FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Aktivist. Bezeichnung für einen Arbeiter oder anderen Werktätigen, der sich bei der Arbeit durch hohe Einsatz- und Leistungsbereitschaft hervortat. Der FDGB verlieh im Rahmen seiner offiz. Auszeichnungen auch den Ehrentitel A. Um noch höhere Einzelleistungen oder herausragende Spitzenleistungen würdigen zu können, standen ihm des Weiteren die Ehrentitel Verdienter Aktivist bzw. Held der Arbeit zur Verfügung.
Schon wer sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit beispielsweise als Betriebsrat mit besonderem Engagement für den Wiederaufbau seines Betriebes und die Versorgung der Belegschaft eingesetzt hatte, wurde später als „A. der ersten Stunde“ bezeichnet. Auch ohne einen offiz. Ehrentitel und eine damit verbundene Geldzuwendung erhalten zu haben, genossen diese A. unter den Arbeitskollegen meist ein hohes persönliches Ansehen.
Den eigentlichen Auftakt zu einer breiter angelegten Aktivistenbewegung, die den Übergang zur langfristigen Wirtschaftsplanung unterstützen sollte, stellten jedoch erst die von SED, FDGB und FDJ gemeinsam einberufenen „Aktivistentagungen“ im ersten Halbjahr 1948 sowie die nach dem Vorbild des sowj. Hauers Alexej G. Stachanow (*3.1.1906-†1977) sorgfältig vorbereitete und inszenierte Sonderschicht zur fast vierfachen Überbietung der regulären Arbeitsnormen durch den Bergmann Adolf Hennecke dar. Der FDGB sorgte dafür, dass diesem Vorbild noch im Herbst 1948 zahlreiche weitere folgten. Die Motive der A., sich für die inszenierte Bewegung zur Verfügung zu stellen, waren unterschiedlich gelagert, neben simplen Parteiaufträgen oder dem Bedürfnis, die eigene Tatkraft unter Beweis zu stellen, dürften zusätzliche Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegschancen eine wichtige Rolle gespielt haben (worauf u.a. die relativ hohe Zahl von gering qualifizierten sowie jugendlichen und weiblichen A. hinweist). In den Belegschaften galten die A. anfangs nicht selten als Normbrecher und Arbeiterverräter, deren hohe Arbeitsleistungen sich gegen die eigenen „Kumpel“ richteten, da sie als Grundlage für die Anhebung der allgemeinen Arbeitsnormen dienten. A. sahen sich vielfach heftigen persönlichen Anfeindungen ausgesetzt. Auffallend war auch, dass viele A., die zugleich Gewerkschaftsfunktionäre waren, bei innerbetrieblichen Wahlen oft wesentlich schlechter abschnitten als andere Kandidaten. Auch Adolf Hennecke wurde bei den BGL-Wahlen seines Schachtes nicht wieder gewählt, stieg dafür aber bald zum Mitglied des FDGB-Landesvorstandes Sachsen sowie des BuV auf. Nicht zuletzt wegen dieser Vorbehalte gegenüber den als Vorbildern präsentierten A. wurde der ursprüngliche Ansporn zu möglichst hohen individuellen Leistungen seit Mitte der 50er Jahre durch die immer stärkere Ausrichtung des sozialist. Wettbewerbs auf kollektiv erbrachte Arbeitsleistungen abgelöst. Der FDGB verlieh in den 70er und 80er Jahren geradezu massenweise den Ehrentitel Aktivist der sozialist. Arbeit. Die frühen A. waren zu dieser Zeit meist schon lange in betriebliche Aufsichts- oder auch Leitungspositionen aufgestiegen.
F.S.