Sozialistische Mitteilungen

NEWS FOR GERMAN SOCIALISTS IN ENGLAND

Published for the information of Social Democratic
refugees from Germany who are opposing dictatorship
of any kind.


Nr. 81 - 1945

Dezember

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Aus der Rede, die Gen. Dr. Schumacher, der Vertrauensmann der SPD, in den von den Westmaechten besetzten Zonen Deutschlands, auf der Konferenz von Hannover am 5. und 6. Oktober 1945 hielt, geben wir nachstehend einige Auszuege wieder.

"Wir Sozialdemokraten sind die Vertreter Deutschlands, fuer welche die Demokratie nicht der Ausdruck der Ueberlegenheit der angelsaechsischen Waffen ist. Wenn wir Demokraten sind, dann sind wir uns selber treu geblieben. ... Gerade weil wir mit dem obersten Kriegsziel der Vereinten Nationen, der Schaffung eines Deutschlands des Friedens, uebereinstimmen, sagen wir auch eindeutig, wie wir uns den Weg zu diesem Ziel vorstellen."

"Der Kampf um die Demokratie war und ist der rote Faden in der deutschen Politik ... Die Imperialisten und Militaristen haben das besser erkannt als viele Arbeiter. Sie haben die Sorge nie verloren, dass die Demokratie das Ende ihrer sozialen und gesellschaftlichen Herrschaft bedeuten wuerde ... Sie haben gewusst, was sie taten, als sie den Abhub der Krisen und des Ersten Weltkrieges an die Macht brachten. Sie haben aber nicht die Konsequenzen erkannt und damit bewiesen, dass der deutsche Grossbesitz fuer alle Zeiten untauglich fuer die politische Herrschaft ist ..."

"Vor jedem zukuenftigen Geschehen steht die Frage:
Wie soll das deutsche Volk ueber diesen Winter gebracht werden? Wir muessen alles daran setzen, die Menschen zu retten. Denn von Deutschland ist zur Zeit nicht viel mehr uebrig als seine Menschen ...

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Heute schon sehen wir Verhaeltnisse sich entwickeln, die an die Konzentrationslager erinnern. Aber die Traegheit und Kaelte vieler Herzen moechte das ignorieren ... Wir duerfen aus den Fluechtlingen und Ausgebombten nicht die Partei der vom Leben Ausgestossenen werden lassen, denn alle Deutschen haben den Krieg verloren und nicht nur einzelne Kreise. Fuer uns gilt es, fuer das ungeschriebene sozialdemokratische Programm zu kaempfen: Hilfe fuer alle Schwachen und Elenden!"

"Die Klasse der Industriearbeiter ist im eigentlichen Sinne die Hausmacht der SPD. Sie muss als ganze Klasse um die Idee der Demokratie versammelt werden ... Entscheidende Erfolge gibt es freilich erst, wenn es von dieser Plattform aus gelingt, die mittelstaendigen Massen zu gewinnen ... Der Klassenkampf war und ist die grosse gesellschaftliche Tatsache. Diese Tatsache ist unabhaengig von unserer Anerkennung oder Negierung. Sie uebersehen, wuerde heissen, auf Erkenntnis und Klarheit zu verzichten ... Die Tatsache, dass heute viele grosskapitalistische Hintermaenner des Nazismus gefangengesetzt sind, bedeutet noch nicht, dass das kapitalistische System abgeschafft ist ... Starke Bestandteile der alten besitzenden Klassen sind noch vorhanden und neue bilden sich heraus ... Solange in Deutschland grosse Vermoegen in der Hand unverantwortlicher Privater entstehen koennen, werden sie immer wieder versuchen, ihre wirtschaftliche Macht in politischen Einfluss umzusetzen ... Gewiss ist heute die ueberwaeltigende Mehrheit des deutschen Volkes antikapitalistisch. Aber das bedeutet noch keine Bejahung des Sozialismus oder auch nur der Erkenntnis der Notwendigkeit einer planmaessig gelenkten Wirtschaft ... Es gibt zur Zeit noch keine buergerliche Gruppierung in Deutschland, die sich fuer die ungehinderte Auswertung des Privateigentums und die uneingeschraenkte Taetigkeit der Unternehmerpersoenlichkeit einsetzt ... Die einzige Partei, die sich in ihrem Aufruf uneingeschraenkt fuer diese kapitalistischen Faktoren einsetzt, ist die Kommunistische Partei ... Der Antikapitalismus vieler Deutscher ist nicht sozialistisch und fortschrittlich. Ihre Wuensche und Sehnsuechte sind nach der Vergangenheit ausgerichtet ... Wenn das Unmoegliche nicht erfuellt wird, sind sie bereit, wieder die Hilfstruppe fuer jede destruktive Tendenz abzugeben."

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"Nach manchen Stimmen aus den Siegerlaendern soll Deutschland zu einer fast voelligen Agrarisierung gedraengt werden ... Die Wirkung der Agrarisierung waere die einer oekonomischen Atombombe. Die Ausschaltung des deutschen industriellen Sektors schaedigt aber auch die Laender Westeuropas. Wenn ein solches industrielles Kraftzentrum wie das Ruhrgebiet stilliegt, dann traegt nicht nur Deutschland an den Folgen. Mit solchen Mitteln der Vernichtung des deutschen Kriegspotentials kann Europa nicht wieder aufgebaut werden ... Deutschland muss staerker als bisher Bauernland werden und kann die bisherige Verteilung des Grundeigentums nicht ertragen.

Die radikale Bodenreform ist notwendig. Freilich darf sie nicht auf dem Papier stehenbleiben oder bei tatsaechlicher Vertreibung der frueheren Eigentuemer aus Mangel an Maschinen und Hilfsmitteln eine oekonomische Schwaechung werden ... Es zeigt sich schon, dass der bedeutendste Faktor in der Landwirtschaft die Industrie ist. Ohne eine ausreichende Produktion von landwirtschaftlichen Geraeten und Maschinen sind nicht einmal die bisherigen Ergebnisse der Landwirtschaft und die Einbringung der Ernte moeglich ... Aber auch von der Industrieseite her ist es unmoeglich, dass Deutschland aufhoert, ein Industrieland zu sein. Eine unvorstellbar grosse Anzahl Deutscher waere dann zum Untergang verurteilt. ... Auch die radikalste Reparationspolitik muss uns die Grundlagen unseres Leben lassen. Auch ist es notwendig, dass wir wissen, was wir an Reparationen zu leisten haben. Eine unfixierte Schuld macht jegliche planende Wirtschaft unmoeglich."

"Der Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet die Verarmung und die Minderung des politischen Einflusses. Eine Klasse oder Partei, die zum groessten Teil aus Erwerbslosen und Wohlfahrtsunterstuetzten besteht, kann ausreichende politische Macht weder erringen noch behaupten. Die Arbeiter aber haben bis 1933 am schaerfsten gegen das Aufkommen das Nazismus gekaempft und nachher durch ihre illegale Taetigkeit die weitaus groesste Zahl der Opfer gestellt. Sie zahlen jetzt ueber ihren selbstverstaendlichen Anteil an der allgemeinen Belastung hinaus mit persoenlichen und politischen Sonderopfern. Daraus ergibt sich die menschliche und sachliche Notwendigkeit der Sozialpolitik, die unter solchen Umstaenden auf das Schwerste bedroht ist."

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"Die Immobilienbesitzer leben zum groessten Teil noch in einer Welt von Fiktionen. Sie glauben, im sicheren Eigentum zu sitzen und nur soviel abgeben zu muessen, wie sie abgeben wollen. Tatsaechlich ist aber die Entscheidung schon laengst gefallen. Ohne die gerechte Verteilung der Lasten auf die Schultern aller koennen weder Deutschland noch Stuecke von Deutschland leben ... Weil die Deutschen im Wohlergehen nicht Sozialisten werden wollten, werden sie jetzt aus Armut Sozialisten werden muessen."

"Dass angesichts solcher Verhaeltnisse manche Kreise an der Peripherie des Reiches Gelegenheit suchen, das Land im Stich zu lassen, liegt auf der Hand. Mit der einzigen Ausnahme in Sued-Schleswig, wo sich auch Sozialdemokraten zu einer Politik des nationalen Verrats um der Illusion wirtschaftlicher Vorteile willen hergaben, sind es wie nach 1918 nur Schwarz-Weiss-Rote und stramme Besitzbürger. Die deutschen Kraefte der Separation wuerden fuer den Bestand des Reiches nicht gefaehrlich werden koennen. Viel bedrohlicher ist der Umstand der Teilung der Welt, Europas und Deutschlands in politische und oekonomische Einflusssphaeren. Die groessten Schwierigkeiten liegen in dem Fehlen eines einheitlichen Generalnenners in der Politik der Vereinten Nationen gegenüber Deutschland ...

Die Tendenzen der Hegemonie sind es, die zu einer Politik der Einflusssphaeren fuehren und die Deutschland [...] zerstören koennen. Mit den Grenzziehungen, die sich im Osten abzeichnen, und mit Plaenen, wie man sie gelegentlich aus dem Westen hoert, kann Deutschland nicht neu erbaut werden. Gewiss ist z.B. eine internationale Wirtschaftskontrolle des Ruhrgebietes moeglich, bes[onders] wenn auf dieser Grundlage eine internationale und sozial ausgleichende Politik getrieben wuerde. Aber politisch und national muesste ein so konstruiertes Ruhrgebiet ein selbstverstaendlicher Bestandteil des deutschen Reiches sein ... Im Grundsatz bekennen wir uns zur Einheitspartei aller Schaffenden. Aber wir sehen auch, dass nirgends sonst in der Welt sich dieser Gedanke durchgesetzt hat ... Das hat bei uns wie in anderen Laendern seinen Grund darin, dass die Kommunistische Partei sich nicht nach den Beduerfnissen und Erkenntnissen ihres Landes richtet. Die deutschen Sozialdemokraten sind nicht britisch und nicht russisch, nicht amerikanisch und nicht franzoesisch. Wir sind die Vertreter des deutschen arbeitenden Volkes und damit d. deutschen Nation.

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Wir sind als bewusste Internationalisten bestrebt, mit allen internationalen Faktoren im Sinne des Friedens, des Ausgleichs und der Ordnung zusammenzuarbeiten. Aber wir wollen uns nicht von einem Faktor ausnutzen lassen. Im Sinne der deutschen Politik ist die Kommunistische Partei ueberfluessig. Ihr Lehrgebaeude ist zertrümmert, ihre Linie durch die Geschichte widerlegt. Nachdem ihre Hoffnung, sich als führende Arbeiterpartei entwickeln zu können, von den Tatsachen völlig unmöglich gemacht wird, muss sie nach dem grossen Blutspender suchen. Das Rezept ist die Einheitspartei, die einen Versuch darstellt, der sozialdemokratischen Partei eine kommunistische Fuehrung aufzuzwingen ... International waere jeder Schritt auf diesem Wege eine aussenpolitische Parteinahme und wuerde eine Gleichgewichtsstoerung von deutscher Seite bedeuten."

"Nicht die Demokratie ist vor 1933 am Unheil schuld gewesen, sondern die Schwaechlichkeit mancher Demokraten, vor allem aber diejenigen, die Demokraten haetten sein muessen, es aber doch nicht waren. Alles, was eine einige Arbeiterklasse haette vermeiden koennen, ist nun eingetreten. Jetzt kann man eine Einheitspartei nicht damit schaffen, dass man zur Plattform eine Geschichtsfaelschung macht, welche die notwendige Erkenntnis unmoeglich macht. [!] ... Jetzt sehen wir nur eine Moeglichkeit, jetzt gibt es als Einheitspartei des arbeitenden Volkes nur die SPD. Der Weg fuer die Massen zu dieser Partei ist eine gute sozialdemokratische Politik."

"Wenn niemand Nazi gewesen sein will, dann haben wir das eigentliche Ergebnis der Erziehung durch den Nazismus ... Wenn ueberhaupt noch etwas wunderbar in Deutschland ist, dann ist es die Tatsache, dass es nach 12 Jahren Nazismus noch soviel anstaendige und gutwillige Menschen gibt. Dieses Volk braucht den grossen Anschauungsunterricht, dass jedem Verbrechen seine Sühne folgt. Die kriminellen Naziverbrecher und die an dieser Politik Schuldigen muessen bis zur Vernichtung verfolgt werden. Aber den anderen muss geholfen werden. Sie muessen eingeordnet werden in das grosse Geschehen der Nation und der Welt. Bei der Festsetzung der Reihenfolge der Hilfe werden sie freilich hinter den Nazifeinden zuruecktreten muessen. ... Wenn wir denjenigen Nazis, die sich dessen bewusst waren, was sie taten, auch ihre persönlichen Bür-

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gerrechte belassen, die Staatsbuergerrechte koennen wir ihnen noch nicht ohne Umkehr und Bewährung geben. Auch für uns gilt der Satz, dass wir nicht da anknüpfen koennen, wo wir 1933 aufgehoert haben. Auch wir werden unser theoretisches Ruestzeug und unsere politischen Methoden ueberpruefen muessen ... Dabei haben wir eine grosse Hilfe. Alle geistigen Menschen haben in der Periode des Naziregimes ein enges und kuemmerliches Dasein gefuehrt, und jetzt koennen sie in dem ueberalterten buergerlichen Parteiensystem der Interessenvertretung keinen passenden Platz finden. Die Geistigen und die Menschen mit kulturellem Verantwortungsbewusstsein sind politisch heimatlos geworden ... Jetzt daemmert das Verstaendnis dafuer auf, dass die Sozialdemokratie die Rolle der Persoenlichkeit positiv zu werden verstanden hat.

Wir haben die Persoenlichkeit nie verneint. Sie ist der wesentliche Bestandteil der Menschenrechte, die wir vom Liberalismus uebernommen haben und die Jahrzehnte hindurch nur noch in unseren Reihen als unvergaengliche Werte empfunden worden sind. Im Kapitalismus ist die Persoenlichkeit zur blossen Fiktion geworden. Wir wollen sie real werden lassen durch die oekonomische Befreiung als Voraussetzung ihrer Entfaltung. Eine solche Partei muss viele Wohnungen fuer viele Arten von Menschen kennen. Unverzichtbar ist fuer sie nur der Wille ihrer Mitglieder, Sozialist, Demokrat und Träger der Friedensidee zu sein ..."

"Geistig und politisch handeln und leben wir aus der Vorstellung einer einheitlichen sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Die derzeitige Unmoeglichkeit, sie praktisch so zu fuehren und zu verwalten, treibt uns nicht dazu, irgendetwas zu unternehmen, das die regionale Aufspaltung verstaerken koennte. Wenn wir den Zentralausschuss in Berlin auch nur als massgebend fuer die östliche Besatzungszone ansehen koennen, so wollen auch wir fuer die westliche Zone keinen Parteivorstand etablieren. Es gibt zurzeit ueberhaupt keinen Parteivorstand der SPD auf deutschem Boden, wenn wir auch die Mandate der Persoenlichkeiten in der Emigration anerkennen ...

Wir warten auf den Tag, an dem in einem einheitlichen deutschen Reich die Vertreter aller Besatzungszonen zusammen mit den Fuehrern der Emigration den grossen deutschen Parteitag abhalten."

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"Wir wissen, mit welchen Schwierigkeiten wir selbst in der 2. Internationale zu rechnen haben. Wir ringen um die Anerkennung als deutsche Arbeiterbewegung, aber wir kommen nicht als Bittende. Wir kommen nur mit einer Forderung, und das ist die der gerechten und objektiven Pruefung der Verhaeltnisse. Die Tatsachen der letzten 12 Jahre und die Leistungen all der Maenner und Frauen, die auch auf verlorenem Posten weitergekaempft haben aus ihrer inneren Verpflichtung heraus, die sie gegenueber der Idee des Sozialismus empfanden. Vor den Tatsachen wird auch das Gespenst des "Vansittartismus" weichen muessen ... Die deutsche Arbeiterklasse braucht in ihrem opferreichen Kampfe gegen den Nazismus den Vergleich mit keiner Arbeiterklasse der Welt zu scheuen."


Am 28. Oktober sprach Dr. Schumacher in einer Kundgebung der SPD in der bis zum letzten Platz gefuellten Universitaetshalle in Kiel. In einer Rede, die den Gedankengaengen der Rede von Hannover folgte, sagte er: "Wir erheben keinen Anspruch auf Alleinherrschaft. Wir verlangen aber die Fuehrung beim Aufbau des neuen Deutschland ... Wir sassen im Konzentrationslager, als andere Voelker noch Buendnisse mit der Reichsregierung schlossen ... Die Sozialdemokratische Partei ist die Partei, die, wenn sie nicht da waere, heute erfunden werden muesste."

Unter diesem Titel hat der Zentralausschuss der SPD in Berlin den Text der dreistuendigen programmatischen Rede Otto Grotewohls vor einer SPD-Funktionärsversammlung[1] am 14. September in der Berliner "Neuen Welt" in Broschürenform herausgegeben.[2] Wir entnehmen der Rede folgende Stellen: "Was noetig ist, ist die Selbstverstaendigung über das Geschehene, ist die klare Erkenntnis von Unterlassungen und Fehlern, ist die entscheidende Erkenntnis, dass wir zu Unrecht glaubten, nicht mehr wie unter dem Dreiklassenwahlrecht in einem Klassenkrieg zu leben. Wir glaubten, auf Strategie verzichten zu koennen und mit parlamentarischer Taktik und mit Positionseroberungen im demokratischen Staat auszukommen. Notwendig ist die Erkenntnis, dass es auf unserem Weg zum Sozialismus keine proletarisierte Masse und keine kleinbürgerliche Intelli-

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genz geben darf, die wir nicht fuer uns gewinnen müssen. Notwendig ist es auch, dass wir vor den Massen da, wo uns die Schuld trifft, diese Schuld bekennen und damit die Grundlage fuer eine von Vertrauen getragene Klassenfuehrung schaffen. Notwendig ist es endlich, dass wir daraus lernen, eine Politik aufzubauen, die es wegen ihrer einfach bezwingenden Richtigkeit unmoeglich macht, dass es im Kampf der Arbeiterklasse um ihre Ziele mehr als eine grosse Partei geben kann. Wir hatten nach 1918 die Schlacht um die Sozialisierung verloren, weil die Spaltung der Arbeiterklasse ihren Sieg verhinderte. 1933 haben wir die Schlacht mit der Hochbourgeoisie um die Demokratie und den Sozialismus verloren, weil wir schwere Fehler gemacht hatten."

"Wenn wir als organisierte Arbeiterklasse an dem Drama von 1933 manche Schuld tragen, der Schuldanteil muss geklaert und deutlich umrissen werden, den die deutsche Arbeiterklasse an den Taten des Hitlersystems und am Zweiten Weltkrieg auf sich zu nehmen hat. Wenn Vereinsfreiheit, Pressefreiheit, Hör- und Diskussionsfreiheit, Koalitionsrecht und Streikrecht fallen, sodass die Parole lautet: Entweder hungern und sterben oder arbeiten und schweigen, so ist eine Revolution unmöglich ... Eine Befreiung von Hitler und von der mit ihm in den Krieg gestolperten und gesunkenen Hochbourgeoisie konnte nicht von innen, sie konnte nur von aussen kommen. Sie waere auch 1944 im Juli nur von aussen gekommen, wenn sie geglückt wäre ...

Ehre und Ruhm den Männern vom 20. Juli, ob sie dem Grossen Generalstab und dem Adel, der buergerlichen Intelligenz oder verantwortungsbereiten Wirtschafts- und Beamtenkreisen, der Arbeiterklasse angehoerten oder Einzelrevolutionäre waren ... Die deutsche Grossindustrie und die NSDAP sind schlechthin schuldig am Kriege. Das Deutsche Reich als Staat und das deutsche Volk als Staatsbevoelkerung mögen für verantwortlich erklärt werden. Das ist das Recht des Siegers. Auch Reparationen sind das Recht des Siegers. Grosse Teile der Arbeiterklasse nahmen die Demokratie aus den Haenden der Sieger entgegen, erfuellten freudig ihre Pflicht und begrüssten die Sieger auch als ihre Befreier. ..."

"Was bringen uns die Potsdamer Beschluesse? Sie legen uns die Rechnung vor fuer die von Hitler geschaffene Verwuestung. Sie zeigen uns aber auch gleichzeitig, welch ungeheuerlich verzerrtes Bild die Goebbelsche Propaganda-

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maschine ueber den angeblich voelligen Vernichtungswillen der Alliierten dem deutschen Volk vorgesetzt hat. So schwer auch die Beschluesse von Potsdam auf dem deutschen Volke lasten moegen, so schwer auch die Erkenntnis der Lage sein mag, sie zeigt doch, dass uns vieles erspart blieb, womit bei einer hochgradigen Vergeltungspolitik der Alliierten angesichts der ungeheuren Zerstoerungen und Verbrechen, die Hitler zu verantworten hat, zu rechnen gewesen wäre. Deutschland wird nicht vernichtet, sondern erhaelt die Moeglichkeit zu neuem Aufbau und neuem Leben."

"Mit grosser Sorge erfuellt uns das grausige Elend und die Not der aus den oestlichen Gebieten kommenden Deutschen, deren Zahl die Hunderttausende ueberschreitet: Maenner, Frauen und Kinder. Nach den Kundgebungen der Staatsoberhäupter und der verantwortlichen Aemter sind diese bemueht, solche furchtbaren Haerten fuer die Zukunft abzustellen. Es muss alles daran gesetzt werden, dass die ausfuehrenden Organe die Weisungen von Potsdam auch sinngemaess und human durchfuehren. Der tragische Zug der Fluechtlinge ins Nichts verlangt nicht nur unser ganzes menschliches Mitleid und Mitgefuehl, sondern unsere tatkraeftige Hilfe. Vor uns steht unsere Forderung aus unserem programmatischen Aufruf nach Erfassung des Grossgrundbesitzes. Sie ist erfuellt. Eine jahrzehntealte Forderung der Bauern, Landarbeiter, Siedler, politischen Parteien und Bodenreformer ist vollzogen worden und bereitet eine tiefgreifende politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Umwaelzung vor. Eine der tiefreichendsten Wurzeln des Militarismus und Faschismus ist ausgerissen ..."

"Der Wiederaufbau Deutschlands ist nicht moeglich ohne einen grosszuegigen und sorgfaeltigen Plan zum Wiederaufbau und ohne die genaue und wirtschaftliche Durchfuehrung dieses Plans. Es muss der Mindestbedarf der Bevoelkerung in Stadt und Land an Verbrauchsguetern des taeglichen Bedarfs von der Zahnbuerste bis zum Toilettenpapier festgestellt werden, der festgestellte Rohstoffbedarf auf die Fabriken und Maschinen aufgeteilt, der Rohstoff beschafft und das fertige Produkt nach einem bestimmten Bedarfsschluessel an die Verbraucher verkauft werden. Es muessen neue Finanzquellen fuer Staat und Kommunen und fuer den Kapitalbedarf der Industrie, der Bauwirtschaft

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und der Landwirtschaft erschlossen und nach Massgabe des sparsamsten oeffentlichen Bedarfs und der in Auftrag gegebenen Produktion verteilt und in der Verwendung kontrolliert werden. Im gleichen Umfang muessen Eisenbahnen, Kraftverkehr und Schiffahrt mit fehlendem Geld versehen und in Betrieb genommen und volle Sicherheit der Strassen und des Schienenstranges geschaffen werden ...

Das wird eine Planung und ein Aufbau von vier, fünf, sechs Jahren und mehr sein. In diesen Jahren muss das flache Land als Rangierbahnhof fuer die noch arbeitslos Bleibenden in den Staedten dienen. Sie muessen dort Unterkunft, Nahrung und Beschaeftigung finden, bis das Kapital zu ihrer Beschaeftigung in neuen Industrien erarbeitet ist. Viele Hunderttausende von Familien muessen fuer alle Zeit aufs Land zurueck. Mit viel Geld und noch mehr Sorgfalt muessen lebensfaehige Siedlungen errichtet und Siedler geschult werden. Bauern und Siedler muessen neues Land aus den unter Sicherung der Wirtschaftlichkeit aufgeteilten Grossguetern erhalten."

"Wer schuldig und mitschuldig ist an der furchtbaren Hinterlassenschaft des Dritten Reiches und wer Glueck gehabt hat in diesem Meer von Unglueck, muss dem schuldlos ungluecklich Gewordenen helfen und mithaften mit allem, was sein ist. Wo die Not gross ist, muss die Gerechtigkeit nahe sein."

"Bei allen diesen Fragen halten wir die aktivere Einschaltung der Gewerkschaften fuer unerlaesslich ... Da die freien Gewerkschaften nach ihrem Aufruf an die Arbeiter Berlins ihr Ziel vor allem auch im Kampf fuer die voellige Vernichtung des Faschismus erblicken und mithelfen wollen bei der Neugeburt unseres Volkes, sehen wir in ihnen Organisationen, mit denen wir uns kameradschaftlich eng verbunden fuehlen ... Es bedarf einer grossen politischen Erziehungsarbeit auch in den Gewerkschaften, um die Adern der deutschen Arbeiterbewegung wieder mit gesundem Blut zu fuellen und sie von der faschistischen Pest so zu säubern, dass sie wieder faehig wird, sich der internationalen Arbeiterbewegung anzuschliessen."

"Durch die Beschluesse von Potsdam ist der Einfluss der Schwerindustrie gebrochen ... Der Aufbau der Wirtschaft ist eine nationale Sorge und Aufgabe geworden. Das Problem muss gruendlich und schwungvoll, frei von allen buerokratischen Belastungen angefasst werden. Wir brauchen keine

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umfangreichen Untersuchungen ueber Sozialisierungsmassnahmen. Experimente sind schon darum im gegenwärtigen Augenblick unklug, weil wir nichts zu sozialisieren haben. Uns ist nichts geblieben als unsere Arbeitskraft, die allerdings unseren hoechsten Wert und Einsatz darstellt. Es darf daher nicht zugelassen werden, dass ueber diesen kostbaren Besitz der wieder eingeschmuggelte faschistische Arbeitgeber der Vergangenheit entscheidet.

Der Einfluss der Arbeiterschaft innerhalb der Betriebe muss schnellstens entscheidendes Gewicht erlangen. Er kann in Zukunft seinen Ausdruck nicht nur in der Lohntüte finden, sondern die gewerkschaftlichen Organe muessen tief hinabreichen bis in die letzten Wurzeln des Betriebs und des Arbeitsprozesses ... Wenn die Bodenreform eine Wurzel des Faschismus beseitigte, so ist die Reinigung der Betriebe von faschistischer Leitung die zweite."

"Wir muessen auch alle geistigen Kreise und Kraefte fuer den wirtschaftlichen Neubau Deutschlands gewinnen ... Die Wissenschaft muss endlich ihren Standort in der Staatsgesellschaft beziehen, um ihre politischen Aufgaben am Wohl der Gemeinschaft wirklich zu erfuellen. Wenn heute ein neues Geschichtsbild fuer dieses irregeführte Volk zu schaffen ist, das in die Gemeinschaft der Voelker zurückfuehrt, so muss sich die Wissenschaft auf ihre Pflichten besinnen ... Wir haben jetzt eine neue Wirtschaft und einen neuen Staat zu bauen. Wir fordern von den wissenschaftlich vorgebildeten Menschen in Deutschland, dass sie dabei mitarbeiten. Vor solche Aufgaben war in der Wirtschaftsgeschichte noch kein Volk gestellt. Sie sind ohne die Wissenschaft nicht zu loesen ..."

"Alle Wirtschaftsformen - freie, gemischtwirtschaftliche, oeffentliche und sozialistische - muessen Anwendung finden, wo sie zur Erreichung der gesteckten Ziele geeignet sind. Unter gewerkschaftlicher Mitarbeit muessen zentrale Wirtschaftsverbaende und regionale Wirtschaftsorgane am rechten Platz der Ausfuehrung fest bestimmter Planungsauftraege dienstbar gemacht werden. Privaten, beruflichen oder politischen Sonder- und Standesinteressen kann dabei kein Spielraum gelassen werden. Der Glaube an Deutschland wird je eher in die Welt zurueckkehren, je mehr sie sieht, dass das ganze deutsche Volk geschlossen in der Aufbauarbeit steht."

"Der Ausgangspunkt ist, Deutschland als ein Ganzes zu

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behandeln ... Wer in dieser Situation innerhalb Deutschlands separatistische Gedankengaenge vertritt und sie zu verwirklichen trachtet, ist ein politischer Totengräber. Es handelt sich im gegenwärtigen Augenblick fuer uns auch nicht darum, jetzt eine Entscheidung zwischen dem Osten und Westen zu suchen ... Es geht im Augenblick nicht um Ost- und Westorientierung, weil wir Vorsorge fuer die nackte Lebenssicherung treffen muessen. Wir koennen aus eigener Kraft die Not dieses Winters nicht bannen und müssen uns darum an alle Voelker der Welt wenden mit der Bitte, uns zu helfen ... Unsere Aufgabe besteht darin, ein gutes und reibungsloses Verhaeltnis zu allen Besatzungsmächten herbeizufuehren und ihnen zu beweisen, dass das deutsche Volk gewillt und entschlossen ist, die ihm ueberlassenen Aufgaben loyal und tatkraeftig zu erfuellen ... Es ist selbstverständlich, dass wir diese Arbeit mit allen antifaschist[isch]-demokr[atischen] Parteien gemeinsam leisten."

"Ein vollkommener Bruch mit der Vergangenheit ist unerlaesslich. Lehrplaene und Lehrmethoden, Lehrbuecher und Lehrmittel beduerfen einer Umgestaltung, damit die Erziehung in Deutschland im Geiste der Demokratie und Freiheit, im Geiste der Verachtung des Militarismus und der Knechtseligkeit aus eigenem Verlangen von innen stroemt ... Angesichts der Groesse und Schwere dieser Aufgabe bedauern wir es ausserordentlich, dass auf der Bischofskonferenz in Fulda[3] kirchliche Kreise soweit gingen, in diesem Augenblick die Konfessionsschule, die geistliche Schulaufsicht sowie die Kontrolle ueber die Lehrerbildung und Schulbuecher durch die Kirche zu fordern ... Demgegenueber betont die Sozialdemokratie ihre alte bekannte Haltung einer klaren Trennung von Staat und Kirche ... Wir treten fuer unbedingte Glaubens- und Gewissensfreiheit ein und werden den Grundsatz religiöser Toleranz nicht antasten lassen."

"Wahre Vaterlandsliebe steht durchaus im Einklang mit rueckhaltloser internationaler Zusammenarbeit im Interesse des Weltfriedens und der Weltsicherheit. Wahre Vaterlandsliebe ist etwas vollkommen anderes als jener geistlose, hetzerische Nationalismus, der in Deutschland schon gang und gaebe war, bevor der Nationalsozialismus erschien. International denken heisst nicht anti-national denken, sondern über-national ...

Die Kommunistische Partei von heute ist ebenso die von 1933, wie die SPD dieselbe ist. Beide Parteien haben einge-

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sehen, dass sie praktisch zusammenarbeiten muessen und es ohne ihre Mitarbeit im neuen antifaschistisch-demokratischen Volksstaat nicht geht. Die gesellschaftliche Entwicklung laesst keinen Raum mehr fuer eine gespaltene Arbeiterklasse. Der Ausdruck dieser Erkenntnis liegt in der Vereinbarung des Zentralkomitees der KPD und des Zentralausschusses der SPD vom 19. Juni 1945.[4] Die Vertreter beider Parteien druecken darin ihren festen Willen aus, alles zu tun, um auf dem Wege guter Zusammenarbeit in allen Fragen des antifaschistischen Kampfes und des Wiederaufbaus die Voraussetzungen fuer die politische Einheit des werktaetigen Volkes zu schaffen. Wer diese Voraussetzungen einer gewissenhaften Prüfung unterzieht, wird mit mir zu dem Schluss kommen, dass sie für eine organisatorische Vereinigung noch nicht erfüllt sind ... Wir verkennen die Schwierigkeiten nicht, die unsere Freunde aus dem Zentralkomitee der KPD haben, um den letzten Mann und die letzte Frau davon zu überzeugen, dass die Erkenntnis von der Anwendung der Demokratie eine geschichtliche Notwendigkeit geworden ist. In diesem Punkte haben wir es mit unseren Anhaengern leichter. Die Schwierigkeit fuer uns liegt in der Tatsache, dass wir unsere Anhaenger von dem Zweifel in die ehrliche Ueberzeugung der kommunistischen neuen Orientierung befreien muessen. Wer aufmerksam und mit Verantwortung sein Ohr auf das Herz der Organisation legt, wird hoeren, dass noch manche unreine Schlaege da sind. Den kommunistischen Arbeitern muss rueckhaltlos gesagt werden, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit nur moeglich ist, wenn sie sich grundsaetzlich daran gewoehnen, im sozialdemokratischen Kameraden nicht mehr den Verräter zu sehen ... Es kann nicht angehen, dass in den letzten Ausläufern der Organisationen und in den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften oft unter voelliger Ausserachtlassung des Grundsatzes demokratischer Paritaet der Versuch gemacht wird, sich gegenseitig den Rang abzulaufen. Wenn schon ein Wettbewerb stattfinden soll, dann darf es nur der Wettbewerb um die hoehere und bessere sachliche Leistung sein ... Die organisatorische Vereinigung der deutschen Arbeiterbewegung und die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft sind unser unverrueckbares Ziel."

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"Die erste Stufe zur politischen Einheit muss nach der Errichtung politischer Parteien in den westlichen Gebieten in der Schaffung einer einheitlichen Sozialdemokratischen Partei fuer Gesamtdeutschland liegen ... Wir Berliner sehen in uns lediglich die Treuhänder und Sachwalter solange, bis andere und bessere Genossen berufen werden, unsere Plaetze einzunehmen ... Wichtig ist nur, dass die deutsche Arbeiterklasse durch ihre einheitliche Sozialdemokratische Partei sich einen Sprecher schaffen muss, der berechtigt und berufen ist, im Namen der gesamten deutschen Arbeiterklasse und des gesamten deutschen Volkes mit den Alliierten und damit mit der Welt wieder einmal zu reden."

"Es war die deutsche Arbeiterklasse, die das liberale Erbe der im Jahre 1848 vom deutschen Buergertum verfehlten Revolution gegen die feudalen Gewalten aufnahm und die Herrschaft des zivilen Staates ueber das Heer ebenso forderte, wie ihr ganzer politischer Kampf der Beseitigung der junkerlichen Vorherrschaft und des Militarismus in Deutschland gewidmet war. Es war[en] auch die Welt des Sozialismus und die Massen der politischen und gewerkschaftlich geschulten deutschen Arbeiterklasse, die Hitler als Verhaengnis Deutschlands erkannten und in unbeugsamen inneren Widerspruch den Nationalsozialismus die Gefolgschaft versagten.

Wenn heute ein neuer Staat in Deutschland aufzubauen ist, so ist die deutsche Arbeiterklasse und in ihr die SPD zuerst dazu berufen, diesen neuen Staat zu errichten. Der Liberalismus des Westens und der Sozialismus sind aus der Bankrottmasse dieses Zweiten Weltkrieges als lebensfaehig hervorgegangen. Wir werden das Bildungsgut des Westens und auch des Ostens darauf pruefen muessen, wie wir den Anschluss an jene Welt herstellen, die ihre Lebensfaehigkeit erwiesen hat. Wir sind darum nicht bange, dass uns der Neubau eines deutschen Staates gelingen wird. Und wenn auch das deutsche Volk durch seine eigene Schuld nie wieder ein Reich mit dem früheren so illusionären Glanz werden wird, es wird eine neue Freiheit und die Achtung im Kreis der Völker wieder finden.

Auf diesem Wege kann, will und wird die Sozialdemokratische Partei Deutschlands das deutsche Volk fuehren."

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Die angesehene Londoner Wochenzeitung "Economist" brachte am 13. Oktober einen Artikel mit der Ueberschrift "German Politics", in dem die grundlegenden Probleme der gegenwaertigen alliierten Politik im besetzten Deutschland kritisch dargestellt wurden. Ausgehend von der Feststellung, dass die Potsdamer Aufforderung[5] an Polen und Tschechen, der Austreibung Deutscher aus ihren Gebieten Einhalt zu gebieten, offenbar wenig Erfolg gehabt habe, erklaert der Artikelschreiber:

"Die erste Aufgabe jeder Politik fuer Deutschland ist es, die Russen, Tschechen und Polen zu ueberreden, mit den Austreibungen aufzuhoeren. Aber selbst wenn das erreicht wird, bleibt in Deutschland noch immer ein akutes Problem uneinheitlicher Politik bestehen ... Hinter allen Einigungsversuchen oder oberflaechlichen Vereinbarungen steht die Tatsache, dass die russische, amerikanische und britische Haltung gegenueber Deutschland nicht die gleiche ist ... Die Russen haben anscheinend nicht die Absicht, ihre Armeen sehr lange in Deutschland zu behalten, weil ihr eigener Wiederaufbau dringende Anforderungen stellt. Sie wollen sich sobald wie moeglich zurueckziehen. Um das zu koennen, wollen sie Deutschland drastisch schwaechen, Deutschland so kraftlos machen, dass die Wiederbelebung seiner Kriegsmacht unmoeglich ist. Sie koennen argumentieren, dass die Deutschen sich erholen koennen, wenn industrieller oder auch landwirtschaftlicher Reichtum uebrig bleibt. Dieser Reichtum muss deshalb zerstoert werden. Die Russische Zone ist ausgeräumt worden, gleichzeitig hat die Bodenreform die deutsche Landwirtschaft in das Kleinfeldersystem des Mittelalters zurueckversetzt, und schliesslich hat man die Flüchtlingsströme hineingesandt ... Die Einsetzung einer deutschen Verwaltung ist in der russischen Zone weitergegangen als irgendwo sonst. Es gibt dort nicht nur örtliche und Staatsverwaltungen. Es gibt eine Zentralregierung mit allen Abteilungen, die aus 5 Kommunisten, 5 Sozialdemokraten, 2 Christlich[en] Demokraten und 2 Parteilosen besteht. Diese zentralen und lokalen Verwaltungen sind tatsaechlich eine Art Beamtenschaft, ausgebildetes deutsches Personal, mittels dessen die Russen handeln können und von dem sie Gehorsam erwarten. Folglich dominieren die Kommunisten ...

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Dreifach geschuetzt - durch Zerstoerung der Produktionsmittel, durch gesellschaftliche Veraenderungen und durch Einsetzung einer gefügigen Verwaltung - mögen die Russen das Gefühl haben, dass sie sich zurückziehen können.

Bisher haben die Amerikaner anscheinend einige Punkte des russischen Programms übernommen. Sie haben eine Anzahl Fabriken geschlossen oder zerstört. Jedenfalls sind weniger als 10 Prozent der Industriebetriebe in der amerikanischen Zone in Betrieb. Dauernde Abmontierungen[6] sind im Gange. Die Amerikaner versuchen, bis nächsten Monat die gesamte örtliche Verwaltung in deutsche Hände zu bringen und haben vier verschiedene Staatsregierungen[7] eingesetzt ... Vielleicht besteht kein bestimmter Beschluss zugunsten baldigen Abzugs, aber es herrscht Abneigung dagegen, ein sehr langes Verbleiben in Betracht zu ziehen. Der grundlegende Unterschied zwischen der Russischen und Amerikanischen Zone ist der, dass die Amerikaner keine gesellschaftlichen Aenderungen ins Werk setzen, sich bisher auf katholische und konservative Elemente gestützt haben und in der 'Denazifizierung'[8] nicht gründlich gewesen sind ...

Die Britische Zone wiederum unterscheidet sich von der Russischen und Amerikanischen. Hier hat keine weitere Zerstoerung stattgefunden. Im Gegenteil, die Briten haben eine Art 'Neuer Ökonomischer Politik' befolgt, die einfach dazu bestimmt ist, die Wirtschaft irgendwie in Gang zu bringen und einige Waren herstellen zu lassen, um eine Katastrophe in diesem Winter abzuwenden. Der Aufbau einer deutschen Verwaltung ist nicht so weit fortgeschritten wie in den anderen Zonen. Wenig oder gar keine 'De-Nazifizierung' hat stattgefunden. Sozialreform oder auch nur soziale Zielsetzung - ueber das Ziel, Fabriken in Gang zu bringen, hinaus - fehlen gleichfalls. Soweit die Briten von deutschen Verwaltungsbeamten Gebrauch gemacht haben, haben sie ebenso wie die Amerikaner dahin [!] geneigt, sie unter katholischen Rechtskreisen zu suchen."

Der Artikel beschäftigt sich dann mit den Erfordernissen der britischen Politik in Deutschland. Die Briten, so heisst es, können den Grundsatz nicht annehmen, den die amerikanische und russische Politik gemeinsam haben: "Zerstörung, Pastoralisierung[9], geplanter Ruin". Erstens würde das dem menschlichen Empfinden derer widersprechen,

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die diese Politik zu vollstrecken haetten, und zweitens haengt England, im Unterschied zu Russland und Amerika, von einer prosperierenden europaeischen Wirtschaft ab und wird selbst unter der Balkanisierung Mitteleuropas leiden. Die von den Russen bewerkstelligten gesellschaftlichen Veraenderungen oestlich der Elbe werden sich jedoch nicht rueckgaengig machen lassen. Das bedeutet zwar nicht, dass Deutschland unbedingt geteilt bleiben muss, denn auch das alte Reich zerfiel in ein junkerliches Ostelbien und einen liberal-kapitalistischen Westen, aber es bedeutet, dass "ein Kampf um die Seele Deutschlands beginnen wird, ein Kampf, in den die Zukunft der westlichen Demokratie und des europäischen Friedens unlösbar verwickelt ist".

Der Artikel erwaehnt dann die Einrichtung eines Londoner Zentralamtes fuer die britischen Elemente der Kontrollkommission fuer Deutschland und Oesterreich unter dem Kabinettsmitglied Mr. Hynd[10], bemaengelt aber, dass Hynd der Autorität der Kriegsministers unterstellt ist, als ob Politik in Deutschland noch immer eine militärische Operation wäre. Die britische Politik in Deutschland, so heisst es, ist "nur Taktik und keine Strategie". "Die Briten teilen die russischen Illusionen nicht, dass Demokratie aus verzweifelter Armut erwachsen kann, und sie koennen es sich auch nicht leisten, die amerikanische Ansicht zu teilen, dass Armut in Europa keine Rolle spielt. Aber sie gehen an ihre Aufgabe des Wiederaufbaus heran, als haetten sie die ganze Ewigkeit zur Verfuegung ..." Das Belassen von Nazis in Schluesselstellungen und die Rekrutierung von Verwaltungsbeamten unter den Konservativen liessen sich nur als kurzfristige Uebergangsmassnahmen rechtfertigen. Aber die Zeit draengt. Bald wird man den britischen Verwaltungsapparat drastisch abbauen muessen, und die Demobilisierung wird zum Abzug von Offizieren und Truppen fuehren. Wenn sich die Russen und Amerikaner zurueckziehen, werden auch die Briten folgen muessen. "Wenn diese Zeit kommt, muss eine deutsche Verwaltung da sein, zu der die Briten Vertrauen haben koennen und die bereit ist, die Regierungsverantwortung zu uebernehmen ..."

Die Gefahr bestehe, dass man eine teilweise wiederhergestellte Ruhrindustrie in den Haenden von Maennern lasse, die bereit waren, fuer Hitler zu arbeiten und es auch für

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seinen Nachfolger tun wuerden, und der Druck, der vom sozialisierten Deutschland oestlich der Elbe ausgeht, wuerde so stark sein, dass Linksradikale die Konservativen hinwegfegen und ein totalitaeres Regierungssystem bis zu den Rheinufern ausdehnen wuerden.

"Es gibt", so heisst es in dem Artikel weiter, "eine Alternative zu Englands gegenwaertiger Politik, eine Alternative, die man mit einer Labour-Regierung in England verfolgen kann. Im Osten und Westen Deutschlands sind die Sozialdemokraten potentiell die staerkste Partei ... In Ostdeutschland versetzt das Ausmass der Zerstoerung und des Durcheinanders die Partei des gemaessigten Sozialismus in eine aeusserst unvorteilhafte Lage. Aber in der Britischen Zone ist Wiederaufbau bereits die angenommene Politik und gibt einer Partei der demokratischen Linken Spielraum und wirkliche Aussichten. Wenn die Briten in ihrer Zone zu ihrer gesunden Wirtschaftspolitik eine reifere politische Politik fuegen wuerden und wenn sie sich entschlössen, die Kraefte der Sozialdemokratie sofort und bewusst zu unterstuetzen, indem sie die von den deutschen Sozialisten geforderten Reformen durchfuehren, und sie benuetzen, um eine entschlossene Kampagne der "De-Nazifizierung" durchzufuehren, dann koennte man in ein paar Jahren die britischen Besatzungstruppen auf eine Handvoll herabsetzen oder auch ganz abziehen, ohne die gleich grossen und gegensaetzlichen Gefahren zu riskieren, dass man entweder ein Deutschland der Industrialisten und Konservativen zurücklässt, das zur Rache bereit ist, oder den Linksradikalismus geradezu einlädt, nach Westen zu fluten und alle Hoffnung auf eine demokratische Regierung zu vernichten. Im Gegenteil, ein Gebiet wirtschaftlicher Wiederbelebung, das nach demokratisch-sozialistischen Richtlinien regiert wird, wuerde auf das uebrige Deutschland eine solche Anziehungskraft ausueben, dass die Sozialdemokraten oestlich der Elbe neuen Mut und neue Kraft schöpfen könnten und den Kampf für [eine] demokratische Regierung in ganz Deutschland aufnehmen wuerden."





[Spendenaufruf]


Wer für Jahr 1946 unsere news letters und die Vervielfältigungen der Londoner SPD erhalten will, wird gebeten, einen Unkostenbeitrag einzusenden an:
Wilhelm Sander, London N.W.7., 33 Fernside Ave.

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Der Londoner "Weltjugendkongress", auf kommunistische Initiative zustandegekommen, aber von verschiedenen Ländern mit wirklich überparteilichen Delegationen beschickt, hat gezeigt, dass es die Absicht der Kommunisten ist, in jedem Lande fuer den Aufbau einer einzigen, überparteilichen Jugendorganisation einzutreten, in der sie entscheidenden Einfluss zu gewinnen hoffen.

Der Gedanke, dass andere Laender nur eine einzige Jugendorganisation haben sollten, ebenso wie Russland, wurde auf dem Kongress von dem Führer des russischen Kommunistischen Jugendverbandes, Michailow[11], offen vertreten. In der Tschechoslowakei ist der Plan bereits durchgeführt; im russisch besetzten Deutschland ist das Monopol der behördlich aufgebauten Jugendorganisation durch Verordnung Marschall Schukows[12] verankert. In Österreich machte der Kommunistische Unterrichtsminister Ernst Fischer[13] denselben Versuch des Aufbaus einer Staatsjugend mit der "Freien Österreichischen Jugend", musste aber später die Bildung sozialistischer und katholischer Jugendorganisationen zulassen. Die "FÖJ" ist jetzt klar kommunistisch, aber bei ihren Veranstaltungen marschieren noch immer ganze Schulklassen auf offiziellen Befehl auf.

Die sozialistischen Delegierten auf dem Weltjugendkongress - aus neun Ländern - haben es klar gemacht, dass sie mit dem Gedanken der "einzigen Jugendorganisation" nicht einverstanden sind, da sozialistische Erziehung nur in eigenen Organisationen unter eigener Flagge möglich ist. Der polnische sozialistische Delegierte R. Obronczka[14], der auch Fraktionsführer der polnischen Sozialisten im Nationalrat und stellvertretender Parteisekretär ist, wandte sich gegen Michailows Vorschlag im Namen aller nichtkommunistischen Mitglieder der polnischen Delegation. - Die Dringlichkeit der
Wiederbelegung der Sozialistischen Jugend-Internationale ist durch diese Ereignisse unterstrichen worden. Zwei getrennte Initiativen in dieser Richtung waren bereits vor dem Londoner Kongress im Gange - ein Rundschreiben des letzten Büros der Jugend-Internationale, gemeinsam verfasst vom Vorsitzenden Thorsten Nilsson[15] (Schweden) und vom Sekretär, Erich Ollenhauer, und eine Pariser Besprechung von Vertretern versch[iedener] sozialistischer Jugend-

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verbände, einberufen vom französischen Jugendsekretär Alexandre[16]. Die Vertreter, die an der Pariser Besprechung teilnahmen - Franzosen, Belgier, Österreicher, Spanier und Palästinenser - beschlossen, nicht zum Weltjugendkongress zu gehen. Die sozialistischen Delegierten, die nach London kamen - aus Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Holland, Italien, Polen, Bulgarien und Rumänien - hatten zwei Sonderbesprechungen mit den in London lebenden Mitgliedern des letzten Büros der Jugend-Internationale - Ollenhauer und Lucian Blit[17] (Jüdische Arbeiterpartei "Bund" in Polen). In Anwesenheit aller sozialistischer Delegierten mit Ausnahme der Rumänen wurde einstimmig vereinbart, dass die beiden Initiativen zum Wiederaufbau der Jugend-Internationale kombiniert werden sollen. Eine gemeinsame Einladung von Nilsson und Alexandre zu einem Kongress in Paris im Februar oder März 1946 ist vorgesehen, an dem die Teilnahme von Vertretern von 13 Ländern somit bereits gesichert ist. Dieser Kongress wird auch über eine künftige gemeinsame Haltung zu dem vom Londoner Weltkongress eingesetzten "Weltjugendrat" entscheiden.

Die Bezirksparteikonferenz Nordwest am 4. November (Leiter Senator Theil[18] ) wählte Kaisen[19] zum Vorsitzenden, van Heukelum[20], Wesermünde, zum 2. Vors[itzenden] und 14 weitere, von den Unterbez[irken] zu bestimmende Mitgl[ieder] in den provisorischen Vorstand. Die SPD für den Freistaat Sachsen wählte in den engeren Landesvorstand die Gen. Arno Hennig[21] (früher Freital), Gerhard Förster[22] (ehemaliger Stadtrat in Dresden), Paul Gärtner[23] (früher Cotta) und in den geschäftsf[ührenden] Vorstand die Gen. Buchwitz (fr[üher] Görlitz), Arno Haufe[24] (ehemaliger Gauleiter des Reichsbanners Dresden), Walter Leipart[25], Clemens Dölitzsch[26] (fr[üher] Sozialdem[okratischer] Stadtverordneten-Vorsteher in Dresden), Felix Kaden[27] (fr[üher] Bautzen) und Albert Meier[28]. In Berlin wurden die Genossinnen Käthe Kern[29] (fr[üher] Frauensekretärin) und Annedore Leber[30] (Witwe von Jul[ius] Leber) zu Frauensekretärinnen des Zentralausschusses in Berlin bestimmt. Friedrich Ebert[31] (Sohn des ersten Reichspräsidenten) ist Redakteur der SPD-Zeitung "Märker"[32] für die Provinz Brandenburg. Gen. Rudolf Friedrichs[33], Landespräs[ident] von Sachsen, wurde Ehrendoktor in Jena. 1.000 Gen. waren in Lüneburg bei der Gründungsfeier der SPD anwesend.

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Auf dem Bezirksparteitag Halle-Merseburg wurde der bisherige Bez[irks]-Vorst[and] einstimmig wiedergewählt. Er besteht aus den Gen. Oelschläger[34], Boettge[35], Peters[36], Paul Schmidt[37] und Dr. Kuntze[38]. BBC teilte am 5. Nov. mit, dass im Gebiet Hannover der ISK und die SAP der SPD beigetreten sind. Die SPD in Wiesbaden wählte auf einer von 100 Delegierten besuchten Konferenz Joh. Maass[39] z. Vorsitz[en]d[e]n, Gg. Stieglitz[40] zum st[ell]v[ertretenden] Vors[itzenden] und Gg. Buch[41] z. Kassierer.

Der erste Bezirksparteitag in Brandenburg fand am 4. Nov. statt. Fr. Ebert hielt das Hauptreferat. Die Partei zählt 32.000 Mitglieder (1933 waren es 36.000, in der damals um 8 Kreise grösseren Provinz). In den Bez[irks] Vorstand wurden gewählt: Gg. Spiegel als Vors[itzender], Otto Schwarz[42] als st[ell]v[ertretender] Vors[itzender], Friedr. Ebert und Rich. Kueter[43] als Sekretäre.

Im Landesvorstand der SPD Nord-Rheinprovinz sitzen: Goerlinger, Stoewer[44], Reifferscheidt[45] und Bucholz[46], im Bezirksvorstand der SPD Provinz Sachsen-Anhalt: Reinh. Bormann[47], Alb. Deutel[48], Otto Paul[49] und Walter Weigelt[50]. Gesch[äfts] Führer der Landesl[ei]t[un]g Mecklenburg-Vorpommern d. SPD ist Herm. Lüdemann[51], in Augsburg wird die SPD geleitet von Aug. Ulrich[52], Karl Werntaler[53], Val. Baur[54] u. Jos. Felder[55].

ARBEITER - WOHLFAHRT

Leiter der AW im Reg[ierungs] Bez[irk] Minden und Lippe ist Carl Schreck[56], mit d. Organisierung der AW-Arbeit wurde Minna Sattler[57] beauftr[agt], Leiter der AW in Freiburg wurde Fr. Zaehringer[58]. Die AW in London hat ihre erste grosse Kleidersammlung für die AW Hamburg abgeschlossen. Die AW Hamburg wird die Verteilung an die AWA in der Britischen Zone vornehmen. In Portugal hat sich eine Gruppe der Freunde der AW gebildet. Das verdienstvolle "Schweizerische Arbeiterhilfswerk" unter der Leitung der Gen. Kaegi-Fuchsbaum[59] plant als Hilfe fuer deutsche Sozialisten die Einrichtung von Kinderheimen und Sozialen Zentren in Deutschland.

Dieser Forderung gaben 2 von Victor Gollancz am 26. Nov. tagenden Kundgebungen einen wirkungsvollen Auftrieb. Die mehr als 6.000 Personen fassende Albert Hall war so gefüllt, dass auch die Holy Trinity Church verwendet wurde. Unter dem Vorsitz des Erzbischofs von York, Dr. Cyril Garbett[60] vereinigten sich Männer und Frauen, Geistliche und Abgeordnete der Arbeiter-, liberalen und konservativen Parteien in der Forderung nach dringender Hilfe für Europa.

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Folgende Sozialdemokraten sind tätig: Dr. Paul Nevermann[61] (Senator, Hamburg); Wilh. Neddermeier[62] (Landrat, Goslar); Cahn-Garnier[63] (Leiter d. Finanzabt[ei]l[un]g, Nordbadische Regierung); Heinr. Sauer[64] (Dir[ektor] d. Arbeitsamts, Frankfurt a.M.); Friedr. Bruehne[65] (Stellv. Leiter d. Arb[eits]-Amtes); Volkmann[66] (Arbeitsamtsleiter, Berlin-Wilmersdorf); Otto Burgemeister[67] (Bürgerm[ei]st[e]r, Mariendorf); Lichter[68] (Bürgerm[ei]st[e]r, Berlin-Wilmersdorf); Hoffmeister[69] (Bürgerm[ei]st[e]r, Gallun); Riek[70] (Leiter d. Volksbildungsamts); Schmidtke[71] (Leiter d. Ernährungsamts, Wilmersdorf); Dr. Siebert[72] (Stadtkämmerer, Berlin); Boehm[73] (Leiter des Fachamts Textilien, Lederwaren, Berlin); Tempel[74] (Leiter d. Landesversicherung, Sachsen); Rossmann[75] (B[ür]germ[ei]st[e]r, Tostedt); Luebring[76] (Polizeichef, Pirmasens); Birnbaum[77] (Leiter d. Schulwesens, Zweibrücken); Bleibtreu[78] (Kriminalkommissar, Saarbrücken); Th. Blanc (Leiter des Repatriierungsbüros, Saarbrücken); Adolf Grimme, ehem. Preuss[ischer] Kultusminister, wurde mit der Ausarbeitung von Massnahmen für die demokratische Erziehung i. d. Brit[ischen] Zone betraut; Walter Dubert[79] (Landrat, Landkreis Osnabrück); Otto Baer[80] (Reg[ierungs]-Präsident und Oberbürgerm[ei]st[e]r Magdeburg); Bechert[81] (2. B[ür]g[er]m[ei]st[e]r von Hof); Max Blank[82] (Beigeordneter, Remscheid); Hans Hocheder[83] (B[ür]g[er]m[ei]st[e]r, Schwabach); Helmut Lehmann[84] (Leiter d. Abtg. f. Sozialfürsorge in der Zentralverwalt[un]g f. Fürsorge und Arbeit i. d. Russischen Zone); Karl Litke (Leiter der Abtlg. Verwaltung i. d. Zentralverw[a]lt[un]g für Fürsorge und Arbeit i. d. Russischen Zone); M. Nischalke[85] (Reg.-Präsident, Wiesbaden); Max Meindl[86] (Ober-B[ür]g[er]m[ei]st[e]r, Landshut); Gustav Dahrendorf (Vize-Präs. d. Zentralverwaltung d. Brennstoffindustrie in der russ[ischen] Zonenregierung); Rich. Partsch[87] (Stadtbeirat, Hannover); Egon Franke[88] (Stadtbeirat, Hannover); Korspeter[89] (Stadtrat, Magdeburg); in die Regierung Gross-Hessen wurden folgende Sozialdemokraten berufen: Gottl. Binder[90] als Wiederaufbauminister, Gg. Haering[91] als Landwirtschaftsmin[ister], Dr. Gg. Zinn[92] als Justizminister, und Venedey wurde nun zum Innenminister. In der neuen bayerischen Regierung befinden sich ausser d. Min.-Präs. Dr. Wilh. Hoegner noch folgende SPD-Mitglieder: Jos. Seifried[93] als Innenminister, Dr. Franz Fendt[94] als Erziehungs- und Kultusminister und Albert Rosshaupter[95] als Arbeitsminster. In der Britischen Zone führte Gen. Carl Severing den Vorsitz bei Besprechungen zw[ischen] den Chefs der Länder und Provinzen d. Britischen Bes[atzungs] Zone.

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In der Russischen Zone starben im Oktober Heinr. Stühmer[96] (83jaehrig, ehem. Vorsitzender des Bekleidungsarbeiterverbandes und Intern. Berufssekretär) und Wilh. Siering[97] (71jährig, von 1920-1924 preuss[ischer] Handelsminister, später Landrat Osthavelland). Verspätet erfahren wir Einzelheiten über den Tod einiger bekannter Genossen: Hermann Tempel[98], seit 1925 Mitgl[ied] d. Reichstages, starb während des Krieges in Ostfriesland. Nach der NS-Machtergreifung war er nach Holland geflohen, wurde dort 1941 verhaftet, nach Deutschland verschleppt und zu Gefängnis verurteilt. Auf der Flucht von Dänemark nach Schweden sind 1940 die Gen. Egon Loewenthal[99], Rich. Schapke[100] und Hans Stoll[101] verschwunden, wahrscheinlich ertrunken. Gen. Alfringhaus, bis 1933 Leiter des SPD-Pressedienstes, wurde beim Versuch verhaftet, die Genossin Scheidemann[102] und Walter Hammer[103] im Boot von Dänemark nach Schweden zu bringen. Er verständigte rechtzeitig die illegale Parteileitung, dass er Vorsorge tragen werde, damit die Gestapo nichts von ihm erfahren könne. Er erhängte sich in der Zelle. "Er rettete durch diese Tat unsere illegale Organisation und auch die dänische SP, die ja unsere Arbeit unterstützte und durch den Parteisekretär Oluf Carlson[104] aktiv daran beteiligt war." Gen. Fritz Weber[105], ehem. Redakt[eur] der Danziger Volksstimme, verübte Selbstmord, nachdem er im Zusammenhang mit dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 verhaftet worden war.

Der Aufstand vom 20. Juli in Franken wurde "in engster Verbindung mit Leuschner bis ins kleinste nach einem durchgearbeiteten Plan vorbereitet, Waffen verborgen und eine absolut ausreichende Organisation geschaffen. L[euschner] selbst hat Gen. Josef Simon[106] bereits zum Ende 1943 und Anfang 1944 in Nuernberg aufgesucht und dort im Rahmen von vertraglichen Besprechungen die Revolte vorbereitet. An ihr waren u.a. Simon, Hagen[107], Lossmann [108] und andere bewährte Mitglieder der SPD und Gewerkschaften beteiligt".[109]

In Zürich veranstaltete am 14. November die dortige Partei unter dem Vorsitz des Stadtpräsidenten (Oberbürgermeister Gen. Dr. Lüchinger[110] eine Gedenkfeier fuer die Opfer des Nationalsozialismus. Gen. Wilh. Dittmann hielt eine Gedenkrede und Benedikt Kautsky, der sieben Jahre im KZ war, gedachte der oesterreichischen Opfer d. Faschismus.

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Am 18. Oktober richtete der konservative Abg. Major T. Beamish[111] im Unterhaus an den Innenminister Chuter Ede[112] die Anfrage, wo sich das Hauptquartier der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands befinde, wer die Vorstandsmitglieder seien, wieviele von ihnen interniert gewesen seien und ob ein Grund dafuer bestehe, dass "diese Leute" jetzt nicht nach Deutschland zurueckkehren.

Der Innenminister erwiderte darauf: "Das Hauptquartier des Londoner Vorstandes der SPD befindet sich 33, Fernside Ave., Mill Hill, N.W.7. Die Mitglieder des Vorstandes sind unseres Wissens Erich Ollenhauer, Friedrich Heine und Wilh[elm] Sander, alle deutscher Nationalitaet. Von diesen dreien befand sich nur einer zur Zeit der allgemeinen Internierung in unserem Lande und wurde auf Grund der langen Geschichte seiner Opposition gegen das Nazisystem und seiner Freundlichkeit gegenueber der Sache der Vereinten Nationen von der Internierung ausgenommen. Es besteht kein Grund, weshalb alle drei nicht bald nach Deutschland zurueckkehren sollten, wenn sie es wuenschen, aber ich kenne keinen Grund, weshalb sie aufgefordert werden sollten, sofort zurueckzukehren." Auf eine weitere Frage des Majors Beamish, ob "diese Leute" nicht besser taeten ihre demokratischen Anti-Nazi-Theorien in Deutschland in die Praxis umzusetzen, als "hochtrabende Artikel" in den "Left News" zu schreiben, erwiderte der Minister: "Das ist Ansichtssache".

Auf die Frage eines anderen Abg[eordneten], wieviele antifaschistische deutsche Fluechtlinge sich in Grossbritannien befinden und wieviele repatriiert worden seien, erwiderte der Innenminister: "Etwa 29.000 bei der Polizei registrierte Deutsche befinden sich in unserem Lande zu zeitweiligem Aufenthalt, aber ich kann ohne Pruefung der Personalakten nicht sagen, wieviele davon antifaschistische Flüchtlinge sind. Kein deutscher Flüchtling ist zwangsweise repatriiert worden. Ich werde keinem Flüchtling bei der Rückkehr nach Deutschland oder in ein anderes Land, das ihn zulassen will, ein Hindernis in den Weg legen, aber es gibt natürlich Transportschwierigkeiten, und ich bin nicht in der Lage, Flüchtlingen dabei zu helfen, die Erlaubnis zur Einreise in andere Laender zu erhalten."




Issued by the London Representative of the German Social
Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London N.W.7.






Editorische Anmerkungen


1 - Versammlungsraum in Berlin-Neukölln.

2 - Wo stehen wir, wohin gehen wir? Rede des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Otto Grotewohl, am 14. September 1945 vor den Funktionären der Partei in der "Neuen Welt", Berlin Oktober 1945.

3 - Die Konferenz der katholischen Bischöfe Deutschlands, auf der die Verlesung eines Hirtenbriefes beschlossen wurde, fand im August 1945 statt. Auf diesen Hirtenbrief bezog sich Grotewohl.

4 - Am 19.6.1945 hatte eine erste Besprechung zwischen je fünf Vertretern des ZK der KPD und des Zentralausschusses der SPD in Berlin stattgefunden. Vgl. hierzu Frank Moraw: Die Parole der "Einheit" und die Sozialdemokratie, Bonn 1990 (2. aktualisierte Auflage der 1973 erstmals erschienenen Arbeit).

5 - "Potsdamer Aufforderung": Gemeint ist der Inhalt der Potsdamer Konferenz v. 26.7.1945.

6 - Gemeint sind die Demontagen.

7 - In Bayern, Bremen, Hessen und Württemberg-Baden.

8 - Gemeint ist die "Entnazifizierung", also die Ausschaltung von Nationalsozialisten aus staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Schlüsselstellungen durch die alliierten Siegermächte.

9 - Gemeint ist die Umwandlung Deutschlands in ein Agrarland durch Industriedemontage.

10 - Als Kanzler des Herzogtums Lancaster war John Burns Hynd von Juli 1945 bis April 1947 in der britischen Regierung für "Angelegenheiten Deutschlands und Österreichs" zuständig, hatte allerdings keinen Kabinettsrang.

11 - Zu "Michailow" konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

12 - Georgi Konstantinowitsch Schukow (1896 - 1974), sowjetischer Marschall, stoppte mit seinen Armeen 1941/42 den deutschen Vormarsch vor Moskau, maßgeblich beteiligt an den deutschen Niederlagen in Stalingrad, vor Kursk und in Leningrad. Nahm als "Sieger von Berlin" die deutsche Kapitulation entgegen und war 1945/46 Oberbefehlshaber der sowjetischen Truppen in Deutschland. 1955-1957 Verteidigungsminister und Mitglied des Politbüros der KPdSU, 1957 aller Ämter enthoben.

13 - Ernst Fischer (1899 - 1972), österreichischer kommunistischer Schriftsteller und Politiker, 1920 SDAP-Mitglied, ab 1934: Emigration in die CSR und Eintritt in die Exil-KPÖ, 1938 in die UdSSR, 1938-1943 Schriftleiter des Komintern-Organs "Die Kommunistische Internationale". April 1945 Rückkehr nach Österreich, bis Dezember 1945 Minister für Unterricht, Erziehung und Volksaufklärung, 1945-1947 Chefredakteur der überparteilichen Tageszeitung "Neues Österreich" (Wien), 1945-1959 kommunistisches Mitglied des Nationalrats, 1969 aus der KPÖ ausgeschlossen.

14 - Zu R. Obronczka, polnischer Delegierter, konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

15 - Torsten Nilsson (1905 - 1997), Maurer, in der Jugendzeit Besuch der sozialdemokratischen Heimvolkshochschule Tinz (Thüringen); ab 1929 sozialdemokratischer Berufspolitiker, 1934-1940 Leiter des Bundes der Sozialdemokratischen Jugend Schwedens, 1940-1945 Sekretär der Sozialdemokratischen Partei Schwedens. 1945-1951 Verkehrsminister, 1951-1957 Minister für Landesverteidigung, 1957-1962. Sozialminister, 1962-1971 schwedischer Außenminister.

16 - Pierre Robert Alexandre, 1945 zum Nationalsekretär der Jeunesse socialiste de France gewählt.

17 - Lucjan Blit (1904 - 1971), Journalist, tätig im polnisch-jüdischen Sozialistenbund und im Büro der Sozialistischen Jugend-Internationale; ab 1939 aktiv im polnischen Untergrund tätig, später von einem sowjetischen Grenzposten verhaftet und zu drei Jahren Lager verurteilt, nach dem deutschen Überfall auf die SU entlassen, später Angehöriger der polnischen Exilarmee in London. Nach dem Krieg britischer Staatsbürger, Arbeit für den britischen Rundfunk und Lehraufträge an der London School of Economics und der University of London.

18 - Emil Theil (1892 - 1968), Dreher, zuerst USPD-, dann SPD-Mitglied, seit 1920 Angestellter des DMV; nach 1933 drei Jahre in Gefängnis und KZ. 1945-1948 und 1950-1951 Senator für das Bauwesen in Bremen, 1960-1961 SPD-MdB.

19 - Wilhelm Kaisen (1887 - 1979), Stuckateur, seit 1919 politischer Redakteur der sozialdemokratischen "Bremer Volkszeitung", 1921-1933 SPD-Mitglied der Bremer Bürgerschaft, 1927-1933 Senator für Wohlfahrt, nach 1933 mehrfach verhaftet. 1945-1965 Senatspräsident und Bürgermeister von Bremen.

20 - Gerhard van Heukelum (1890 - 1969), Metallarbeiter aus Husum, Mitglied der SPD und des DMV, 1920-1924 DMV-Geschäftsführer in Bremerhaven, 1924 ff. Redakteur und Chefredakteur bei der sozialdemokratischen "Norddeutschen Volksstimme" (Bremerhaven), SPD-Mitglied der Bremer Bürgerschaft 1927-1933, dann KZ-Haft, bis 1944 weitere Inhaftierungen. 1946/48 ehrenamtlicher Oberbürgermeister von Bremerhaven; 1948 Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrats, 1948-1951 Bremer Senator für Arbeit und Wohlfahrt, 1951-1959 Senator für Arbeit.

21 - Arno Hennig (1897 - 1963), 1916-1928 Lehrer an sächsischen Volks- und Berufsschulen, 1920 Beitritt zur SPD, 1922-1933 verschiedene Funktionen für die Partei (u.a. Sekretär für Arbeiterschulen), ab 1933 mehrfach verhaftet (Lebensunterhalt als Verlagsvertreter). 1945/46 Oberbürgermeister von Freital/Sachsen, dann als Gegner der Vereinigung von SPD und KPD nach Westdeutschland, 1946 ff. Kulturreferent des PV der SPD, 1949-1953 MdB, 1953-1959 Hessischer Minister für Erziehung und Volksbildung.

22 - Gerhard Förster (geb. 1885), Kaufmann, Sozialdemokrat und Gewerkschafter (hier: Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter), in der Weimarer Republik 2. Vorsitzender des Ortsausschusses des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes in Dresden.

23 - Paul Gärtner (geb. 1893), Glasmacher, Sozialdemokrat und Gewerkschafter, seit 1920 Arbeitersekretär und verschiedene Gewerkschaftsfunktionen in Görlitz.

24 - Arno Haufe (1884 - 1962), als Sozialdemokrat am Aufbau der sächsischen Landesregierung 1919 beteiligt, führendes Mitglied des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, nach 1933 mehrfach im KZ. 1945/46 Widerstand gegen die Zwangsvereinigung von SPD/KPD, deswegen zu 25 Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. 1955 nach Westdeutschland entlassen.

25 - "Leipart": Wahrscheinlich: Walter Leipert (geb. 1893 bei Dresden), Heizer, ab 1924 SPD-Bezirkssekretär in Waldenburg.

26 - Zu Clemens Dölitzsch konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

27 - Felix Kaden (geb. 1892), Schriftsetzer, auch als Berichterstatter für eine sozialdemokratische Zeitung in der Lausitz tätig, seit 1922 SPD-Parteisekretär in Bautzen.

28 - "Albert Meier": Wahrscheinlich: Albert Meyer (geb. 1876 in Crimmitschau), ab 1905 Funktionär im Deutschen Textilarbeiter-Verband, ab 1919 auch SPD-Stadtverordneter.

29 - Käthe Kern (1900 - 1985), kaufmännische Angestellte, seit 1920 SPD-Mitglied, 1928 - 1933 Sekretärin beim Bezirksvorstand der SPD Berlin, nach 1933 zeitweilig inhaftiert. Ab Juni 1945 im Zentralausschuss der SED, 1949-1984 Mitglied der Volkskammer; Mitbegründerin und stellv. Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD), 1949-1970 Abteilungsleiterin im DDR-Gesundheitsministerium.

30 - Annedore Leber, geb. Rosenthal (1904 - 1968), nach ihrer Heirat mit Julius Leber 1927 der SPD beigetreten, in der NS-Zeit als Damenschneiderin tätig, 1944 mit ihren beiden Kindern in Sippenhaft genommen. Vor der SED-Gründung Niederlegung der SPD-Funktion, 1946-1950 und 1963-1968 SPD-Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung bzw. des Abgeordnetenhauses, 1946-1950 Lizenzträgerin der Berliner Tageszeitung "Telegraf", ab 1949 eigene Verlagsgründungen, dann Mitglied der deutschen Unesco-Kommission.

31 - Friedrich (Fritz) Ebert (1894 - 1979), Buchdrucker, 1919-1933 Redakteur bei der sozialdemokratischen Presse, 1928-1933 SPD-MdR, nach 1933 wegen Widerstandstätigkeit verhaftet und 8 Monate in verschiedenen KZ. Nach Kriegsende Landesvorsitzender der SPD Brandenburg, 1946 ff. Mitglied des Parteivorstandes bzw. des ZK der SED, 1948-1967 Oberbürgermeister von Ostberlin, 1971 stellv. Vorsitzender des DDR-Staatsrates.

32 - "Der Märker" (Brandenburg) erschien von Oktober 1945 bis April 1946.

33 - Rudolf Friedrichs (1892 - 1947), Jurist, in der Weimarer Republik Regierungsrat im sächsischen Verwaltungsdienst, seit 1922 SPD-Mitglied, 1933 aus allen Ämtern entfernt, mehrere Monate inhaftiert. Als Sozialdemokrat im Mai 1945 zum Oberbürgermeister von Dresden ernannt, Dezember 1946 sächsischer Ministerpräsident.

34 - Walther Ölschläger (geb. 1899), Handlungsgehilfe, in der Weimarer Republik SPD-Mitglied und Gewerkschaftsfunktionär, 1945 während der amerikanischen Besatzung stellvertretender Oberbürgermeister von Halle.

35 - Bruno Böttge (1891 - 1967), Metallarbeiter, seit 1908 SPD-Mitglied, 1919 USPD, 1922 wieder SPD, 1924-1933 Bürgermeister von Eisleben, 1933-1935 KZ wegen Widerstandstätigkeit. 1946-1948 im Parteivorstand der SED, 1946-1948 Landtagspräsident von Sachsen-Anhalt, 1948 Parteiausschluss.

36 - "Peters": Wahrscheinlich: Paul Peters, der vom Juli 1945 bis März 1946 im Bezirksvorstand der SPD Halle und ab April 1946 im Landesvorstand der SED Sachsen-Anhalt war. Vgl. Martin Broszat und Hermann Weber (Hrsg.): SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949, München 1990, S. 994. Dort wird auch ein Franz Peters (1888 - 11.8.1933 !!) aufgeführt, der ab Juli 1945 im Bezirksvorstand der SPD Halle gewesen sein soll. Franz Peters war MdR für die SPD von 1924-1933.

37 - Paul Schmidt (geb. 1894), Vermessungstechniker, SPD-Mitglied und Gewerkschaftsfunktionär in Halle an der Saale 1919-1922 und ab 1922 Butab-Sekretär.

38 - Otto Kunze (1904 - 1982), Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, Dr. rer. pol., seit 1929 SPD-Mitglied, 1935-1949 Rechtsanwalt und später auch Notar in Halle. 1945 an der Neugründung der SPD beteiligt, seit 1949 in der Bundesrepublik, 1950 ff. Chefjustitiar des DGB, 1958 ff. Richter beim Verfassungsgerichtshof für das Land NRW, 1959-1969 Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ).

39 - Johannes Maass (geb. 1882), Lehrer, seit 1919 Mitglied der SPD, 1919-1933 ehrenamtliches Mitglied des Wiesbadener Stadtrats, 1933 Entlassung aus allen Ämtern und unter Polizeiaufsicht gestellt, nach dem 20. Juli 1944 Polizeigefängnis in Wiesbaden und KZ Dachau. 1945 Rückkehr nach Wiesbaden, dort führend beim Wiederaufbau der SPD und Wiesbadener Stadtrat (Schul- und Kulturdezernent), Gewerkschaftsmitglied.

40 - Zu Georg Stieglitz konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

41 - Georg Buch (1903 - 1995), Schriftsetzer, seit 1921 SPD-Mitglied, zwischen 1941 und 1945 in Gefängnis und KZ. 1946 Wahl zum Wiesbadener Stadtverordneten, Vorsitzender der SPD-Stadtverordneten-Fraktion, 1954 Bürgermeister und 1960 Oberbürgermeister von Wiesbaden, 1946-1950 und 1954-1974 MdL Hessen (zeitweise Vorsitzender der SPD-Fraktion), 1966-1974 Präsident des Hessischen Landtages.

42 - Otto Schwarz (1895 - 1964), Angestellter, vor 1933 SPD-Mitglied des Provinziallandtages Brandenburg, 1933 und 1944 im KZ Oranienburg bzw. Sachsenhausen. 1946 ff. SED-MdL Brandenburg und Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) für das Land Brandenburg, 1948 in den Westen, dann Gemeindedirektor im Raum Hannover.

43 - Richard Küter (1877 - 1949), Maschinenbauer, seit 1906 Mitglied der SPD, 1924-1933 Gausekretär des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold für Berlin und die Mark Brandenburg, während der NS-Zeit viermal verhaftet. Nach SED-Gründung Hauptreferent im Zentralsekretariat dieser Partei.

44 - Zu Stoewer bzw. Stöwer konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

45 - Johann (Hans) Reifferscheidt (geb. 1896), Lagerist, 1926 ff. SPD-Parteisekretär in Trier; nach dem Krieg Treuhänder der "Rheinischen Zeitung".

46 - "Bucholz": Wahrscheinlich: Alfred Buchholtz (1885 - 1946), Chemigraph, 1919-1921 SPD-Stadtverordneter in Düsseldorf, 1919 ff. Redakteur bei der sozialdemokratischen "Volksstimme" (Duisburg).

47 - Zu Reinh. Bormann konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

48 - Albert Deutel (1905 - 1956), Armaturenschlosser, seit 1920 SPD-Mitglied, DMV- und Reichsbannermitglied, 1933 verhaftet und für ein Jahr unter Polizeiaufsicht. Wegen Widerstandes gegen die Zwangsvereinigung im April 1946 Redeverbot und Entfernung aus allen Parteiämtern, bis 1948 Geschäftsführer der Konsumgenossenschaft Staßfurt, dann in den Westen, später Sekretär der SPD-Landesorganisation Bremen.

49 - Zu Otto Paul konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

50 - Zu Walter Weigelt konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

51 - Hermann Lüdemann (1880 - 1959), Ingenieur, 1904-1912 Butab-Geschäftsführer in Berlin, 1912 Beitritt zur SPD, 1915-1922 SPD-Stadtverordneter in Berlin, 1920-1929 MdL Preußen, 1920-1921 Preußischer Finanzminister, 1927 Regierungspräsident in Lüneburg, 1928 Oberpräsident in Breslau, nach dem Papen-Streich 1932 seines Amtes enthoben, 1933-1935 in mehreren KZ, 1944 erneut verhaftet und schwer misshandelt, KZ Sachsenhausen bis Ende des Krieges. Als Gegner der Verschmelzung von KPD und SPD Ende 1946 nach Schleswig-Holstein, dort Innenminister und 1947-1949 sozialdemokratischer Ministerpräsident.

52 - August Ulrich (1902 - 1949), Eisendreher, seit 1920 SPD-Mitglied, ab 1926 Redakteur bei der Augsburger Parteipresse, 1933-1934 Gefängnis und KZ Dachau, 1935-1945 in einem Rüstungsbetrieb beschäftigt. Nach 1945 SPD-Funktionär, Redakteur bei der "Schwäbischen Landeszeitung" und Landesbeauftragter für das Sportwesen in Bayern beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus.

53 - "Karl Werntaler": Karl Wernthaler (geb. 1874), Bauschlosser, seit 1901 DMV-Funktionär, 1918/1919 im Arbeiter- und Soldatenrat von Augsburg, 1919-1933 Stadtrat und Fraktionsführer der SPD in Augsburg, April bis Dezember 1933 KZ Dachau. Maßgeblich am Wiederaufbau der Augsburger SPD beteiligt, 1946-1948 SPD-Fraktionsführer im Stadtrat, 1945-1948 Amtsleiter im Arbeitsamt.

54 - Valentin Baur (1891 - 1971), Schlosser, 1909 DMV-Mitglied, 1911 SPD, 1924-1933 Stadtverordneter in Augsburg, März bis Mai 1933 Schutzhaft, dann Emigration (Saarland, Österreich, Schweiz), Auflage zur Ausreise wegen "konspirativer Tätigkeit", 1940 verhaftet, nach Zuchthaus jahrelanger Aufenthalt in Sonderinternierungslagern, im November 1944 (!) lt. "Reichsanzeiger" ausgebürgert. 1945 Rückkehr nach Deutschland, 1946-1949 Mitglied des PV der SPD, 1946 MdL Bayern, 1947-1949 Mitglied des Zwei-Zonen-Wirtschaftsrates, 1949-1961 SPD-MdB.

55 - Josef Felder (1900 - 2000), Buchdrucker, in SPD und Gewerkschaftsbewegung seit 1919 tätig, ab 1924 Redakteur der "Schwäbischen Volkszeitung" (Augsburg), 1932-1933 SPD-MdR, 1934-1936 KZ Dachau. Nach dem Krieg Herausgeber und Chefredakteur des "Südostkuriers", einer unabhängigen Zeitung in Bad Reichenhall, SPD-MdB 1957-1969, 1955-1957 Chefredakteur der SPD-Wochenzeitschrift "Vorwärts".

56 - Carl Schreck: Siehe SM 79/80, Okt./Nov. 1945 (Beil. 1 "Wiedergeburt der deutschen Sozialdemokratie"), Anm. 2.

57 - Minna Sattler (1891 - 1974), Kontoristin, ab 1911 beim SPD-Bezirk Dortmund angestellt. Nach dem II. Weltkrieg wesentliche Beteiligung am Wiederaufbau der AWO im Bereich des SPD-Bezirks Westliches Westfalen, im Hauptvorstand der AWO.

58 - Zu Fr. Zaehringer bzw. Zähringer konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

59 - Regina Kaegi-Fuchsbaum (1889 - 1972), aus dem Baltikum stammende schweizerische Sozialistin, Lehrerin, ab 1933 Sekretärin der von den Schweizer Sozialdemokraten initiierten Proletarischen Kinderhilfe, 1937-1939 in der Arbeitsgemeinschaft für Spanienkinder tätig, große Verdienste in der vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk getragenen Flüchtlingshilfe, später für die UNO und ihre Hilfsorganisationen tätig.

60 - Cyril Garbett (1875 - 1955), seit 1942 Erzbischof von York.

61 - Paul Nevermann (1902 - 1979), Schlosser und Maschinenbauer, dann Jurist, 1918 DMV-Mitglied, 1920 der SPD beigetreten, 1933 für ein Jahr unter Polizeiaufsicht gestellt, Tätigkeit als Rechtsanwalt, in Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 kurzfristig verhaftet. 1945 ff. SPD-Senator für das Bau- und Wohnungswesen in Hamburg, 1950-1953 zugleich zweiter Bürgermeister, 1961-1965 Erster Bürgermeister von Hamburg, 1967 ff. Präsident des Deutschen Mieterbundes.

62 - Wilhelm Neddermeier (geb. 1876), Holzarbeiter, 1925 Geschäftsführer des Deutschen Holzarbeiterverbandes in Braunschweig, in der Weimarer Republik auch im Bezirksvorstand der SPD-Braunschweig.

63 - Fritz Cahn-Garnier (1889 - 1949), Jurist, 1923-1933 Stadtsyndikus von Mannheim, 1933 entlassen, 1938 KZ. 1945 Beitritt zur SPD und wieder Stadtsyndikus von Mannheim, im September 1945 Landesdirektor der Finanzen bei der Landesverwaltung Baden in Karlsruhe, 1946 Finanzminister des Landes Württemberg-Baden in Stuttgart, 1946-1947 MdL Württemberg-Baden, 1947-1949 Mitglied des Wirtschaftsrats in Frankfurt a. M., 1948-1949 Oberbürgermeister von Mannheim.

64 - Heinrich Sauer (geb. 1893), Zimmerer, seit 1922 Angestellter beim Zentralverband der Zimmerer und verwandten Berufsgenossen Deutschlands in Frankfurt a. M.

65 - Friedrich Brühne (1888 - 1961), Schuhmacher, 1906 Gewerkschaftsmitglied, 1908 zur SPD, 1927 Gewerkschaftssekretär im Zentralverband der Schumacher in Frankfurt a. M., nach der "Machtergreifung" wiederholt inhaftiert. 1947 ff. Leiter des Frankfurter Arbeitsamtes.

66 - Paul Volkmann (gest. 1951), als Sozialdemokrat und Gewerkschafter während der NS-Zeit mehrfach verhaftet und im KZ. Dezember 1945 nach einer Rede in Königswusterhausen von den Sowjets verhaftet und in einem Prozess wegen "staatsfeindlicher Umtriebe" zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, starb im Zuchthaus Waldheim.

67 - Otto Burgemeister (1883 - 1957), Anwaltsangestellter, 1919-1933 Funktionär des Zentralverbands der Angestellten in Berlin, 1919-1933 SPD-Mitglied des Berliner Stadtparlaments. Ab Juni 1945 Ortsbürgermeister von Berlin-Marienfelde, 1946-1947 Bezirksstadtrat in Berlin-Tempelhof, 1947-1951 Bezirksbürgermeister von Berlin-Tempelhof, 1950 ff. SPD-Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.

68 - Zu Lichter (außer: Bürgermeister v. Berlin-Wilmersdorf, wie Text der SM) konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

69 - Zu Hoffmeister konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

70 - "Riek": Walter Rieck (1885 - 1974), in der Weimarer Republik SPD-Stadtrat in Berlin-Wedding; 1946-1950 Bürgermeister von Berlin-Wilmersdorf. Vgl.: Inge Deutschkron, Ich trug den gelben Stern.

71 - Zu Schmidtke konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

72 - Der Sozialdemokrat Erich Siebert war 1945-1947 (Rücktritt) als Stadtkämmerer Leiter des gesamten Finanz-, Währungs- und Bankwesens von Groß-Berlin.

73 - Zu "Boehm" bzw. Böhm konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

74 - Richard Tempel: Siehe SM 79/80, Okt./Nov. 1945, Anm. 16.

75 - Zu Rossmann (außer: Bürgermeister v. Tostedt in der Lüneburger Heide, wie Text der SM) konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

76 - Zu Luebring bzw. Lübring konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

77 - Zu Birnbaum (außer: Leiter des Schulwesens, Zweibrücken, wie Text der SM) konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

78 - Zu Bleibtreu (außer: Kriminalkommissar in Saarbrücken, wie Text der SM) konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

79 - Zu Walter Dubert (außer: Landrat, Kreis Osnabrück, wie Text der SM) konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

80 - Otto Baer (1881 - 1966), 1945-1946 Oberbürgermeister von Magdeburg, SED-Mitglied, danach kurz Regierungspräsident von Magdeburg, nach Konflikten mit der Besatzungsmacht entlassen und 10 Wochen NKWD-Haft, später im Finanzministerium von Sachsen-Anhalt.

81 - Hans Bechert, später Oberbürgermeister von Hof.

82 - Max Blank (geb. 1894), Dreher, seit 1925 SPD-Parteisekretär in Remscheid. 1945 Vorsitzender der SPD Remscheid.

83 - Zu Hans Hocheder konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

84 - Helmut Lehmann: Siehe SM 77/78, Aug./Sept. 1945, Anm. 8.

85 - Martin Nischalke (1882 - 1962), Lehrer, seit 1921 Mitglied der SPD, 1933 als Schulrat in Arnsberg entlassen. August 1945 bis August 1948 Regierungspräsident in Wiesbaden, 1946-1950 SPD-MdL Hessen.

86 - "Max Meindl": Felix Meindl (gest. 1956), Justizbeamter, in der Weimarer Republik SPD-Mitglied des Stadtrats und zeitweise 3. Bürgermeister von Landshut, 1933 und 1944 verhaftet und im KZ. 1945 von der Militärregierung als Oberbürgermeister von Landshut eingesetzt, bis 1956 SPD-Fraktionsvorsitzender im Landshuter Stadtrat.

87 - "Partsch": Richard Partzsch (1881 - 1953), Dekorationsmaler, SPD-Mitglied und seit 1912 Funktionär im Deutschen Fabrikarbeiter-Verband, 1920 und 1932-1933 SPD-MdR, 1933 Entlassung als Gewerkschaftssekretär, Widerstandstätigkeit, 1933 und 1944 in Haft. 1945-1950 Leiter des Städtischen Wohnungs- und Quartieramtes Hannover.

88 - Egon Franke (1913 - 1995), Tischler, seit 1929 SPD-Mitglied, 1931-1933 Angestellter der SPD Hannover, nach der "Machtergreifung" im Widerstand, 1935 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt, obwohl "wehrunwürdig": ab 1943 Soldat in der Strafeinheit 999. 1945-1947 SPD-Bezirkssekretär in Hannover, dann Leiter der Organisationsabteilung im PV der SPD, dem er von 1947 bis 1952 als hauptamtliches Mitglied angehörte, langjähriger Bezirks- und Landesvorsitzender der SPD-Niedersachsen, 1947-1951 SPD-MdL Niedersachsen, 1951-1987 MdB, 1969-1982 Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen.

89 - Wilhelm Korspeter (1897 - 1956), Diplom-Volkswirt, Mitglied der SPD seit 1921, 1924-1933 Redakteur bei der sozialdemokratischen "Volkswacht" (Bielefeld), 1928-1933 SPD-Stadtverordneter in Bielefeld, 1934-1935 zeitweise in Gestapo-Haft. 1946 von Magdeburg nach Westdeutschland, 1947-1952 SPD-MdL Niedersachsen, 1946-1956 Chefredakteur der sozialdemokratischen "Hannoverschen Presse".
Ehefrau: Lisa Korspeter, siehe SM 108, Febr. 1948, Anm. 65.

90 - Gottlob Binder (1885 - 1961), Sattler und Polsterer, ab 1908 Sekretär der Freien Gewerkschaften in Köln, später in Bielefeld, 1919-1933 SPD-Stadtrat in Bielefeld, 1933 kurzfristig in Haft. Juni bis Oktober 1945 Direktor des Arbeitsamtes Frankfurt a. M., Oktober 1945 bis April 1949 sozialdemokratischer Minister für Wiederaufbau und politische Befreiung in Hessen.

91 - Georg Häring (1885- 1973), Eisendreher, seit 1903 Mitglied der DMV-Gewerkschaft, seit 1905 Mitglied der SPD, 1913-1920 Lokalredakteur beim sozialdemokratischen "Volksblatt" (Kassel) bzw. "Kasseler Volksblatt", 1920-1923 Stadtrat in Kassel, 1923-1933 Landesrat für die soziale Fürsorge bei der Provinzialverwaltung in Kassel, nach seiner Entlassung 1933 zwei Wochen inhaftiert. Nov. 1945 - Jan. 1947 sozialdemokratischer Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten in Hessen, 1947 ff. Landeshauptmann in Kassel.

92 - Georg-August Zinn (1901 - 1976), Jurist, seit 1920 SPD-Mitglied, 1920-1931 Kommunalbeamter in Kassel, 1929-1933 SPD-Stadtverordneter, 1931 ff. Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht Kassel, nach 1933 mehrfach kurzfristig inhaftiert, 1941-1945 Kriegsteilnehmer. 1945-1949 Hessischer Justizminister, 1948-1949 SPD-Mitglied des Parlamentarischen Rates, 1949-1951 MdB, 1950-1969 Hessischer Ministerpräsident.

93 - Josef Seifried (1892 - 1962), Kaufmann, 1919 Geschäftsführer, später Gauleiter im ZdA München und Südbayern, 1928-1933 SPD-MdL Bayern, 1933 vorübergehend "Schutzhaft", in den beiden letzten Kriegsjahren als Zwangsarbeiter in München eingesetzt. 1945 beim Wiederaufbau von SPD und Gewerkschaften aktiv, 1945-1947 Bayerischer Innenminister, 1946-1950 SPD-MdL Bayern, 1948-1949 Mitglied des Parlamentarischen Rates.

94 - Franz Fendt (1892 - 1982), Lehrer, später Promotion in Staatswissenschaften, vor 1933 SPD-Mitglied. 1945-1946 Bayerischer Minister für Kultus und Unterricht, später als Hochschullehrer tätig (Prof.).

95 - Albert Roßhaupter (1878 - 1949), Lackierer, 1900-1909 Bezirksleiter des Verbandes Süddeutscher Eisenbahnarbeiter in München, ab 1909 Redakteurstätigkeit an verschiedenen Blättern der Arbeiterbewegung, 1918/19 Bayerischer Kriegsminister in der Regierung Kurt Eisner, 1907-1933 SPD-MdL Bayern, 1933-1934 KZ Dachau, 1944 wiederum im KZ Dachau. 1945-1947 Bayerischer Arbeitsminister, 1949 SPD-Mitglied des Parlamentarischen Rats.

96 - Heinrich Stühmer (1863 - 1945), Schneider, seit 1892 Angestellter im Bekleidungsarbeiter-Verband (Berlin), 1892-1902 Redakteur der Fachzeitung für Schneider, 1903-1919 Verbandsvorsitzender, SPD-Mitglied, zwei Jahrzehnte Sekretär der Internationalen Bekleidungsarbeiter-Föderation, zudem in der Genossenschaftsbewegung tätig, ab 1920 mehrere Jahre Mitglied des Reichswirtschaftsrates, Eintreten für eine gesetzliche Regelung des Heimarbeiterschutzes.

97 - Wilhelm Siering (1875 - 1945), Schmied, 1919-1921 SPD-Mitglied der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, 1921-1932 MdL Preußen, 1904-1919 Funktionär im Verband der Schmiede bzw. im DMV, 1921-1925 Preußischer Minister für Handel und Gewerbe, seit 1926 Landrat des Kreises Osthavelland.

98 - Hermann Tempel (1889 - 1944), Lehrer, Mitglied der SPD seit 1919, 1926-1933 in der Redaktion des "Volksboten" (Leer/Emden), 1925-1933 SPD-MdR, 1933 Flucht nach Amsterdam, politische Tätigkeit im Kreise deutscher Emigranten, Mitarbeiter der "Deutschland-Berichte" der Sopade, 1937 Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, nach der deutschen Besetzung der Niederlande 1940 in Amsterdam verhaftet und zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt, Ende 1942 entlassen, anschließend staatenloser Hilfsarbeiter in Berlin und Oldenburg, 1944 erneut verhaftet, an einem Tumor, den Folgen der Haft und physischer Misshandlung gestorben.

99 - Zu Egon Loewenthal bzw. Löwenthal konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

100 - Richard Schapke (1897 - 1940), in den 20er Jahren in der Wandervogelbewegung tätig, 1928/29 Hrsg. der "Jungsozialistischen Rundbriefe", 1930 Redakteur von "Der nationale Sozialist", im gleichen Jahr Gründungsmitglied der Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten bzw. der Schwarzen Front (SF = Otto-Strasser-Bewegung), 1933 KZ Oranienburg, 1934 nach Kopenhagen, dort Leiter der SF-Auslandsorganisation für Skandinavien, 1938 ausgebürgert, Verbindungen zu Otto Buchwitz und Wenzel Jaksch, bei der Flucht per Boot von Dänemark nach Schweden umgekommen.

101 - Hans Stoll (1912 - 1940), Bote, seit 1931 SPD-Mitglied, ab September 1933 im Exil in Dänemark.

102 - "Genossin Scheidemann": Es handelt sich um eine der drei Töchter Philipp Scheidemanns, die ihrem Vater ins dänische Exil begleitet hatten, nämlich Luise Scheidemann (1891 - 1955); sie war 1938 ausgebürgert worden.

103 - Walter Hammer: Siehe SM 79/80, Okt./Nov. 1945, Anm. 81.

104 - "Oluf Carlson": Olof Carlsson (geb. 1907), Übersetzer, ab 1935 sozialdemokratischer Parteifunktionär, 1943 ff. im Folketing, 1944 nach Schweden, dort führend in der "Kleinen Internationale" (Stockholm) tätig. 1945 Rückkehr nach Dänemark, bei der dänischen Flüchtlingsverwaltung tätig, 1957-1961 Parteisekretär der dänischen Sozialdemokraten.

105 - Fritz Weber (geb. 1894), Optiker, vor 1918 SPD-Parteisekretär in Danzig, seit 1920 Redakteur, später Chefredakteur der "Danziger Volksstimme".

106 - Josef Simon (1865 - 1949), Schuhmacher, seit 1885 Sozialdemokrat und Mitglied des Zentralverbands der Schuhmacher, 1888 auf Grund des Sozialistengesetzes aus Frankfurt a. M. ausgewiesen, 1900-1933 Vorsitzender des Schuhmacherverbandes, seit 1907 Sekretär der Internationalen Vereinigung der Schuh- und Lederarbeiter, 1907-1918 SPD-MdL Bayern, 1912-1918 MdR, 1919-1920 USPD-Mitglied der Nationalversammlung, 1920-1933 USPD- bzw. SPD-MdR, 1933-1934 "Schutzhaft" und KZ Dachau, 1935 erneut verhaftet wegen illegaler Betätigung für die SPD, Dezember 1935 aus Altersgründen entlassen. Nach 1945 erneut für die SPD in Nürnberg tätig.

107 - Lorenz Hagen (geb. 1885), vor 1933 ADGB-Vorsitzender in Nürnberg, SPD-Mitglied; nach 1945 Mitgründer der SPD in Nürnberg, 1946 ff. SPD-MdL Bayern, später Vorsitzender des DGB-Landesbezirks Bayern.

108 - Julius Loßmann: Siehe SM 79/80, Okt./Nov. 1945, Anm. 10.

109 - Offensichtlich wie im obigen Abschnitt ein Zitat, dessen Herkunft (Briefe von Sozialdemokraten nach London?) nicht ermittelt werden konnte.

110 - Zu Lüchinger (außer: Züricher Oberbürgermeister Dr. Lüchinger, wie Text der SM) konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

111 - Tufton Beamish (1917 - 1989), Berufssoldat, im II. Weltkrieg an fast allen Fronten eingesetzt, 1945-74 konservatives MP.

112 - James Chuter Ede (1882 - 1965), Lehrer, 1929-1931 und 1935-1965 Labour-MP, 1940-1945 Parlamentarischer Staatssekretär im Erziehungsministeriums, 1945-1951 Innenminister.




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