FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Materielle Verantwortlichkeit. Allgemeines Rechtsprinzip der DDR, demzufolge derjenige, der einem anderen einen Schaden zufügte, sei es vorsätzlich oder fahrlässig, für diesen Schaden auch materiell verantwortlich zu machen war, i.d.R. durch eine finanzielle Schadensersatzleistung. Das Prinzip entsprach in etwa der Haft- und Schadensersatzpflicht westlicher Prägung. Anwendung fand das Prinzip der m.V. im Zivilrecht, im Straßenverkehrsrecht, im Wirtschaftsrecht sowie vor allem im Arbeitsrecht.
Das Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1977 sah vor, dass Werktätige einen Schaden, den sie in einem Betrieb schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, herbeigeführt hatten, persönlich wiedergutmachen mussten. Bei festgestelltem Vorsatz lag die Wiedergutmachungspflicht in voller Höhe des Schadens, bei gerichtlich festgestellter Fährlässigkeit konnte sie bis zu drei Monatseinkommen betragen. Voraussetzung war, dass der Betrieb die Ansprüche rechtzeitig, das hieß innerhalb einer Frist von drei Monaten bis längstens zwei Jahren nach dem Schadenseintritt, bei der zuständigen Konfliktkommission bzw. bei der zuständigen Kammer für Arbeitsrecht anmeldete. Stimmten Betriebsleitung und BGL zu, konnte die festgelegte Schadensersatzleistung vom Werktätigen in Form von unentgeltlicher Arbeit erbracht werden.
F.S.