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TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 3]



Zusammenfassung


Europa ist – vor allem dank der vertieften Integration im Binnenmarkt und in der Währungsunion – hochgradig „globalisiert„, d.h. grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten sind liberalisiert und die Diskriminierungsmöglichkeiten nationaler Politik spürbar eingeschränkt. Die von Globalisierungskritikern beklagten Befunde wachsender Ungleichheit in Form von Verarmung von weniger entwickelten Ländern und weniger qualifizierten Arbeitskräften lassen sich innerhalb Europas in Form wachsender regionaler Disparitäten, stockender Aufholprozesse, hartnäckiger Massenarbeitslosigkeit und zunehmender Einkommensungleichheit beobachten. Mit der Osterweiterung drohen sie sich noch zu verschärfen. Sie sind jedoch das Resultat einer Verschränkung von Globalisierung bzw. Integration einerseits und nationalen Strukturen und Politiken andererseits. Letztere versuchen sich gern durch Verweis auf globale oder europäische Zwänge aus der Mitverantwortung für die oft unerwünschten Resultate zu stehlen.

Die Anpassung der (nationalen) Verteilung von Einkommens- und Wohlstandschancen ist immer ein hochpolitischer Prozess– erst recht in den europäischen Demokratien. Verlieren traditionelle Anpassungsmuster ihre Wirksamkeit oder Zulässigkeit, so verschärfen sich inner- und zwischenstaatliche Verteilungskonflikte und verlangen nach neuen, der Integration angemessenen, nationalen Strategien oder besseren supranationalen Politiken. Sie müssen versuchen, die Konflikte zwischen nationalen und sozialen Interessen und zwischen europäischen (globalen) Wohlfahrtsgewinnen und regionalen oder gruppenspezifischen Wohlfahrtsverlusten konsensual und demokratisch auszutarieren. Während der defekt demokratische europäische „Suprastaat„ die Bedingungen nationaler Politik verändert, untergraben deren sozial wenig akzeptable Resultate die Legitimation der europäischen Integration und eventuell sogar der (nationalen) Demokratie. Mehr Subsidiarität, Differenzierung und Flexibilisierung der Integration sowie die Demokratisierung der Institutionen der Union könnten die europäische Politik für die betroffenen gesellschaftlichen Interessen stärker öffnen und damit ihre soziale Ausgestaltung befördern.






Inhaltsverzeichnis:

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In der internationalen Debatte um die Globalisierung, ihre Wirkungen und ihre politische, ja gar demokratische Gestaltung geht ein Gespenst um: Europa. Die Europäische Union (EU) gilt vielen als ein mögliches Modell für global governance, für die Kontrolle der globalisierten Märkte. Dabei soll der potentielle Modellcharakter hier in zwei Dimensionen untersucht werden: die Gerechtigkeit und die Demokratisierung der Marktsteuerung. Anders gefragt: Wie sozial und wie demokratisch lenkt die europäische Politik die europäischen Märkte? Dabei ist die „Globalisierung„ in der EU noch perfekter, da ihr Integrationsregime nicht nur die weltweit bekannten, für die Globalisierung mitverantwortlichen Liberalisierungsschritte wie Zollabbau oder Lockerung der Kapitalverkehrskontrollen vollzogen, sondern den Einsatz einer Fülle weiterer nationaler Instrumente (Subventionen, Abwertungen, sogar bestimmte sozialpolitische Regime) eingeschränkt hat. Mit der Osterweiterung nehmen die strukturellen Unterschiede in der Union ein Ausmaß an, das schon denen der globalen Wirtschaft ähnelt.

Kritiker der Globalisierung unterstellen in der Regel, dass das Defizit an global governance bzw. seine spezifische Ausgestaltung in Form von amerikanischer Hegemonie, kapitalabhängiger Stimmgewichtung bei Weltbank und Weltwährungsfonds dazu führt, dass die globalen Märkte und die sie regelnden Regime Defizite aufweisen, die Umwelt vernachlässigen, soziale Interessen ausblenden und den Betroffenen keine Mitwirkung erlauben, wobei sich diese Mängel gegenseitig verstärken (mögen). Die EU hat mit ihrer größeren Regelungsdichte und –tiefe und politischen Institutionalisierung versucht, einige dieser Probleme zu lösen, gleichzeitig aber auch die Spielräume für nationale, regionale und lokale Lösungen und Anpassungen eingeschränkt. Der so entstandene transnationale Binnenmarkt im Euroland wirft die im Globalisierungskontext aufgeworfenen Fragen mit noch größerer Schärfe auf, ohne dass gesichert wäre, dass die intergouvernementalen und demokratischen Strukturen und Prozesse der EU die daraus resultierenden Konflikte dauerhaft regeln können. Diese Fragen zu beantworten, mag das Dilemma globaler Regelung erhellen, wenn auch bei mehr Licht die Probleme klarer hervortreten mögen als die Lösungen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2002

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