Sozialistische Mitteilungen

NEWS FOR GERMAN SOCIALISTS IN ENGLAND

Published for the information of Social Democratic
refugees from Germany who are opposing dictatorship
of any kind.


Nr. 79 / 80 - 1945

Oktober - November

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HANS VOGEL

Ploetzlich und unerwartet ist am 6. Oktober in London der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, unser Genosse und Freund Hans Vogel, gestorben.

Nach kurzem Krankenlager musste er sich im Deutschen Krankenhaus in London einer schweren Magenoperation unterziehen. Die Operation verlief gut. Am Abend des 5. Oktober trat eine doppelseitige Lungenentzuendung hinzu, der Hans Vogel trotz aller aerztlicher Hilfe und Sorgfalt am Nachmittag des 6. Oktober erlag. Hans Vogel ist 64 Jahre alt geworden. Er hinterlaesst seine Frau und drei Kinder. Die beiden aeltesten leben seit sieben Jahren in Schweden, der juengste dient in der amerikanischen Armee im Fernen Osten. Keines der Kinder konnte dem Vater das letzte Geleit geben.

Hans Vogel war als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands der fuehrende sozialdemokratische Repraesentant im Ausland. Seine Sachlichkeit und seine Aufrichtigkeit in der Vertretung seiner Auffassungen, seine Kameradschaft und seine warme menschliche Art haben ihm bei Freund und Gegner gleichermassen hohe Achtung und grosses persoenliches Ansehen verschafft. In seinem Werdegang und in seiner Arbeit repraesentierte Hans Vogel die besten Traditionen und Gaben des politisch bewussten deutschen Arbeiters. Als Sohn eines Schumachers geboren, lernte er sehr frueh das harte Los einer proletarischen Familie am Ende des vorigen Jahrhunderts kennen. Nach der Schulentlassung erlernte er das Handwerk eines Holzbildhauers. Nach der Beendigung seiner Lehre vervollkommnete er sein fachliches Wissen auf der Wanderschaft und wurde ein geschaetzter Facharbeiter.

Sehr frueh fand er den Weg zur aufstrebenden Arbeiterbewegung. Schon in seinen jungen Jahren wurde er einer der ruehrigsten und faehigsten Agitatoren der SPD in seinem Heimatbezirk Franken.

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Bereits im Jahre 1909 wurde er Bezirkssekretaer der Partei in Franken, und drei Jahre spaeter waehlten ihn seine Landsleute als Abgeordneten in den Bayerischen Landtag.

Mit der Entstehung der deutschen Republik rueckte Hans Vogel auch staerker in den Vordergrund der Reichspolitik. Er war Mitglied der Verfassunggebenden Nationalversammlung von Weimar und gehoerte ihrem Verfassungsausschuss an. Dem Deutschen Reichstag hat er ununterbrochen von 1920 bis 1933 als Abgeordneter fuer Franken angehoert. Im Jahre 1927 waehlte ihn der Kieler Parteitag als Sekretaer in den Vorstand der Partei. Nach dem Tode von Hermann Mueller wurde er auf dem Parteitag in Leipzig im Jahre 1931 neben Otto Wels und Artur Crispien zum Vorsitzenden der Partei gewaehlt. In den schweren Kampfjahren der deutschen Demokratie gegen den Nationalsozialismus stand Hans Vogel mit an vorderster Stelle.

Als im Jahre 1933 die Machtergreifung des Nationalsozialismus die Sozialdemokratie in die Illegalitaet zwang, ging Hans Vogel neben Otto Wels mit anderen Mitgliedern des Parteivorstandes ins Ausland, um von dort aus im Auftrag der Partei die Partei im Ausland zu vertreten und die illegale Bewegung im Lande zu foerdern. Zuerst in Prag und dann, von 1938 bis zum Zusammenbruch in Frankreich im Mai 1940, gehoerte Hans Vogel zu den fuehrenden Vertretern der Partei im Ausland. In Paris fiel ihm mit dem Tod von Otto Wels, wenige Tage nach Kriegsausbruch, die verantwortungsvolle und schwere Aufgabe der Parteifuehrung zu.

Als ihm im Herbst 1940 die Flucht aus Frankreich vor dem Zugriff der Gestapo nach Portugal gelungen war, hatte er die Moeglichkeit, nach Amerika zu gehen. Er ging nach London. Sein Entschluss war bestimmt von dem Glauben an den Sieg der demokratischen Sache und von dem Willen, in diesem entscheidenden Abschnitt des Kampfes dem Schauplatz des Geschehens so nahe wie moeglich zu sein und den deutschen Antifaschisten und Sozialisten so weit als moeglich zu helfen.

Waehrend seines Londoner Aufenthalts hat Hans Vogel unermuedlich und unerschrocken fuer die Sache der deutschen Arbeiter und der deutschen Demokratie gewirkt. Er hat sich durch keine Zeitstroemung in seinem Glauben an die Gesinnungstreue und die Standhaftigkeit der deutschen Arbeiter und Sozialisten beirren lassen, und er wurde nicht muede, fuer eine dauernde Friedensloesung auf der Basis einer neuen demokratischen und sozialen Ordnung in Deutschland und Europa zu wirken.

Nun ist er wenige Monate nach dem Zusammenbruch des Hitlersystems abberufen worden. Er las noch die ersten Berichte ueber die Anfaenge der neu erstehenden Sozialdemokratie in Deutschland, aber er konnte nicht mehr der Einladung zur ersten Parteikonferenz in

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Hannover[1] Anfang Oktober folgen. Sein Herzenswunsch, noch einmal mit seinen Freunden und Parteigenossen in einem nazifreien Deutschland fuer Frieden und Sozialismus wirken zu koennen, blieb unerfuellt.

Die Einaescherungsfeier fuer den Verstorbenen fand am 11. Oktober im Krematorium Golders Green in London statt. Die Halle konnte die grosse Zahl der Erschienenen kaum [...] fassen. Neben den engeren Freunden des Verstorbenen und den Gesinnungsfreunden der politischen Emigration sah man Maenner und Frauen aus allen politischen Lagern der deutschen Emigration, die dem Toten die letzte Ehre erweisen wollten. Fuer die Labour Party sprach der Generalsekretaer der Partei, Morgan Phillips. Neben ihm sah man John Hynd, MP, Mitglied der britischen Arbeiterregierung und andere bekannte fuehrende Persoenlichkeiten aus der britischen Arbeiterbewegung. Unter den Leidtragenden waren ausserdem die Repraesentanten aller in London vertretenen Gruppen auslaendischer Sozialisten.

Die Feier war kurz und ergreifend. Chopin's Trauermarsch leitete sie ein, dann sprachen Morgan Phillips und Erich Ollenhauer Abschiedsworte. Waehrend Haendels Largo ertoente, verschwand langsam der mit roten Nelken geschmueckte Sarg. Ein inhaltsreiches, tapferes Leben hatte ausgeklungen, aber Geist und Werk von Hans Vogel werden in der Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung unvergesslich fortleben.

In seiner Abschiedsrede an Hans Vogel auf der Einaescherungsfeier sagte
Erich Ollenhauer:

"Liebe Freunde und Genossen,

wir haben heute Abschied zu nehmen von dem, was sterblich an Hans Vogel war. Wir haben seinen Namen in die Liste unserer engeren Freunde einzufuegen, die niemals aus der Emigration zurueckkehren werden: Otto Wels, Siegmund Crummenerl, Rudolf Hilferding und viele andere.

Es faellt mir schwer, die grausame Realitaet seines Todes zu begreifen. Wir sind in den letzten zwoelf Jahren Schulter an Schulter durch die dunklen und hellen Tage der Emigration gegangen. Es schien uns selbstverstaendlich, dass es so war, und wir dachten nicht daran, dass es einmal anders sein koennte. Nun fuehle ich die kalte Leere an meiner Rechten. Ich fuehle die toedliche Stille neben mir, wo frueher der Schritt des Kameraden klang, sicher und fest. Es ist, als fehlte ein Stueck meines eigenen Ichs. Es war ein Glueck, sein Freund und Kamerad zu sein, denn er war der gute Kamerad.

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Er war der gute Kamerad als Sozialist. Er war es durch die Tat. Heute wissen wir alle es bewusster und klarer als je zuvor. Mit ihm haben wir alle mehr verloren als den aufrechten Gesinnungsgenossen. Wir verloren einen Freund. Noch jetzt - vielleicht gerade jetzt - da der Tod seinen Koerper erkaltet hat, waermt uns alle die grosse Menschlichkeit seiner Seele. Es ist traurig und schoen zugleich wie der sonnige Herbsttag da draussen.

Die Emigration ist eine harte und unbarmherzige Schule. Fuer uns Lebende ist die Pruefung noch nicht beendet. Aber wer immer ueber das Werk Hans Vogels in der Emigration heute oder in der Zukunft urteilt - ob Freund oder Feind - jeder weiss, dass er die Pruefung bestanden hat. Es sind ihm keine Wirren und Enttaeuschungen erspart geblieben, die die Emigration uns auferlegte. Materielle Bedraengnis, persoenliche Gefahr, politische Ignoranz hat er gekostet und auf sich genommen wie kaum ein anderer in seiner Position. Aber er blieb unerschuettert in seiner Ueberzeugung, er wuchs in der Gefahr und in der Not.

Das alles war fuer ihn nicht Haltung, geboren aus der Verpflichtung, die ihm seine Stellung auferlegte. Es war fuer ihn eine Selbstverstaendlichkeit, ein Stueck seines innersten Wesens. Er lebte in diesen zwoelf Jahren mit seinem koerperlichen Ich in Prag, Paris und London. Mit seinem Geist, mit seinem Willen und mit seiner Sehnsucht lebte er in Deutschland, in Franken vor allem, mit seinen fraenkischen Arbeitern und Bauern. Er kannte sie, und darum zweifelte er nie - auch nicht in den schwaerzesten Stunden der Isolierung - an ihrer Treue und an der Lebenskraft ihrer sozialistischen Ideale.

Wenn er in den letzten Jahren mutig und unerschrocken ueber die deutschen Sozialisten und fuer die deutschen Arbeiter sprach, dann standen fuer seine Hoerer unsichtbar, aber fuer ihn lebenswarm und fuehlbar nahe, neben und hinter ihm seine Freunde und Genossen im Lande, die Toten und Lebenden, die Maenner in den Konzentrationslagern und die in die Kriegsmaschine gepressten Arbeitssklaven. Sie waren auch fuer ihn stumm, aber aus ihren Augen und aus ihrem Herzschlag leuchtete und klang das hohe Lied der Treue zur Bewegung. Das wusste er und das gab ihm in der Fremde den festen Grund, auf dem er kaempfte.

Wenn die schwere Aufgabe der politischen Emigration, als Treuhaender und Wortfuehrer der Heimatbewegung im Ausland zu wirken, jemals nach einer Personifizierung sucht; hier ist sie: Hans Vogel. Wir hier in London haben das Glueck gehabt, ihn unter uns zu haben, und wir wissen, was wir ihm danken.

Hans Vogel war zugleich der reinste und typischste Repraesentant des politisch bewussten deutschen Arbeiters. Er kam aus der ganzen

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Aermlichkeit und Enge des Proletariats am Ende des vorigen Jahrhunderts. Er fand den Weg zum Sozialismus und zur Bewegung in harter Arbeit an sich selbst. Bald trug ihn die Bewegung, aber er trug auch sie. Er erstarrte nicht. Er forschte und lernte bis in seine letzten Tage wie ein Junger. Er kam in hohe Aemter und gewann Macht, reale Macht ueber Organisationen und Menschen. Die Macht ist eine grosse Versuchung. Hans Vogel erlag ihr nicht. Wieder stand er auf festem Grund: Er vergass nie, woher er kam und wem er die Macht verdankte. Er war Demokrat aus Gesinnung. Nichts konnte ihn bewegen, um einer Augenblickspopularitaet willen sachliche Konzessionen zu machen. Aber nie missbrauchte er das Vertrauen der Bewegung. Er glaubte an die ideelle Kraft im deutschen Arbeiter, und er, der immer von neuem im Geist von Karl Marx die verwirrende Fuelle der Zeitgeschehnisse zu durchdringen und ihre Probleme zu loesen versuchte, er war zugleich der staerkste lebendige Beweis der starken sittlichen und moralischen Kraefte, die der Sozialismus in der Arbeiterschaft ausgeloest hat.

Ein reiches Leben ist jaeh und unerwartet zu Ende gegangen. Es war ein Leben der Arbeit, des Kampfes, der Muehe und Sorgen. Es war ein glueckliches Leben, denn es gibt fuer uns keine hoehere Erfuellung der kurzen Zeitspanne, die uns in dieser Welt zugemessen ist, als Arbeit, in der wir ueber uns selbst hinauswachsen koennen im Dienst einer grossen menschlichen Aufgabe.

Dennoch liegt eine grosse und tiefe Tragik ueber diesem Tod. Es fehlt der kroenende, versoehnende Abschluss, der das Sterben leichter macht. Mehr als zwoelf Jahre hat Hans Vogel auf den Tag gehofft, an dem die Bewegung in Deutschland wieder frei sein wuerde, an dem das Wiedererstehen der Bewegung im Lande seinen Glauben an die deutschen Arbeiter und Sozialisten bestaetigen und seinen Kampf fuer die Bewegung im Ausland rechtfertigen wuerde. Er wusste, dieser grosse beglueckende Tag war nahe trotz allem Elend und aller Not, die der Hitlerkrieg ueber die Welt und ueber Deutschland gebracht hat. In den letzten Wochen seines Lebens kamen die Meldungen fuer das Wiedererstehen der Bewegung. Mehr noch: Es kam das Schoenste, auf das wir in dunklen Tagen manchmal kaum noch zu hoffen wagten, es kam der Ruf aus der Heimat: Komm zurueck, wir brauchen Dich.

In der gleichen Stunde, in der Hans Vogel am letzten Sonnabend starb, tagte in Hannover die erste Konferenz deutscher Sozialdemokraten nach der Vernichtung der Hitlerdiktatur. Die Partei ist wieder da, gefuehrt von den Maennern, die Konzentrationslager und Gestapo nicht brechen konnten. Da sassen viele seiner alten Freunde und hoerten mit Trauer und Besorgnis die Nachricht von

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seiner schweren Krankheit. Lebte er, so waere er heute wieder in unserer Mitte, ausgeruestet mit dem vollen Vertrauen der neuen Partei. Statt dessen war mein erster Artikel, den ich nach mehr als zwoelf Jahren wieder auf deutschem Boden schrieb, ein Nachruf fuer ihn, fuer Hans Vogel.

Es faellt schwer, angesichts dieser Tragik nicht mit dem Schicksal zu hadern. Aber das waere nicht in seinem Geist. Sein Werk, unsere Aufgabe, sie sind noch nicht vollendet. Wir handeln in seinem Geist, wenn wir uns bemuehen, die schweren Aufgaben, die vor uns liegen, zu meistern, in Treue, Kameradschaft und Pflichterfuellung. Das Banner bleibt stehen, wenn der Mann auch faellt.

Liebe Dina, Du hast Deinen Mann und den guten Kameraden verloren, mit dem du mehr als vierzig Jahre Eures Lebens Glueck und Freude teiltest, durch Kummer und Sorge gemeinsam gegangen bist. Du hast Dich, um seiner Aufgabe willen von Deinen Kindern trennen muessen, die jetzt in Schweden und im Fernen Osten um den Vater trauern, den sie liebten und verehrten. Es ist ein schwerer, kaum zu ertragender Verlust. Aber in Deinem Schmerz erlebst Du auch am staerksten das groesste Vermaechtnis, das ein Mensch seinen Lieben hinterlassen kann: die Treue und Freundschaft seiner Freunde. Wir gehoeren zu Dir und Du gehoerst zu uns. Du kannst im Bewusstsein dieser groesseren Gemeinschaft Schutz und Staerkung finden.

Hans, jetzt muessen wir scheiden, soweit der Tod Menschen trennen kann. Aber hier lassen wir nur die sterblichen Ueberreste Deines Koerpers. Dein Geist, Dein Werk, Deine Treue und Deine Glaubensstaerke gehen mit uns zurueck in die Heimat. Sie werden uns begleiten und fuehren in unserer schweren Aufgabe, auf Bergen von Truemmern, in einem Meer von Not und Elend das neue freie und sozialistische Deutschland und das neue Europa aufzubauen, fuer das Du gelebt und gekaempft hast bis zu Deinem letzten Atemzuge."

Morgan Phillips letzter Gruss

Fuer die britische Labour Party sprach ihr Generalsekretaer, Genosse Morgan Philipps:

"Hans Vogel hatte sich grosse Achtung und Zuneigung in der britischen Labour Party erworben. Wir bewunderten ihn, weil er zu jener Generation internationaler Sozialisten gehörte, die geholfen haben, die kontinentale Arbeiterbewegung von ihren Anfängen aufzubauen, und in dem der alte Pioniergeist noch lebendig war.

Sein Glauben an die sozialistische Idee liess ihn selbst dann unermüdlich weiterarbeiten, als alles schwarz und hoffnungslos erschien. Wir waren froh, ihn in unseren Reihen zu haben, und sein unerschütterlicher Glaube an eine bessere Zukunft waren für uns alle ein leuchtendes Beispiel. Er war der beste Vertreter jener

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deutschen Arbeiterschaft, mit der wir hoffen, einmal wieder zusammenarbeiten zu können. Sein Tod gerade zu diesem Zeitpunkt ist wahrhaft tragisch. Wenn er gelebt hätte, wäre er in seine Heimat zurückgekehrt zu seinen Freunden und Genossen, um teilzunehmen an den grossen Errungenschaften, von denen wir glauben, dass sie jetzt möglich sein werden.

Wir hoffen, dass eine Zeit kommen wird, in der in Deutschland sowohl wie in Gross-Britannien eine sozialistische Regierung für jenes sozialistische Ideal wirken wird, in dem sich alle Menschen in höchster Kameradschaft zusammenfinden können."

Hans Vogels Tod im Rundfunk

Die deutsche Sendung des britischen Rundfunks verbreitete die Nachricht vom Tode Hans Vogels in ihren beiden Abendsendungen am Todestage, dem 6. Oktober. Auch in Schweden, der Schweiz und den Vereinigten Staaten wurde diese Meldung am gleichen Abend durch Rundfunk bekanntgegeben. Am Montag, den 8. Oktober, brachte die Sendung für deutsche Arbeiter der BBC um 19 Uhr einen Nachruf für Hans Vogel, gesprochen vom Genossen Wilhelm Sander. In dem Nachruf hiess es:

"... In den letzten Jahren seines Lebens, als Vorsitzender der Partei, seit dem Tode von Otto Wels, galten Hans Vogels Bemühungen vor allem zwei grossen Aufgaben: Er suchte, hier im Lager der Demokraten Verständnis zu werben für die Zukunft der deutschen Arbeiterbewegung, an deren Wiedererstehen er mit felsenfester Ueberzeugung glaubte. Und er bemühte sich, die Richtungsgegensätze in der Bewegung, die aus der Niederlage von 1933 entstanden waren, zu ueberwinden, um die Einheit der neuen Sozialdemokratie zu sichern. Für beide Aufgaben war seine Persönlichkeit wie geschaffen. Er repräsentierte für die internationalen Sozialisten, zu denen er sprach, in seiner Person die aufrechte demokratische Tradition der besten Teile der deutschen Arbeiterschaft. Und er verstand es, durch seine Geradheit und Ergebenheit an die Sache, das Vertrauen aller Richtungen der sozialistischen Emigration zu gewinnen. Noch seine letzten Briefe in der Vorbereitung der Konferenz von Hannover galten der Einheit der Partei ..."

Am Sonnabend, dem 13. Oktober, sendete die BBC in ihrer deutschen Abendsendung "Das wandernde Mikrophon" um 22 Uhr eine eindrucksvolle Reportage über die Beisetzungsfeier im Krematorium mit ausführlichen Auszügen aus den Trauerreden der Genossen Morgan Phillips und Erich Ollenhauer. Auch in der deutschsprachigen Nachrichtensendung der BBC wurde über die Beisetzung in Golders Green nach Deutschland berichtet.

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Die Beileidskundgebungen,

die der Partei und der Genossin Dina Vogel[2] zugegangen sind, waren so zahlreich, dass wir leider aus Raummangel nur eine Auswahl aus den Kreisen der britischen und internationalen Arbeiterbewegung wiedergeben koennen.


Morgan Phillips, Generalsekretaer der Labour Party:
"It is with deep regret that I have learnt of the death of Hans Vogel and on behalf of the National Executive Committee would like to express their sincere and heartfelt sympathy on this loss."


Mr. Philipp Noel-Baker, Minister of State:
"I was deeply grieved to see in the paper this morning that Hans Vogel had died. It is indeed a tragic loss for everybody, and he is gone just at the moment when he could have rendered such splendid service. When I got home I found your letter waiting for me. I am so happy to know that he had my last words."


Mr. John Hynd, Chancellor of the Duchy of Lancaster[3]:
"I was deeply grieved and shocked to learn of the passing of our good comrade Hans Vogel ... It is particularly tragic that such a great fighter in our common cause should have been lost to us at this time when the service of such as he are most needed. It only rests for all of us who knew him to record our deep appreciation of his courage and faithfulness, and I hope that those who are left to carry on the task will be fortified by the great examples he has shown. We shall always remember him."


Mr. Jim Middleton, ehemaliger Generalsekretär der Labour Party:
"...During the dark years of the war it has been a pleasure and a great privilege to have counted Hans as a good friend and comrade. Although his lack of English and my lack of German prevented our close conversation, we both felt inspired by the common love of our Socialist faith, most of all in our respect, and belief in its International triumph. International Socialism was our common tongue. When we met, our eyes lighted up with a mutual affection, and our hearts and spirits held a kinship that we both felt very precious. In a world where national enmities were the commonplace circumstances of the time, Hans and I, like quite a number of other comrades, sensed that behind and above all the hate and conflict the great historic Working-class Movement, which we have both been proud to serve - he in his homeland, me in my own England - above all the welter of World War, the mass of men and women were paying the dire penalty of disease, destruction, and death for the faults and follies of other men.

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It was good to witness Hans' consistent faith in Internationalism. It is sad indeed that the hand of Death has touched him at the moment when he was looking forward to a hopeful return to his stricken Fatherland and its stricken people. That task will fall to other, younger comrades, but they can carry with them in their great work of rebuilding their shattered Trade Union and Socialist Movements something of the fearless confidence that Hans possessed and preserved throughout his years of exile.

Here, among many of his English comrades, we shall cherish a heartening memory of a great servant of Socialism and whose friendship has been a lasting joy. We salute a great German! We say "Good-by" to an abiding Socialist! We bid our 'Farewell' to an affectionate and very dear friend."


Mr. Victor Gollancz:
"I was most deeply grieved to hear of the death of Hans Vogel. I have never come across a man whom I liked more: he seemed to me to be a really beautiful example of the best type of man of the working class, with all its natural charm and courtesy, of whatever nationality. He alone would have been sufficient to explode the ridiculous ideas on which Vansittartism is based. It is a real grief when I think I shall never see him again."


Mr. Corder Catchpool[4]:
"... I am grieved that our esteemed friend Hans Vogel has passed away... He is now one of those who have given their lives for the cause of social democracy, just as much as so many of his Genossen on the continent. The news of his death which I first saw in the papers a day or two ago came as a great shock and grief to me ..."


Mr. Gordon Walker, M.P.:
"I am writing to express my sympathy on the death of your husband. On the occasions when I met him I was very much impressed with his integrity and political foresight. The Socialist Movement has, through his death, suffered a great loss."


Londoner Vertretung der Sudetendeutschen Sozialdemokratischen Partei (Wenzel Jaksch und Richard Reitzner):
"...Das Schicksal wollte es, dass Hans Vogel und die sudetendeutsche Arbeiterbewegung einander brüderlich verbunden waren. Er war schon vor 1933 mehrmals unser Gast. Hans war dann in der Zeit seiner Prager Emigration wirklich ein idealer Gast vom Standpunkt der gastgebenden Partei. Er, Otto Wels, Siegmund Crummenerl und Friedrich Stampfer draengten uns niemals ihre

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Ratschlaege auf, aber sie halfen uns in unserem schweren Endkampf, so gut sie nur konnten, und wir versuchten wiederum, uns in die Sorgen einer exilierten Bruderpartei einzuleben. Von Otto Wels, Hans Vogel und ihren Freunden haben wir noch in der Heimat gelernt, dass auch Sozialisten in der Emigration Wuerde und Charakter bewahren koennen. In den letzten Monaten und Wochen seines Lebens war Hans Vogels rastloser Geist nicht nur mit der sorgenvollen Gegenwart und der unbestritten grossen Zukunft der deutschen Arbeiterbewegung beschaeftigt. Auch das Schicksal der Vertriebenen aus Ostdeutschland und dem Sudetenland beschaeftigte ihn tief. Sein gluehender Wunsch, beim Wiederaufbau Deutschlands und bei der Hilfeleistung fuer die Opfer des Hitlerkrieges mit anpacken zu koennen, ging leider nicht in Erfuellung. Wir wissen aber, dass das Beispiel rastloster Pflichterfuellung, das Hans Vogel bis in die letzten Tage seines Lebens gegeben hat, in der sozialdemokratischen Bewegung Deutschlands weiterleben wird."


Londoner Büro der oesterreichischen Sozialisten (K. Czernetz):
"... Die Persoenlichkeit des Genossen Hans Vogel, sein Leben und sein Tod erscheint uns symbolisch fuer das Leben und den Kampf der beisten Teile der deutschen Arbeiterklasse. Wir haben Vogel immer nur als den einfachen, bescheidenen, aber mutigen und ueber alle Massen charakterfesten Arbeiter gekannt. Er hat so wie die Kernschicht der deutschen sozialdemokratischen Arbeiter immer seiner Partei die Treue gehalten, gekaempft und gelitten, aber er hat nie gewankt. Wir oesterreichischen Sozialisten im Exil in England haben Hans Vogel wahrhaftig zu schaetzen und zu lieben gelernt. Je heftiger die Angriffe auf ihn wurden, desto mehr wuchs er ueber seine Gegner, die Gegner der unterdrueckten und verfolgten deutschen Arbeiterklasse hinaus. Heute sieht jeder, wie recht Hans Vogel und seine deutschen und internationalen Freunde hatten, die immer sagten, dass auch der faschistische Terror den Geist der deutschen Arbeiterklasse nicht zu brechen vermochte. Die deutsche Sozialdemokratie ersteht heute trotz ungeheuerlicher Schwierigkeit wieder ..."


Mr. Adam Ciolkocz (PPS, Polen):
"Tief bewegt habe ich vom Ableben den Gen. Hans Vogel erfahren. Es sei mir erlaubt, Ihnen mein aufrichtiges Beileid auszusprechen in der schwersten Stunde Ihres Lebens. Ehre dem Andenken des verstorbenen Genossen."


Mr. Pietro Treves (Sozialistische Partei Italiens):
"... I mourn with you over the sudden departure of a brave man,

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comrade and a doughty fighter ... I expect my comrades in Italy are already aware of your loss. I am sure they would wish me to express to you even their sincerest condolences."


Mr. Raphael Abramovitch, Auslandsvertretung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, New York:
"Deeply moved by loss of dear old friend and comrade. Wish to express in own name and behalf of my organisation sincerest sympathy [with] family and party."


Ernst Paul, Schwedengruppe der Treugemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten, Stockholm:
"Mit tiefem Schmerz haben wir die Nachricht vom Hinscheiden Hans Vogels vernommen. Hans Vogel erfreute sich in unseren Kreisen der besten Wertschaetzung. Wir sahen in ihm nicht nur einen der wuerdigsten Repraesentanten der deutschen Arbeiterbewegung, einen selbstlosen Kaempfer, einen tiefen Sozialisten, sondern auch einen herzensguten Menschen. Bei aller Tragik, die den Tod Hans Vogels umwob, konnte sich doch niemand der Groesse dieses Schicksals verschliessen. Gemeinsam mit dem unvergesslichen Otto Wels und anderen Freunden hat er die Leitung der deutschen Sozialdemokratie bis zu jener Stunde in fester Hand gehalten, da sie in Deutschland selbst wieder auferstand.

Noch selten hat sich das Wort des ehrwuerdigen Gesanges so ueberzeugend bewahrheitet wie in diesem Falle: 'Das Banner bleibt stehn, wenn der Mann auch faellt.' Hans Vogels Gedenken wird in den Herzen der deutschen Arbeiterbewegung weiterleben, eine neue sozialistische Internationale wird seiner gedenken und auch wir werden unseren teuren Freund Hans nicht vergessen."


International Co-operative Women's Guild, London (Theo Naftel[5] und Emmy Freundlich):
"Tief erschuettert von der traurigen Nachricht, dass Sie einen Ihrer Fuehrer, Hans Vogel, verloren haben, sprechen wir Ihnen unsere tief gefuehlte Teilnahme aus. Es war eine wirkliche Tragoedie, dass Genosse Vogel nicht mehr nach Deutschland zurueckkehren konnte und gestorben ist, gerade in dem Augenblick, wo sich eine Gelegenheit ergeben hat und er sein Land haette wiedersehen koennen ... Alle, die ihn gekannt haben, werden ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren."


Sozialistische Erziehungs-Internationale[6], London (Willi Hocke)[7]
"Im Namen der SEI gestatten wir uns, Euch unser aufrichtigstes Beileid zu diesem schweren Verlust zu übermitteln. Hans Vogel war uns stets ein Vorbild ehrlichster Gesinnung und unermüdlicher Pflichterfüllung. Fuer die junge Generation war er der gute Freund, das leuchtende Beispiel eines aufrechten Charakters ..."

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Internationaler Gewerkschaftsbund (Walter Schevenels):
"I only returned to my office today and I seize this first opportunity to write since the sudden death of our good comrade Hans Vogel to offer you and the German Social Democrats in exile my most sincere condolences and sympathy in the severe loss the movement has suffered as a consequence of the passing of Hans Vogel."

Gedaechtnisfeiern in London

Die Londoner Gruppe der SPD hielt Mittwoch, d. 10. Oktober, die erste Versammlung nach dem Tode Hans Vogels ab. Zwei Genossen sprachen ueber "Deutscher Alltag in Deutschland 1945" und berichteten ueber ihren mehrmonatigen Aufenthalt in Deutschland. Die Versammlung wurde mit einer kurzen wuerdigen Gedaechtnisfeier fuer den Verstorbenen eingeleitet. Sein Bild, mit Blumen und roten Farben dekoriert, stand auf der Buehne. Erwin Weiss[8] spielte Trauermusik von Chopin. Der Vorsitzende, Wilhelm Sander, sprach tiefempfundene Worte des Gedenkens. Er erinnerte an die letzten Zusammenkuenfte mit dem Toten, an seine Mitarbeit mit den Genossen in London und an seinen Frohsinn im persoenlichen Verkehr mit ihm. Als seine Freunde der bayrischen Heimat, Treu, Simon[9] und Lossmann[10], ihn in Hannover erwarteten, begann die Krise, die sein Krankenbett zum Totenbett machte. Wir alle liebten ihn und kannten ihn als den einfachen und schlichten Menschen, schaetzten seinen Mut, gepaart mit Verantwortungsbewusstsein, seine internationale Gesinnung und sein Wirken fuer die Einheit der sozialistischen Bewegung. Wir muessen weiterarbeiten, ohne Hans Vogel, aber in seinem Geiste! Gerhard Gleissberg brachte einige der eingegangenen Sympathiekundgebungen zur Kenntnis, die die Verehrung des Verstorbenen weit ueber den Rahmen der Partei hinaus bezeugten.

Sonnabend, den 13. Oktober, fand in London eine ueberfuellte Versammlung der "Union" statt, in der Dr. E. F. Schumacher[11] ueber die Erfahrungen und Beobachtungen einer dreimonatigen Studienreise nach Deutschland berichtete. Auch diese Versammlung begann mit einem wuerdigen Nachruf durch den Vorsitzenden der Versammlung, Erich Ollenhauer. Der Redner zeigte, wie Hans Vogel seit Fruehjahr 1941, kurze Zeit nach seinem Eintreffen in Spanien und Portugal, in London daran arbeitete, in der Union die verschiedenen Gruppen im sozialistischen Lager zusammenzufuehren. Dieses Experiment ist gelungen, und dem langjaehrigen Vorsitzenden der Union sozialistischer Organisationen in Gross Britannien gebuehrt Dank und Anerkennung.


Die reichsdeutsche Presse, insb[esondere] der Westzonen, brachte Meldungen ueber den Tod und die Beisetzungsfeierlichkeiten, und in einigen Zeitungen erschien das Bild Hans Vogels.

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Gruesse aus der Heimat, die ihn noch erreichten

Wilhelm Hoegner, bayrischer Ministerpräsident:

"... Ich hoffe gern, dass Du in absehbarer Zeit nach Bayern zurückkehren kannst. Wir würden Deinen altbewährten Rat, den du uns als langjähriger Abgeordneter und als Mitglied des PV so oft zur Verfügung gestellt hast, für unsere gegenwärtige und weitere Politik nach Zulassung der Partei sehr benötigen ... Ich hatte bisher keine Möglichkeit, Dir zu schreiben, sonst hätte ich Dir schildern müssen, mit welch echter Freude und Begeisterung ich in Deutschland von meinen alten Anhängern aufgenommen worden bin. Diese Augenblicke des Wiedersehens mit alten Parteifreunden, denen oft die hellen Tränen über die Wangen liefen - und wir Bayern sind doch kein rührseliges Volk -, haben mich bittere Jahre der Verbannung vergessen lassen. Die gemeinsame Gegnerschaft gegen die Nazis hat mir auch in den Reihen der früheren politischen Gegner im Buergertum ein herzliches Willkommen verschafft. Es war oft so, wie man nach einer gemeinsam überstandenen Gefahr mit bisher wildfremden Menschen zu reden anfängt und sich die Hände schüttelt. Aber das alles wirst Du ja selbst erleben, wenn Du hierher zurückkommst ..."


Carl Severing, Bielefeld: "Ich danke Dir vielmals und von ganzem Herzen für Deinen Brief. Erfreulich war fast alles daran: die Schnelligkeit, mit der er meinen Gruss an Dich erwiderte, die Mitteilung, dass es Dir und den Freunden leidlich gut geht und vor allem die Nachricht, dass Ihr wiederkommen wollt, sobald es eine Gelegenheit gibt. dass diese Gelegenheit sich recht bald einstellen möge, ist auch mein dringlicher Wunsch. Es regt sich überall, aber es fehlt die Zusammenfassung. Sie ist einmal auch technischen Gründen noch nicht möglich. Endlich aber darf es nicht mehrere, sondern nur eine Spitze und eine Zusammenfassung geben, und die wird nach meiner Meinung Dir und den Freunden vom Parteivorstand am leichtesten gelingen. Das jedenfalls darf ich Dir sagen, überall war man von Deiner Ankündigung sehr erfreut, recht bald wiederzukommen ..."


Paul Löbe, Berlin: "Mit grosser Freude und klopfendem Herzen habe ich Deinen Brief gelesen - die Bilder der Vergangenheit steigen auf, wenn man die Schriftzüge wiedersieht, die in dieser Kürze auf den Präsenzlisten der Fraktionssitzungen gestanden ... Gruesse alle Freunde über dem kleinen und über dem grossen Wasser! Wer mag dort noch leben? - Ich helfe ein wenig, halte mich aber zurück. Jetzt muss die Jugend heran, denn wir werden nun 70!"

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In der amerikanischen Besatzungszone wurden drei provisorische Landesregierungen eingesetzt: in Bayern mit dem Gen. W. Hoegner als Ministerpräsidenten und 4 Sozialdemokraten, einem Kommunisten und einem Christlichsozialen als Minister; in Baden und Württemberg mit Dr. Reinh[old] Maier[12] (Lib.) als Min[ister]-Präs[ident] und 2 Sozialdemokraten, 2 Liberalen und 2 christlichsozialen Ministern; und in Gross-Hessen mit Prof. Dr. Karl Geiler[13] (Lib.) als Min[ister]-Präs[ident] und 2 Liberalen, einem Sozialdemokraten und einem Kommunisten als Minister. Die Namen der Minister sind noch nicht bekannt.


Für den Freistaat Sachsen fand in Freital bei Dresden eine Landestagung der SPD statt. Buchwitz (früher Bezirkssekretär in Görlitz) hielt das politische Referat. Für die KPD sprach als Gast Matern[14], für die Gewerkschaften Otto Seifert[15] (früher Jugendsekretär im DMV), Dr. Zeigner sprach über Justizfragen, Richard Tempel[16] über die Verluste der Sozialversicherung, Rosa Mueller[17] über die hohe Säuglingssterblichkeit und Karl Arndt[18] (früher Bezirkssekr[etär] des ADGB) über Gewerkschaftsfragen. Paul Löbe, Berlin, gab seiner Freude Ausdruck, endlich wieder die Luft eines freien Parteitages atmen zu können.

Einen Bericht über die SPD-Konferenz in Hannover
gab Max Fechner in der Berliner SPD-Zeitung "DAS VOLK". Er berichtet über die Einigkeit, die die Verhandlungen zwischen den SPD-Vertretern der westlichen und östlichen Gebiete Deutschlands auszeichnete. Dr. Schumacher, der an der Spitze der SPD in Westdeutschland steht, habe das volle Vertrauen der Sozialisten im Osten. Völlige Einigkeit bestünde auch in den Ansichten über die künftige Politik und Organisationstätigkeit der Partei...

Erwin Schoettle, London, gab in der Arbeitersendung der BBC am 11. Oktober einen Bericht über die SPD-Konferenz in Hannover. "Mehr als die Hälfte der Delegierten trugen die Spuren der KZ-Jahre im Gesicht und am Körper ..."

In London gab Erich Ollenhauer in einer von der SPD London einberufenen und aus allen Kreisen der politischen sozialistischen Emigration stark besuchten Versammlung einen umfassenden Bericht über die erste sozialdemokratische Konferenz in Hannover. Fritz Heine und Erwin Schöttle ergänzten das Referat Ollenhauers.

Die Wiedergeburt der deutschen Sozialdemokratie
Unter diesem Titel erscheint ein Bericht über Vorgeschichte und Verlauf der SPD-Konferenz von Hannover vom 5. - 7. Oktober 1945 in deutscher und englischer Sprache. (Unkosten sh 1/-) Alle Leser der SM erhalten eine Ausgabe zugestellt. Der englische Text kann bereits jetzt bei Wilh. Sander bestellt werden.

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Aus Berlin werden die folgenden Genossen, meist Abgeordnete, als verstorben gemeldet:

Paul Bader[19], Gust. Bauer, Heinr. Cunow[20], Brückner[21], Albert Falkenberg[22], Herm. Fleissner[23], Fritsch-Liegnitz[24], Gräf[25], Grotjahn[26], Hildenbrandt[27], Paul Hirsch[28], Anni Kurfürst[29], Peus-Dessau[30], Schiller[31], Südekum, Herm. Schlicke[32], Gg. Schmidt[33], Robert Schmidt[34], Herm. Schropp[35], Stücklen[36], Taubadel[37], Hanna Tesch[38], Wittmaak[39] und die Frankfurter Genossen Brosswitz[40], Heise[41], Metz[42], Mulansky[43] und Andreas Portune[44].

Dr. Gg. Gradnauer[45] (80-jährig aus Theresienstadt nach Berlin), Gg. Schöpflin[46], Alwin Brandes[47], Frau Wegscheider[48], Gg. Wissel[49], Steinkopf[50], Kotzur[51], alle in der russischen Zone lebend, Gen. Landsberg[52] befindet sich in Holland, ebenfalls Dr. Mennicke[53], Alfred Dobbert[54] (im Reichstagsbrandprozess in Leipzig seinerzeit als Zeuge vernommen) hielt bei einer Gründungsversammlung der SPD in Sterkrade die Hauptansprache. Dr. A. Remmele[55] ist jetzt Leiter des Zentralverbandes deutscher Genossenschaften in Hamburg. Erich Grisar[56] gab eine Dichterlesestunde in Frankfurt, Gustav Noske will nach Hannover zurück; Wilh. Widmann[57], fr[üher] Offenbach, Karl Kirchner[58], Frankfurt a. Main.

Prof. Dr. Erik Noelting[59] zum Leiter der Abt[ei]l[un]g Wirtschaft der Westfälischen Provinzialverwaltung; D. Walt[er] Kolb[60] zum Oberbürgerm[ei]st[e]r von Düsseldorf; Hans Venedy[61] zum Innenminist[er] von Gross-Hessen, Max Schinabeck[62] zum Leiter des Arbeitsamtes in Regensburg; Dr. Metzger[63] zum Oberbürgerm[ei]st[e]r von Darmstadt; Dr. K. Necker[64] zum Landrat des Kreises Südtondern; Karl Neef[65] zum Landrat in Erbach; Neemann[66] zum Senator in Oldenburg; Franz Xaver Pitzer[67] zum Polizeipräsidenten von München; Georg Lowig[68] zum Landrat, Landkreis Nürnberg; K. Edelblueht[69] zum Polizeipräsidenten von Saarbrücken; Stiglauer[70] zum Polizeipräsidenten von Zweibrücken; Dr. Sennewald[71] zum Stadtrat in Flensburg und Hellwig[72] zum Stadtrat in Flensb[ur]g.

Als Verleger der neugegründeten "Frankenpost"[73] in Hof hat Gen. Hans Seidel[74], Hof, früher MdR und Parteisekretär, die Lizenz erhalten. Kurt Frenzel[75], früher Chemnitz, wurde Redakteur in Regensburg; Wilh. Kindermann[76], früher Jena, wurde neben Dr. J. Hofmann[77], 2. Redakteur der "Aachener Nachrichten"[78], Wolfgang Bartels[79], früher Braunschweig, wurde einer der 5 Redakteure der jetzt von Deutschen herausgegebenen Zeitung "Hessische Nachrichten". Der "Weser-Kurier"[80] veröffentlichte einen grossen Artikel, der die Ansichten eines der führenden Genossen in Bremen über die politischen Ziele und das Gegenwartsprogramm der Partei enthält. Walter Hammer[81], früher Feuerreiter-Verlag, ist aus dem Zuchthaus Brandenburg befreit worden.

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Vor etwa 25 Jahren hatten sich in allen grösseren Städten Deutschlands Ausschüsse der Arbeiterwohlfahrt gebildet. Ihr Zweck war, alle in der Wohlfahrtspflege tätigen Genossen zusammenzufassen, zu schulen und den Weg vorzubereiten, die gesamte Wohlfahrtspflege in die öffentliche Hand überzuleiten. Ein Netz von Arbeiterwohlfahrtsausschüssen (AWA) hatte sich über ganz Deutschland gespannt. Durch praktische Arbeit, insb[esondere] auf den Gebieten der Erholungsfürsorge, der Fürsorgeerziehung, der Jugendgerichtshilfe, der Hauskrankenpflege usw., war es unseren Freunden gelungen, überall in der öffentlichen und in der freien Wohlfahrtspflege Einfluss zu [er]langen. Unter schweren Mühen und grossen Opfern gelang es den AWA in einigen Städten, eigene Kindererholungsheime usw. zu errichten. Auch diese Selbsthilfeeinrichtungen der Arbeiterschaft wurden nach der Machtergreifung Hitlers verboten, und die AWA wurden ihrer Einrichtungen durch die Nazis beraubt. Nun ist die AW [Arbeiterwohlfahrt], die grosse Gemeinschaftshilfsorganisation der deutschen Arbeiterschaft, in zahlreichen Städten wieder neu erstanden.

Diese Meldungen kommen aus Dortmund, wo die AW Volksküchen einrichtete, aus Stuttgart, wo Kindertagesstätten und Waldheim-Ferienkolonien vorbildlich organisiert werden, aus Hamburg, Lübeck, Hannover und Städten des Ruhr- und Rheingebietes.

Auch im Ausland haben unsere deutschen Genossen die Initiative zur Gründung von Arbeiterwohlfahrts-Ausschüssen ergriffen.

In London wurde ein Ausschuss gegründet, dem bisher Jenny Fliess[82], Herta Gotthelf, Paul Heide, Fritz Heine, Nelly Janovsky[83], Heinz Putzrath[84], Wilh. Sander (Vorsitz.), Dora Segall, Helene Schoettle[85], Ingrid Sieder[86], Frida Walter[87] und Friedr. Wittelshöfer[88] angehören und der sich die Aufgabe gestellt hat, Kleidungsstücke, Gebrauchsgegenstände, Gelder, Arznei- und Stärkungsmittel zu sammeln, um den Opfern der Gestapo und der KZ in Deutschland und deren Angehörigen baldige Hilfe senden zu können.

In Stockholm bildete sich ebenfalls ein AWA, bestehend aus unseren Freunden Alfred Drechsel[89], Kurt Heinig, Olga Neidhardt[90], Paul Pankowski[91] (Vorsitz) und Otto Thiele[92], der im engen Einvernehmen mit London arbeiten will und die volle Unterstützung unserer schwedischen Bruderpartei findet.
In New York hat unser Freund Robert Groetsch in der deutschen Sprachgruppe der Sozialdemokratischen Föderation die Initiative ergriffen, eine Hilfsaktion für unsere Genossen in Deutschland durchzuführen, und die "Volkszeitung" wird ihre Spalten der Propagierung dieser Idee zur Verfügung stellen.
In anderen Ländern wird man diesen Beispielen sicher folgen.




Issued by the London Representative of the German Social
Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London N.W.7. 'phone MIL 3915






Editorische Anmerkungen


1 - 5.-7. Oktober 1945: Vgl. Beilage 1 zu dieser Ausgabe.

2 - Dina (= Christine) Vogel (1880 - 1966), Ehefrau von Hans Vogel, bis 1906 Metallarbeiterin, SPD- und Gewerkschaftsmitglied, ab 1933 dieselben Exilstationen wie ihr Mann, im April 1937 ausgebürgert; nach 1945 Rückkehr nach Deutschland.

3 - Chancellor of the Duchy of Lancaster: Minister, der mit Sonderaufgaben betraut wird.

4 - Corder Catchpool (1883 - 1952), Ingenieur, Quäker und Pazifist, 1930-1935 Vertreter der britischen und amerikanischen Quäker in Deutschland (Berlin), setzte sich während des Krieges in England gegen das Flächenbombardement deutscher Städte ein. Beim Bergsteigen in der Schweiz tödlich verunglückt.

5 - Zu Theo Naftel konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

6 - Der Sozialistische Erziehungs-Internationale (SEI) ist 1924 aus der Internationalen Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Erziehungsorganisationen hervorgegangen.

7 - Willi(bald) Hocke (1896 - 1962), Funktionär von DSAP und Arbeiterverein Kinderfreunde für die CSR, 1938 Exil in Belgien, 1940 in Großbritannien; nach Kriegsende in Deutschland.

8 - Erwin Weiss (Künstlername: Peter Falk) (geb. 1912), österreichischer Konzertpianist und Komponist, Kapellmeister, 1927 Mitglied der österreichischen Sozialdemokratie, 1938 flüchtete er aus Österreich über die Schweiz und Frankreich nach England, wo er für acht Monate interniert war; im November 1945 Rückkehr nach Wien. Der in den SM erwähnte musikalische Vortrag fand etwa einen Monat vor der Rückkehr von Weiss in seine Heimat statt. In den archivarischen Auskünften des VGA/Wien heißt es dazu: "Erwin Weiss war auch einer der ersten österreichischen Sozialisten, die durch Intervention der Labour Party noch vor den Novemberwahlen 1945 nach Österreich zurückkehren durften. Das Flugzeug, mit dem diese ersten 17 Sozialisten die Heimreise antraten, entging bei der Landung in Wien nur knapp einem Absturz. Dieser Rückkehr war ein Brief Oscar Pollaks an die Labour Party vom 6.10.1945 vorausgegangen, in dem auch Erwin Weiss auf einer beigelegten Personenliste wie folgt aufscheint: Erwin Weiss; 3, Moatlands House, Cromer Street, London WC1 - Youth Organizer & Choir conductor; Education". Der VGA zitiert außerdem aus einer drei Jahre früher entstandenen "Zeitspiegel"-Rezension von Jenö Kostmann "...über den ersten Auftritt des Young Austria Chors am 15. Mai 1942 in der Londoner Wigmore Hall im Rahmen eines österreichischen Konzerts: '... Für die jungen Leute und ihren Leiter, die tagsüber schwere Arbeit in der Kriegsindustrie leisten, sind die erzielten Leistungen, besonders bei den russischen Liedern, eine starke Bewährungsprobe. Es ist wertvolle Kulturarbeit, die hier geleistet wurde. Erwin Weiss holte sich auch als Komponist mit drei in der Internierung entstandenen Liedern Erfolg ...' ." Seit 1932 war Weiss als Chorleiter tätig, Dirigent des Arbeitersängerbundes Favoriten, seit 1956 Chorleiter des Jugendchores des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (bzw. der "Chorvereinigung des ÖGB"), 1961 Ernennung zum Professor, 1993 Goldenes Verdienstzeichen der Republik Österreich.

9 - Josef Simon (1865 - 1949), Schuhmacher, 1900-1933 Vorsitzender des Zentralverbandes der Schuhmacher, 1912-1918 SPD-MdR (ab 1917 USPD), 1919/20 USPD-Mitglied der Nationalversammlung, 1920-1932 USPD/SPD-MdR, 1933/34 und 1935 im KZ Dachau; während der NS-Zeit in Nürnberg in der Widerstandsbewegung.

10 - Julius Loßmann (1882 - 1957), Schuhmacher, schon in jungen Jahren Mitglied von Gewerkschaft und SPD, 1918-1933 Parteisekretär der Nürnberger SPD, 1933/34 und 1944/45 im KZ Dachau (dort 20 Monate). 1945ff. Mitglied des Nürnberger Stadtrats und Bezirkssekretär der dortigen SPD, ab 1949 ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Nürnberg.

11 - Ernst Friedrich Schumacher (1911 - 1977), Wirtschaftsfachmann, seit 1937 in Großbritannien, während des Krieges zusammen mit William Beveridge Autor eines Berichts über die Wohlfahrtsstaatplanung (Beveridge-Report). 1946-1950 Wirtschaftsberater in der britischen Sektion der Kontrollkommission für Deutschland.

12 - Reinhold Maier (1889 - 1971), Volkswirt und Jurist, Mitglied der DDP, 1929-1933 württembergischer Wirtschaftsminister. Ab September 1945 Ministerpräsident des neuen Landes Württemberg-Baden, 1952-1953 Rücktritt als Ministerpräsident von Baden-Württemberg, 1953-1956 und 1957-1959 MdB, 1957-1960 Vorsitzender der FDP.

13 - Karl Geiler (1878 - 1953), Rechtsanwalt, ab 1929 Honorarprofessor an der Heidelberger Universität, 1939 amtsenthoben. Oktober 1945 - Dezember 1946 Ministerpräsident von Hessen, parteilos, ab Juni 1947 Ordinarius für Internationales Recht (Heidelberg). Im Gegensatz zur Angabe im SM-Text (lib.) war KG parteilos.

14 - Hermann Matern (1893 - 1971), Gerber, 1910 Mitglied des Lederarbeiterverbandes, 1911 Mitglied der SPD, 1918 Eintritt in die USPD, 1919 in die KPD, 1932 KPD-MdL Preußen, 1933-1934 inhaftiert, 1934 Flucht aus dem Zuchthaus, verschiedene Exilländer, ab 1941 in der UdSSR, Mitbegründer des Nationalkomitees Freies Deutschland. Nach Kriegsende 1945 nach Dresden, ab 1946 Vorsitzender der Berliner SED und Mitglied des SED-Vorstandes.

15 - Otto Seiffert, ab Juni 1945 Vorsitzender des Vorbereitenden Gewerkschaftsausschusses Sachsen, FDGB, von der SPD zur SED, später Präsident der Industrie- und Handelskammer Dresden.

16 - Zu Richard Tempel konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

17 - Rosa Müller, ab Februar 1946 im Bezirksvorstand der SPD Chemnitz.

18 - Karl Arndt (1886 - 1948), von Beruf Schlosser, seit 1908 SPD-Mitglied, 1920 DMV-Funktionär, 1925 ADGB. 1945-1946 Vorsitzender des SPD-Kreises Charlottenburg.

19 - Paul Bader (1865 - 1945), Journalist, Sozialdemokrat, 1899-1923 Chefredakteur der "Volksstimme" (Magdeburg), 1919/1920 Mitglied der Nationalversammlung, 1924 -1932 MdR.

20 - Heinrich Cunow (1862 - 1936), Kaufmann, später Professor für Völkerkunde, Sozialdemokrat, auch Parteitheoretiker, Schriftsteller, Redakteur an der "Neue Zeit" 1899-1923 (ab 1917 Chefredakteur), zeitweise auch "Vorwärts"-Redakteur.

21 - Eugen Brückner (1872 - 1931), Portefeuillehandwerker, Sozialdemokrat, Gewerkschaftsfunktionär, gelegentliche Mitarbeit am "Vorwärts", 1919-1921 SPD-Mitglied der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, ab 1921 MdL Preußen.

22 - Albert Falkenberg (1871 - 1945), Sozialdemokrat, Gewerkschaftsfunktionär, Staatsbeamter, 1928-1930 SPD-MdR.

23 - Hermann Fleißner (1865 - 1939), Tischler, seit 1884 Sozialdemokrat (1917-1922 USPD), Redakteur und Schriftsteller u.a. bei der "Dresdner Volkszeitung", November 1918-Januar 1919 sächsischer Volksbeauftragter für das Militärwesen, 1920-1933 MdR, 1920-1924 Minister für Volksbildung des Freistaates Sachsen, 1933-1934 in Haft.

24 - Otto Fritsch (geb. 1870), Textilarbeiter, Sozialdemokrat und Gewerkschafter, ab 1904 Bezirksleiter des Deutschen Textilarbeiter-Verbandes für die Provinz Schlesien (Liegnitz), 1919-1921 Mitglied der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, 1921 - 1932 SPD-MdL Preußen, 1933 Emigration in die CSR, dort Differenzen mit der Sopade wegen angeblicher Verbindungen zum deutschen Konsul in Reichenberg (Spitzelverdacht). Marlis Buchholz/Bernd Rother (Der Parteivorstand der SPD im Exil. Protokolle der Sopade 1933 - 1940, Bonn 1995, S. 161) merken an: "Zum Spitzelverdacht konnten keine Informationen gefunden werden."

25 - Eduard Gräf (1879 - 1936). Lithograph, Sozialdemokrat und Gewerkschafter, war 1906-1918 SPD-Stadtverordneter in Frankfurt a. M., 1918-1920 Unterstaatssekretär im Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt, 1920 Mitglied des Preußischen Staatsrats und 1920-1932 Bürgermeister in Frankfurt a. M.

26 - Zweifelhaft, ob: Alfred Grotjahn (1869 - 1931), Prof. Dr. med., 1921-1924 SPD-MdR, gemeint ist. Das Todesjahr, das auch den "Londonern" bekannt gewesen sein dürfte, spricht jedoch dagegen, dass es sich um diesen Grotjahn in der Berliner Meldung von 1945 handeln könnte.

27 - "Hildenbrandt": Es könnte sich um Karl Hildenbrand (1864 - 1935) handeln: Schriftsetzer und Redakteur, Sozialdemokrat, 1900-1913 SPD-Mitglied des Württembergischen Landtags, 1903-1918 MdR, 1918-1924 Württembergischer Gesandter in Berlin, 1919/1920 Mitglied der Nationalversammlung, 1920-1932 MdR, 1933 fünf Monate im Gefängnis, ohne dass Anklage gegen ihn erhoben wurde.

28 - Paul Hirsch (1868 - 1940), Sozialdemokrat und Journalist, 1908-1933 SPD-MdL Preußen, 1918-1920 Preußischer Ministerpräsident, 1925-1933 Bürgermeister von Dortmund, Autor zahlreicher sozialdemokratischer Schriften, u.a. zur Kommunalpolitik.

29 - "Anni Kurfürst": Nanny Kurfürst, geb. Röschmann (1892 - 1945), Hausangestellte, SPD-MdR 1928 - 1930.

30 - Heinrich Peus (1862 - 1937), Studium von Theologie, Nationalökonomie und Geschichte, Sozialdemokrat seit 1890, 1891-1933 Chefredakteur des "Volksblatt für Anhalt" (Dessau), 1896-1898, 1900-1906, 1912-1918 und 1928-1930 SPD-MdR. Besonders tätig im Genossenschaftswesen und in der Abstinenzlerbewegung, Eintreten für die Weltsprache "Ido" (eine Art Reform-Esperanto).

31 - Richard Schiller (1874 - 1941), Bildhauer, seit 1906 als Journalist an verschiedenen sozialdemokratischen Zeitungen, 1924-1933 SPD-MdR (mit kurzer Unterbrechung).

32 - "Hermann Schlicke": Wahrscheinlich: Alexander Schlicke (1863 - 1940), Feinmechaniker, Sozialdemokrat, 1895-1918 Vorsitzender des von ihm mitgegründeten DMV, 1919-1930 SPD-Mitglied der Nationalversammlung bzw. des Reichstages, 1919 württembergischer Arbeitsminister, 1919-1920 Reichsarbeitsminister.

33 - Wahrscheinlich Georg Schmidt (1875 - 1946), der hier fälschlich als tot nach London gemeldet wurde. G. Sch. starb am 22.2.1946 in Berlin. G. Sch. war Gärtner, Sozialdemokrat und Gewerkschafter 1909-1933 Vorsitzender des Deutschen Landarbeiter-Verbandes, 1919-1921 Mitglied der Preußischen Verfassunggebenden Versammlung, SPD-MdR 1920-1933, 1933 vorübergehend in sog. Schutzhaft.

34 - Robert Schmidt (1864 - 1943), Klaviermacher, Sozialdemokrat und Gewerkschafter, 1893-1898, 1903-1918 SPD-MdR, 1919-1930 Mitglied der Nationalversammlung bzw. des Reichstags, 1919 Reichsminister für Ernährung, 1919-1920 und 1921-1922 Reichswirtschaftsminister, 1923 Reichsminister für Wiederaufbau, 1929-1930 wiederum Reichswirtschaftsminister.

35 - Hermann Schropp (1874 - 1945), Zigarrenfabrikant, SPD-MdL Preußen 1921-1925. Nach Martin Schumacher befand sich H. Schropp im Frühjahr 1934 in Berlin in Gestapo-Haft. Vgl. Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.L. Das Ende der Parlamente und die Abgeordneten der Landtage und Bürgerschaften der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933 - 1945. Ein biographischer Index, Düsseldorf 1995, S. 146,

36 - Daniel Stücklen (1869 - 1945), Feingoldschläger, Sozialdemokrat und Gewerkschafter, 1891-1893 Mitglied der Parteileitung der ungarischen Sozialdemokratie, 1903-1918 SPD-MdR, 1919-1933 SPD-Mitglied der Nationalversammlung bzw. des Reichstages.

37 - Paul Taubadel (1875 - 1937), Maurer, sozialdemokratischer Redakteur, 1912-1918 SPD-MdR, 1919-1932 SPD-Mitglied der Nationalversammlung bzw. des Reichstages.

38 - Johanna Tesch, geb. Carillon (1875 - 1945), Hausfrau, Sozialdemokratin und Gewerkschafterin, 1919-1920 Mitglied der Nationalversammlung, 1920-1924 MdR, 1944 verhaftet und im März 1945 im KZ Ravensbrück umgekommen.

39 - "Wittmaak": Ernst Wittmaack (1878 - 1942), Friseur, später Redakteur bei sozialdemokratischen Zeitungen, 1919-1921 SPD-Mitglied der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, 1921-1933 SPD-MdL Preußen.

40 - Conrad Broßwitz (1881 - 1945), Tapezierer, Sozialdemokrat und Gewerkschafter, 1919-1933 SPD-Parteisekretär in Frankfurt a. M., 1928-1930 SPD-MdR, 1944 verhaftet und im März 1945 im KZ Dachau umgekommen.

41 - Stephan Heise (1883 - 1945), Buchbinder, Sozialdemokrat (zeitweise auch USPD), nach dem I. Weltkrieg Journalist bei der "Volksstimme" (Frankfurt a. M.), Frankfurter Kommunalpolitiker, 1933 inhaftiert, dann freigelassen, 1935 vor Gericht wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt, nach dem Gefängnis ins KZ Buchenwald, Ende 1941 freigelassen, Januar 1943 ins KZ Sachsenhausen, bei dem "Todesmarsch" der Häftlinge aus Sachsenhausen im März 1945 umgekommen.

42 - Franz Metz (1878 - 1945), Mechaniker, Sozialdemokrat und Gewerkschafter, 1928-1933 SPD-MdR, 1944 verhaftet und in das KZ Dachau verbracht, im Juni 1945 an den Folgen der Haft gestorben.

43 - Ernst Mulansky (gest. 1945), sozialdemokratischer Gewerkschaftssekretär, Vorsitzender der Eisernen Front in Frankfurt a. M., 1933 verhaftet, 1944 erneut verhaftet, im KZ Dachau umgekommen.

44 - Andreas Portune (1875 - 1945), Metallschleifer, Sozialdemokrat und Gewerkschafter, 1910-1917 Redakteur der "Volksstimme" (Frankfurt a. M.), ab 1917 bei der USPD, 1919-1921 hessischer USPD-Bezirkssekretär, 1930-1932 MdR; trat im September 1931 von der SPD zur SAP über, 1943 verhaftet, 1944 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt, im Mai 1945 an den Folgen der Haft gestorben.

45 - Georg Gradnauer (1866 - 1946), Studium der Geschichte und Philosophie, 1890 Beitritt zur SPD, 1890 ff. Redakteur an verschiedenen sozialdemokratischen Zeitungen, Autorentätigkeit, 1898-1906 und 1912-1918 SPD-MdR; 1919-1920 sächsischer Ministerpräsident, 1919-1920 SPD-Mitglied der Nationalversammlung, 1920-1924 MdR, 1921 kurzfristig Reichsinnenminister; 1933 verhaftet, 1944 erneut verhaftet und ins KZ Theresienstadt verschleppt.

46 - Georg Schöpflin (1869 - 1954), Bürstenmacher, seit 1891 SPD- und Gewerkschaftsmitglied (Deutscher Holzarbeiter-Verband), 1895 ff. journalistische Tätigkeit bei sozialdemokratischen Zeitungen, 1903-1906 und 1909-1918 SPD-MdR, 1919-1932 Mitglied der Nationalversammlung und des Reichstages, 1919-1933 Chefredakteur des "Volksfreund" (Karlsruhe). Seit 1946 SED-Mitglied.

47 - Alwin Brandes (1866 - 1949), Schlosser, ab 1890 Mitglied der SPD und der Metallarbeitergewerkschaft, 1900-1919 DMV-Gauleiter in Magdeburg, 1912-1918, 1920-1924 und 1928-1933 SPD- bzw. USPD-MdR, 1919-1933 1. Vorsitzender des DMV. 1933, 1935 und 1936-1937 in verschiedenen Gefängnissen und KZ, 1937 in einem Strafverfahren "wegen Hoch- und Landesverrats" vom Volksgerichtshof freigesprochen, dann entlassen. Blieb 1946 SPD-Mitglied (trotz seines Wohnsitzes im Russischen Sektor von Berlin).

48 - Hildegard Wegscheider, geb. Ziegler (1871 - 1953), Lehrerin (1898 "der erste weibliche Doktor in Preußen"), in der Weimarer Republik Oberschulrätin, 1919 - 1921 Mitglied der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, 1921 - 1933 SPD-MdL Preußen, 1933 als Beamtin entlassen. Gegnerin der SED-Gründung, 1947 Mitlizenzträgerin des "Sozialdemokrat".

49 - Zu "Gg. Wissel" konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden. Keine Falschschreibung von Rudolf Wissell.

50 - Willy Steinkopf (1885 - 1953), Postler, 1919-1930 sozialdemokratisches Mitglied der Nationalversammlung bzw. des Reichstags, als Postdirektor 1933 entlassen. Ab 1945 wieder bei der Post, ab 1949 Leiter der Oberpostdirektion Hannover.

51 - Theodor Kotzur (1883 - 1953), Textilarbeiter, 1919-1921 SPD-Mitglied der Nationalversammlung bzw. des Reichstags, 1925-1933 2. Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes. 1946 SED, 1946-1949 1. Vorsitzender der IG Eisenbahn, 1947-1949 im Bundesvorstand des FDGB.

52 - Otto Landsberg (1869 - 1957), Rechtsanwalt, seit 1890 SPD-Mitglied, 1912-1918 SPD-MdR, 1918/1919 Mitglied des Rats der Volksbeauftragten, 1919-1920 SPD-Mitglied der Nationalversammlung, 1919 Reichsjustizminister, 1924-1933 MdR, ab 1933 Exil in den Niederlanden, 1938 ausgebürgert, 1940-1945 von Freunden versteckt; nicht nach Deutschland zurückgekehrt.

53 - Carl Mennicke (1877 - 1959), religiöser Sozialist, Professor für Soziologie in Berlin, ab 1930 in Frankfurt a. M., ab 1934 Exil in den Niederlanden, 1941-1943 in einem Konzentrationslager. 1952 Rückkehr nach Deutschland, Professor an der Universität Frankfurt a. M.

54 - Alfred Dobbert (1897 - 1975), Textilarbeiter, 1926-1930 SPD-MdL Sachsen, 1930-1933 SPD-MdR, 1933 und 1934 jeweils kurzfristig in Haft. 1946-1966 SPD-MdL NRW, 1946-1951 Chefredakteur des sozialdemokratischen "Rhein-Echo" (Düsseldorf).

55 - Adam Remmele (1877 - 1951), Müller, 1919-1929 SPD-MdL Baden, 1919 badischer Innenminister, 1922-1923 und 1927-1928 badischer Staatspräsident, 1928-1933 SPD-MdR, 1933-1934 und 1944 in Haft. 1948/49 SPD-Mitglied des Wirtschaftsrats in Frankfurt a. M.; Bruder von Hermann Remmele (s. d.).

56 - Erich Grisar (1898 - 1955), Fabrikarbeiter und Betriebstechniker, Schriftsteller. Nach 1945 auch beruflich als Bibliothekar tätig.

57 - Wilhelm Widmann (1876 - 1955), Gürtler, ab 1918 SPD-Bezirkssekretär für Hessen, 1933 und 1934 Schutzhaft und KZ.

58 - Karl Kirchner (1883 - 1945), Schlosser, soll sich bereits im Alter von 16 Jahren der SPD angeschlossen haben, seit 1919 im Frankfurter Stadtparlament, 1924-1933 Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion, 1936 wegen "hochverräterischer Tätigkeit" in Untersuchungshaft, die seine Gesundheit ruinierte.
Bis 1926 Ehemann von Johanna Kirchner (siehe SM 43, Anf. Nov. 1942, Anm. 9 ).

59 - Erik Nölting (1892 - 1953), seit 1923 Prof. an der Akademie der Arbeit in Frankfurt a. M. (Staats- und Wirtschaftswissenschaften), 1928-1933 SPD-MdL Preußen, 1933 aus seinen Lehrämtern entlassen und wiederholt verhaftet. 1946-1949 NRW-Wirtschaftsminister, 1949-1953 SPD-MdB.

60 - Walter Kolb (1902 - 1956), Jurist, SPD-Mitglied seit 1920, 1924-1933 im Staatsdienst, 1933 entlassen. Während des Krieges Flaksoldat und dann in der deutschen Militärverwaltung in Nordfrankreich, 1944 verhaftet. 1945/46 sozialdemokratischer Oberbürgermeister von Düsseldorf, 1946-1956 OB von Frankfurt a. M.

61 - Hans Venedey (1902 - 1969), Rechtsanwalt, seit 1926 Mitglied der SPD, ab 1933 Exil in Frankreich, nach Kriegsbeginn interniert, 1942 Flucht in die Schweiz. 1945 Rückkehr nach Deutschland, 1945-1946 SPD-Innenminister von Groß-Hessen, 1946 aus der SPD ausgeschlossen wegen Befürwortung einer Zusammenarbeit mit der KPD. Dann wieder als Rechtsanwalt in Konstanz tätig.

62 - Max Schinabeck (1892 - 1960), Handlungsgehilfe, seit 1910 SPD-Mitglied, 1913-1933 SPD-Bezirkssekretär in Regensburg, 1933-1945 wiederholt verhaftet und monatelang im KZ. Nach dem Krieg stellv. SPD-Bezirksvorsitzender in Regensburg.

63 - Ludwig Metzger (geb. 1902), Jurist, vor 1933 SPD-Mitglied (auch Bund religiöser Sozialisten), 1933 als Regierungsassessor entlassen, dann als Rechtsanwalt tätig und während des NS-Regimes Mitglied der Bekennenden Kirche. 1945-1950 SPD-Oberbürgermeister von Darmstadt, 1946-1954 SPD-MdL Hessen, 1951-1953 Hessischer Minister für Erziehung und Volksbildung, 1953-1969 SPD-MdB.

64 - Kurt Necker (geb. 1903), seit 1927 SPD-Mitglied, 1930-1942 Tätigkeiten in verschiedenen Kommunalverwaltungen (u.a. Düsseldorf, Hagen Königsberg), 1942-1945 Soldat. 1945-1946 Kommissarischer Landrat in Niebüll (Südtondern), 1946-1947 Regierungspräsident in Düsseldorf.

65 - Karl Neff (1882 - 1958), 1920-1924 SPD-MdL Volksstaat Hessen, 1930-1933 Bürgermeister von Michelstadt, KZ-Haft; 1945-1951 Landrat in Erbach.

66 - Zu Neemann konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

67 - Franz Xaver Pitzer (1887 - 1952), Kunstschreiner, schloss sich schon in jungen Jahren der Sozialdemokratie an, nach dem I. Weltkrieg Vizepräsident der Münchener Polizei, 1919 wieder als Kunst- und Bauschreiner tätig. 1946-1950 Polizeipräsident von München.

68 - Georg Lowig (geb. 1888), SPD-Mitglied, 1945 ff. Landrat im Landkreis Nürnberg.

69 - "K. Edelblueht": Heinrich Edelbluth (geb. 1912), Polizeibeamter, seit 1932 SPD-Mitglied, 1934 Exil im Saargebiet, 1935 nach Frankreich, 1939 interniert, 1940-1942 Arbeitskompanie, 1942-1944 bei der Résistance. 1946-1948 Polizeidirektor bzw. Landespolizeidirektor im Saarland.

70 - Zu Stiglauer konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

71 - Lothar Sennewald, Arzt, 1945 Stadtrat von Flensburg, dann ins Saargebiet.

72 - Hugo Hellwig (1889 - 1980), Maler und Tapezierer, seit 1908 SPD-Mitglied, 1926-1933 Redakteur der sozialdemokratischen "Flensburger Volkszeitung". 1945-1950 sozialdemokratisches Mitglied des Flensburger Magistrats.

73 - Die "Frankenpost" wurde 1945 als überparteiliche Tageszeitung gegründet.

74 - Hans Seidel (1880 - 1959), Weber, seit 1905 SPD-Mitglied, 1919-1930 SPD-Parteisekretär in Hof, 1920-1932 MdR, 1932-1933 MdL Bayern, 1933-1945 Webwarenfabrikant, 1933 und 1944 kurzfristig verhaftet.

75 - Kurt Frenzel (1900 - 1970), Journalist, seit 1922 Mitglied der SPD, 1928-1933 Redakteur der Chemnitzer "Volksstimme", 1933 Berufsverbot und für 10 Jahre unter Polizeiaufsicht gestellt. Ab 1945 Mitherausgeber und Chefredakteur der damaligen "Schwäbischen Landeszeitung", seit 1959 unter dem Titel "Augsburger Allgemeine".

76 - Wilhelm Kindermann (geb. 1897), Buchdrucker, 1923 ff. Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung "Das Volk" (Jena). Später Chefredakteur des "Hanauer Anzeiger", 1968 aus der SPD ausgetreten.

77 - Josef Hofmann (1897 - 1973), Journalist und Verleger, vor 1933 Mitglied der Zentrumspartei. Nach 1945 Mitbegründer der CDU, 1946 - 1961 Chefredakteur der "Aachener Volkszeitung", ab 1946 CDU-MdL NRW.

78 - Die "Aachener Nachrichten" waren die erste mit amerikanischer Lizenz herausgegebene deutsche Zeitung nach dem Krieg (Titelzusatz anfangs: "Erste neudeutsche Zeitung"). Später SPD-Zeitung, dann wieder unabhängig.

79 - Wolfgang Bartels (1890 - 1971), Journalist, 1924 KPD-MdR, 1924 - 1928 KPD-MdL Preußen, aus der KPD ausgeschlossen, 1929 Eintritt in die SPD, Redakteur verschiedener SPD-Presseorgane, 1933-1934 "Schutzhaft", 1935 KZ Dachau, 1938 und 1944 wieder inhaftiert. 1945-1955 Redakteur der unabhängigen Tageszeitung "Hessische Nachrichten" (Kassel). 1956-1967 gab er eine eigene Zeitschrift heraus: "Das Gewissen" (Untertitel: Unabhängiges Organ zur Bekämpfung der Atomgefahr).

80 - Der "Weser-Kurier" erscheint seit 1945 als parteiunabhängige Tageszeitung in Bremen.

81 - Walter Hammer (eigentlich W. Hösterey) (1888 - 1966), Journalist und Publizist, führend in der Freideutschen Jugend (u. a. Wandervogelbewegung und Bündische Jugend). Er beteiligte sich 1922 an der Gründung des Fackelreiter-Verlags (nicht Feuerreiter-Verlag, wie fälschlich oben angegeben), der über zahlreiche Autoren aus bündischen und pazifistischen Jugendkreisen verfügte. 1933 "Schutzhaft", danach Flucht in die Niederlande (Amsterdam), Mitarbeit bei Radio Hilversum, Ende 1934 nach Dänemark (Kopenhagen), 1940 Auslieferung durch die dänische Polizei an die Gestapo, 2 Jahre KZ Sachsenhausen, 1942 wegen literarischer Vorbereitung zum Hochverrat zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt. Im April 1945 aus dem Zuchthaus Brandenburg befreit, nach 1945 Aufbau und Leitung des Forschungsinstituts Brandenburg (Archiv/Gedenkstätte) des Landesarchivs Potsdam (das auf Veranlassung der SED geschlossen wurde), 1950 in die Bundesrepublik Deutschland (Hamburg), dort Aufbau des Walter-Hammer-Archivs über Widerstand und Verfolgung.

82 - Jenny Fliess (1901 - 1969), Diätköchin, vor 1933 Mitglied des ISK, ab 1933 Exil in Großbritannien, 1939 ausgebürgert, dann interniert. Ab 1945 SPD-Mitglied. Ehefrau von Walter Fliess (s. d.).

83 - Nelly Janovsky (geb. 1907), gebürtige Österreicherin, Kinderpflegerin, Mitglied der österreichischen Sozialdemokratie, 1934 Exil in der CSR, 1939 als Staatenlose nach Großbritannien, im Mai 1945 in London in die SPD aufgenommen.

84 - Heinz Putzrath (1916 - 1996), Schlosser, 1932-1935 Mitglied der KPO, 1935-1936 KPD, Wiedereintritt in die KPO (bis 1940), ab 1941 Neu-Beginnen, von dort in die SPD. 1933 verhaftet und "wegen Hochverrats" zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, ab 1934 Exil in den Niederlanden, 1936 CSR, 1937 Großbritannien. 1946 Rückkehr nach Deutschland, 1946-1960 Leiter der Auslandsabteilung beim SPD-Parteivorstand in Hannover und Bonn, 1961-1968 Geschäftsführer der "Weltweiten Partnerschaft", 1969-1981 Abteilungsleiter bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.

85 - Helene Schoettle (geb. 1903), ab 1934 Exil in der Schweiz, 1939 Großbritannien; 1946 Rückkehr nach Deutschland. Ehefrau von Erwin Schoettle (s. d.).

86 - Ingrid Sieder (geb. 1912), kaufmännische Angestellte, vor 1933 ISK-Mitglied, 1938 Emigration in die Schweiz, 1939 nach Großbritannien, 1940 interniert. 1946 nach Deutschland zurückgekehrt, Angestellte beim DGB-Landesverband NRW.

87 - Frida Walter, geb. Schotz (geb. 1902), seit 1918 Gewerkschafts- und SAJ-Mitglied, ab 1934 Exil in Schweden, 1936 nach Großbritannien. Ehefrau von Paul Walter (s. d.).

88 - Friedrich Wittelshöfer (1888 - 1958), Jurist, seit 1918 SPD-Mitglied, 1922-1933 im Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt, 1939 Exil in Großbritannien, 1940 interniert, 1941 ausgebürgert; nicht nach Deutschland zurückgekehrt.

89 - Alfred Drechsel (geb. 1903), 1944 ausgebürgert.

90 - Olga Neidhardt (1894 - 1954), vor 1933 Sekretärin bei der SPD und später im Öffentlichen Dienst, 1933 in die CSR, 1938 nach Schweden.
Verheiratet mit Arthur Neidhardt (siehe SM 60/61, März/April 1944, Anm. 9).
Olga N. ist die Tochter von: Hermann Sachse (1862-1942), SPD-MdR 1898-1918, 1919-1920 Mitglied der Nationalversammlung.

91 - Paul Pankowski (1885 - Anfang der 1960er Jahre), Schriftsetzer, 1903 Gewerkschaftsmitglied, seit 1908 SPD-Mitglied, 1918-1933 SPD-Bezirksvorsitzender Pommern, ab 1919 Redakteur, später Chefredakteur des "Volksbote" (Stettin); nach kurzzeitiger Verhaftung 1933 in die CSR emigiriert, 1938 nach Schweden, Juni 1939 mit seiner Frau Elisabeth, geb. Korch, ausgebürgert, ab 1939 Vorsitzender der SPD-Ortsgruppe Stockholm, ab 1946 Vorstandsmitglied der Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Schweden. Nicht nach Deutschland zurückgekehrt.

92 - Otto Thiele: Siehe SM 60/61, März/April 1944, Anm. 10.




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