressen der Entwicklungsländer und ist außerdem wenig zielgenau, ineffizient und in Teilbereichen sogar kontraproduktiv bei der Verfolgung des Umweltziels.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2003

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