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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.:9]



1. Einleitung *

    * = [Dieses Papier basiert weitgehend auf einer für das BMZ angefertigten Studie (Grethe, 2001).]



Die von der Bundesregierung geforderte "ökologische Agrarwende" wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Bisher sind jedoch noch wenig konkrete Schritte unternommen und Absichten formuliert worden:

  • Die Modulation soll in Deutschland ab dem Jahr 2003 eingeführt werden: Kürzung der Direktzahlungen ab einem Sockelbetrag von DM 20.000 um 2% und Verwendung der eingesparten Mittel und der nationalen Kofinanzierung für Agrarumwelt- und -strukturpolitik.

  • In den Jahren 2002 und 2003 sollen jährlich Bundesmittel in Höhe von 68 Mio. DM für ein "Bundesprogramm Ökolandbau" bereitgestellt werden.

  • Es ist ein staatliches deutsches Siegel für Produkte aus ökologischer Landwirtschaft auf Basis der EU-Öko-Verordnung eingeführt worden, welches auch für Produkte aus dem Ausland verwendet werden darf.

  • Die Etablierung von Qualitätssicherungssystemen für Produkte aus der konventionellen Landwirtschaft wird gefordert.

  • Die Gemeinschaftsaufgabe wird finanziell aufgestockt und stärker an Tier- und Umweltschutzzielen ausgerichtet.

  • Der Öko-Landbau soll bis zum Jahr 2010 einen Anteil von 20 Prozent der gesamten Landwirtschaft ausmachen. Allerdings gibt es bisher noch kein klar definiertes Maßnahmenbündel, mit dem dies erreicht werden soll.

  • Die Regionalvermarktung soll gefördert werden ("regional ist die erste Wahl").

  • Die Haltung von Legehennen in Käfigen wird in Deutschland ab 2007 verboten.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die verstärkte Verfolgung von Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzzielen zentraler Bestandteil der "ökologischen Agrarwende" ist. Vor diesem Hintergrund ist die Bezeichnung "Wende" irreführend, da diese Ziele auch schon in der Vergangenheit verstärkt Eingang in die Agrarpolitik gefunden haben und es sich deshalb eher um eine Beschleunigung der bisherigen Entwicklung handelt.

Ein noch sehr undeutlicher Bereich der "ökologischen Agrarwende" ist die zukünftige Gestaltung der Kernstücke der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP): Agrarpreispolitik, Ausgleichszahlungen, Exportsubventionen und Angebotsbeschränkungen. Ein Abbau dieser Politiken, der aus dem BMVEL heraus in zunehmendem Maß gefordert wird, [Siehe z. B. FAZ vom 29.10.2001.] ist zum einen sinnvoll, um Mittel für die Verfolgung von Zielen in den Bereichen Tier- und Umweltschutz bereitstellen zu können. [Ein konsequenter Umbau der gesamten EU-Agrarpolitik in diesem Sinne wurde kürzlich von der Niedersächsischen Regierungskommission Zukunft der Landwirtschaft – Verbraucherorientierung (2001) vorgeschlagen.]
Zum anderen steht die heutige EU-Agrarpolitik aufgrund ihrer produktions- und intensitätsfördernden Wirkung häufig in Konflikt mit vielen Umweltschutzzielen. Die eindeutige Zuordnung des Abbaus der klassischen EU-Agrarpolitik zu einer tier-, umwelt- und verbraucherschutzorientierten Agrarwende ist jedoch nicht möglich, da es noch eine Reihe von weiteren Gründen gibt, die für eine Entkoppelung der Ausgleichszahlungen und einen Ab

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bau der Agrarpreisstützung sprechen, auf die aber hier nicht weiter eingegangen werden soll. [In erster Linie sind dies die Verpflichtungen im Rahmen der WTO, die Osterweiterung und der aus bestehenden und zukünftigen bilateralen Handelsabkommen resultierende Druck.]

Ein weiterer Aspekt, der zur Unsicherheit über die Ausgestaltung der "ökologischen Agrarwende" beiträgt, ist die Tatsache, daß es sich in erster Linie um eine deutsche Diskussion handelt, ein Großteil der Agrarpolitik allerdings auf europäischer Ebene gestaltet wird. Zwar entspricht die grundsätzliche Linie eines Umbaus der klassischen Agrarpolitik hin zu einer stärker an gesellschaftlichen Zielen wie Tier- und Umweltschutz ausgerichteten Politik auch der Tendenz der europäischen Diskussion, über die konkrete Ausgestaltung und Geschwindigkeit dieses Prozesses besteht jedoch bisher keine Einigkeit.

Als Fazit aus dieser Sachlage werden im folgenden Annahmen in bezug auf vier zentrale Elemente einer "ökologischen Agrarwende" getroffen und ihre potentiellen Auswirkungen auf Entwicklungsländer in den Kapiteln 2 bis 5 beleuchtet:

Kapitel 2:
Die Agrarwende wird voraussichtlich zu einer Verringerung der EU-Agrarproduktion verglichen mit einer Situation ohne Wende führen, weil:

  • Tier- und Umweltschutzziele teilweise mit einer intensiven landwirtschaftlichen Produktion in Konflikt stehen,

  • die bisherige die Produktion stimulierende EU-Agrarpolitik der hohen Preise und an die Produktion gekoppelten Direktzahlungen abgebaut wird,

  • der Anteil der Ökologischen Landwirtschaft, in der durchschnittlich geringere Flächenerträge und Leistungen realisiert werden, wachsen wird.

Die Verringerung der EU-Agrarproduktion wird tendenziell zu einer Erhöhung der Weltmarktpreise führen.

Kapitel 3:
Im Rahmen der Agrarwende werden sowohl Produkt- wie auch Prozeßstandards für Agrarprodukte erhöht. Hierdurch werden sich die Marktzugangsbedingungen für Produkte aus Entwicklungsländern ändern.

Kapitel 4:
Im Rahmen einer stärkeren Förderung des Ökologischen Landbaus wird auch die Nachfrage nach aus Entwicklungsländern importierten Öko-Produkten steigen.

Kapitel 5:
Es besteht die Gefahr, daß das undifferenzierte credo "regional ist die erste Wahl" die Exportmöglichkeiten von Entwicklungsländern einschränkt.

Abschließend wird in Kapitel 6 zusammenfassend der mit der Agrarwende verbundene entwicklungspolitische Handlungsbedarf formuliert.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2003

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