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SOZIALISTISCHE MITTEILUNGEN

News for German Socialists in England

This newsletter is published for the information of Social Democratic
refugees from Germany who are opposing dictatorship of any kind.

Nr. 65/66 - 1944

3. September 1944

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Mit Riesenschritten geht das Hitler-Regime seinem Untergang entgegen. An allen Kriegsfronten geschlagen, an der Heimatfront durch einen versuchten Staatsstreich erschüttert, der blitzartig das in so viel Dunkel gehüllte Ringen im Innern des Dritten Reiches beleuchtete, am Ende ihrer Kräfte und ihrer Propaganda-Erfolge steht die fluchbeladene Hitler-Tyrannei an der Schwelle des sechsten Kriegsjahres.

Es gibt keinen Zweifel mehr darüber, dass es das letzte Jahr dieses Krieges sein wird. Seit die Landung der Alliierten in Frankreich glückte, ist die Hoffnungslosigkeit der militärischen Lage Hitlers und seiner Vasallen von Tag zu Tag deutlicher geworden.

Der "Atlantikwall" hielt nicht stand. Die Normandie wurde von den Alliierten besetzt, der Durchbruch in die Bretagne folgte, ein deutscher Gegenstoss scheiterte, kaum dass er begonnen hatte, und ihm folgte eine Umklammerungs- und Vernichtungsschlacht, die eine ganze deutsche Armee in Auflösung brachte und ihre Reste bis über die Seine, die Somme und die belgische Grenze zurücktrieb. Paris ist nach vier Jahren deutscher Besetzung befreit. Im Süden Frankreichs machen alliierten Truppen, die an der Riviera landeten, Riesenfortschritte. Toulon, Marseille, Grenoble, Bordeaux und Lyon sind für die Deutschen verloren, denen keine andere Wahl mehr bleibt, als sich entweder gefangen zu geben oder schnellstens nach dem [!] Reiche zu entkommen.[1]

Es ist für Hitler nur ein schwacher Trost, dass es seinen Armeen im Osten gelang, den Stoss der Russen auf Ostpreussen und Warschau für eine Weile abzufangen. Der Abfall Rumäniens und Bulgariens von der Achse hat eine grosse Lücke in den Südteil der Ostfront gerissen.[2]

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Der Einmarsch der Roten Armee in den Balkan und nach Ungarn macht rasche Fortschritte.

Noch vor der grossen Niederlage im Westen erfolgte das erste weithin sichtbare Aufbäumen im Innern des Hitler-Reiches: der Generalsputsch am 20. Juli. Wie im faschistischen Italien (und einst im zaristischen Russland) erfolgte der erste innere Stoss im Endkampf gegen die Tyrannei von oben und nicht von den Massen. Der Generalsputsch schlug nicht zuletzt deshalb fehl, weil ihm die Fühlung mit dem Volke fehlte. Aber dass er mehr war als das Werk einer kleinen Clique, ergab sich selbst aus den Nazi-Darstellungen seines Verlaufs und der Nennung immer neuer wegen Teilnahme am Komplott Verfolgter. Und die drohenden Warnungen gegen innere Unruhen, die in letzter Zeit im Dritten Reich erfolgten, reden eine deutliche Sprache. Die wahnwitzige totale Mobilisierung des Dr. Goebbels, die den letzten Rest von Kunst und Wissenschaft und Literatur in Deutschland dem Kriegsmoloch opfert, den Zehnstundentag zum Minimum macht und alle mit Zuchthaus und Strang bedroht, die den Totentanz nicht mitmachen wollen, kann das Ende des Regimes nur beschleunigen.

Der dichte Schleier, der über den Regungen im Innern Deutschlands liegt und den nur die Explosion im Führerhauptquartier für Augenblicke zerriss, macht Voraussagen unmöglich, die mehr als blosse Vermutungen sind.

Als die Rote Armee an die Weichsel kam, haben sich die Polen in Warschau erhoben, und heute sagen manche, dass sie es zu früh taten.[3] Als die geschlagene deutsche Armee über die Seine flutete, hat das Volk von Paris die Hauptstadt Frankreichs ruhmreich befreit.[4]

Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sich auch in den Städten Deutschlands das Volk gegen die Unterdrücker erheben wird, wenn es die Stunde gekommen sieht. Wir sind überzeugt, dass in diesem Falle die deutschen Arbeiter zusammen mit Millionen ausländischer Arbeitssklaven im Reich eine entscheidende Rolle spielen werden.

Die Ereignisse der letzten Wochen rechtfertigen die Erwartungen unberechenbarer Entwicklungen. Was wir erleben, ist der Kampf um Europas Befreiung, ein gigantisches Ringen an den Fronten, in der Luft, zu Lande und in den "unterirdischen" Bezirken des Kampfes hinter der Front. Nicht alles, was in den Konferenzzimmern und Hauptquartieren geplant wurde und wird, kann der Wirk-

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lichkeit dieses Kampfes gerecht werden, nicht alle Berechnungen können mit der Entwicklung Schritt halten.

Wir haben bereits deutliche Beispiele erlebt. Wir haben gesehen, dass sich die Badoglio-Lösung in Italien [als] ebenso kurzlebig erwies wie die Darlan-Lösung in Nordafrika. Wir haben gesehen, dass dem Druck der Volksbewegungen in Jugoslawien und Griechenland Rechnung getragen werden musste. Und auf wieviele überwundene Hindernisse konnte de Gaulle zurückblicken, als er seinen Einzug in Paris hielt!

Die Tragödie Europas, zu deren ersten Zeugen und Opfern wir deutschen Sozialisten zählten, nähert sich dem Ende. Der Glaube an eine neue Freiheit Europas hat uns durch ein Jahrzehnt des Dunkels und der Enttäuschung aufrechterhalten. Mit dem Siege der Alliierten und dem Ende der Hitler-Tyrannei naht die Stunde, auf die wir durch alle diese Jahre gewartet haben. Wir hoffen, es wird die Stunde sein, in der sich die menschliche Freiheit in unserem Erdteil wieder erheben kann, eine Stunde grosser Entscheidungen und grosser Aufgaben, in der [...] alle, die der Freiheit dienen wollen, als Bundesgenossen betrachtet werden.

konnte in der Londoner SPD-Versammlung am 3. Sept[ember] dem als Gast anwesenden ehemaligen Kabinettchef Léon Blums André Blumel[5] übergeben werden. Die vom Gen. Sander verlesene Botschaft lautete:

"Die in Gross-Britannien lebenden deutschen Sozialdemokraten richten an ihre französischen Genossen ihre herzlichen Glückwünsche aus Anlass der kürzlich erfolgten Befreiung von Paris und der bevorstehenden Befreiung ganz Frankreichs. - Im Juni 1940 empfanden die deutschen Sozialdemokraten, wo immer sie auch waren, die vorübergehende Niederlage Frankreichs als ein schmerzliches Unglück für die Demokratie und die Zivilisation der ganzen Welt. Heute begrüssen sie in der Wiedereroberung von Paris durch die alliierten Armeen im Zusammenwirken mit dem nationalen Arbeiteraufstand ein grosses historisches Datum, das sich anreiht an die glorreichen geschichtlichen Tage im jahrhundertealten Kampfe des Volkes von Paris gegen alle seine Unterdrücker.

In den trübsten Stunden der Invasion durch die Hitler-

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deutschen Armeen hatte der Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie im Exil, der damals die Gastfreundschaft Frankreichs genoss, an den Vollzugsaus[schuss] der Sozialistischen Partei Frankreichs eine Kundgebung der Solidarität und des Vertrauens gerichtet, die mit den Worten schloss: 'Hitler ist nicht unbesiegbar, er wird besiegt werden!'

Obwohl diese nunmehr nahe und totale Niederlage, die wir nie aufgehört haben zu erstreben, kaum mehr das Vorspiel zu jener demokratischen und sozialistischen deutschen Auferstehung bilden dürfte, die wir seit fast 12 Jahren erhofften, so ist es für uns dennoch eine Genugtuung, dass wir an der weltumspannenden Freude teilnehmen können um die Befreiung [von] Paris, Frankreichs und Europas von der demütigen und blutigen Tyrannei des hitlerischen und militaristischen Deutschland."

Gen. Victor Schiff übersetzte die Botschaft ins Französische und übersetzte dann die französische Ansprache des Gen. André Blumel ins Deutsche.

André Blumel gab seiner tiefen Freude darüber Ausdruck, endlich wieder einmal in einem freien Lande deutsche Freunde zu sehen. Noch vor einigen Wochen sass er in einem französischen Konzentrationslager, und die Deutschen, die er dort sah, waren Gestapo-Beamte, die erschienen waren mit dem Auftrage, ihn nach Deutschland abzuführen. Damals sass er in diesem Konzentrationslager zusammen mit französischen innenpolitischen Gegnern, und immer wieder betonte er in Diskussionen mit diesen, dass er anti-nazi, aber nicht anti-deutsch sei.

Die ihm übergebene Botschaft erinnere mit Recht an die Kundgebung der deutschen Sozialdemokraten an die französischen Sozialisten im Juni 1940, in der die deutschen Genossen ihre französischen Freunde aufforderten, an dem Sieg der Alliierten nicht zu verzweifeln.

Nun sei es an der Reihe, die deutschen Sozialdemokraten, angesichts ihrer wohlverständlichen Befürchtungen hinsichtlich der Wiederauferstehung eines demokratischen sozialistischen Deutschland, die in dieser Botschaft ihren Niederklang fänden, zu appellieren, nicht zu verzweifeln. Er könne versichern, dass es ausser ihm noch viele französische Sozialisten gäbe, die entschlossen seien, ihnen zu helfen, dass aus der Niederlage Hitler-Deutschlands auch der Gedanke des internationalen Sozialismus hervorgehe. Herta Poleman umrahmte die Feier mit französischer Musik, dann sprach Erich Ollenhauer.

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(ITF) Zwei führende Nazis versuchten bisher, die Arbeitskraft Deutschlands und des besetzten Europas für Hitlers Kriegsmaschine zu mobilisieren: der Thüringer Nazi-Gauleiter Sauckel und der Kriegsproduktionsminister Speer.

Nach den Schüssen des 20. Juli ernannte Hitler seinen Propagandaminister Goebbels zum neuen "Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz". Sauckel wurde ihm unterstellt. Speer ist weiter der Leiter der Kriegsindustrie geblieben, und nach wie vor unterstehen ihm und nicht Goebbels die in den Kriegsbetrieben und Lebensmittelindustrien beschäftigten deutschen und ausländischen Arbeiter - etwa 70% der nicht landwirtschaftlich beschäftigten Arbeiter.

Sauckels Aufgabe war es gewesen, die letzten Arbeitsreserven für Kriegsbetriebe, Landwirtschaft und Verkehr "total" zu mobilisieren und für Vollbeschäftigung der Arbeiter zu sorgen. Alliierte Bomber, Nazikorruption und Arbeiterwiderstand liessen ihn sein Ziel nicht erreichen. Bomben zerstörten die Kontrollkarteien vieler Arbeitsämter. In Hamburg forderte das Arbeitsamt noch am 1. August alle seit Januar (!) 1943 zum Registrieren Verpflichteten auf, sich endlich zu melden, die Terrorangriffe im Juli 1943 behinderten die Durchführung der Sauckel-Verordnung vom 27. Januar 1943.

Aehnliche Aufrufe werden immer wieder von den Arbeitsämtern der meisten bombardierten Städte erlassen, denn sehr viele registrierpflichtige Frauen und Männer nützen die Gelegenheit. Nazikorruption tat ein übriges. Wer über Beziehungen und Geld verfügte, konnte ein Scheinarbeitsverhältnis finden. Das ist in Deutschland seit langem ein offenes Geheimnis, aber erst jetzt hat die von Goebbels herausgegebene Front-Propagandazeitung "Front und Heimat"[6] als erste deutsche Zeitung feststellen dürfen: "Viele von uns kennen Fälle, in denen die Frau eines Geschäftsmannes so tut, als ob sie im Geschäft ihres Mannes tätig sei und ein Arbeitsbuch erhielt, obwohl sie in Wirklichkeit nicht daran dachte, auch nur einen Finger zu rühren. Manche von uns kennen junge Frauen und Mädchen, die dank ihrer guten Beziehungen zu Behörden und Bürochefs Scheinstellungen als Angestellte bekamen. In Wirklichkeit arbeiten sie nicht eine einzige Stunde ihres Faulenzertages ernsthaft. Scheinarbeit gibt es in vielen Formen."

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Seit Monaten veröffentlichen die Zeitungen im Dritten Reiche fast täglich Verurteilungen von Arbeiterinnen und Arbeitern, die tage- oder wochenlang ihnen zugewiesener Arbeit fernblieben. Viele stehen zum 2. und 3. Mal vor dem Richter. Die übliche Strafe ist 3-5 Monate Gefängnis, 9 Monate und mehr für Rückfällige.

Jetzt wird ein letzter Versuch gemacht, der Armee Ersatz zu stellen und die Kriegsproduktion zu halten. Eine Verordnung gegen Scheinarbeit wurde (am 28.VII.) erlassen, ab 15. August werden Scheinbeschäftigte und Scheinarbeitgeber bestraft, wenn sie erwischt werden. Der Arbeitsamtsbeamte, der ein Auge zudrückte (und die Hand offenhielt) bleibt straffrei. Für Leute mit Parteiverbindungen besteht keine Gefahr, denn wer wagt, sie zu denunzieren?

Frauen zwischen 45 und 50 Jahren müssen [sich] jetzt bei den Arbeitsämtern registrieren [lassen]. Aerzte wurden angewiesen, "weniger Atteste über Kreislaufstörungen oder Vitaminmangel auszustellen". Auch Arbeit kranker Frauen kann den Krieg verlängern.

Ein 6-Punkte-Programm Goebbels' wurde am 4. August veröffentlicht.[7] Alle ausländischen Hausangestellten kommen in Kriegsbetriebe - ein neuer Wortbruch, denn den Ausländerinnen, mit Ausnahme der Polinnen und Russinnen, war zugesagt worden, dass sie nicht zwangsweise in andere Berufe überführt werden dürfen. "Eine ganze Reihe von Jahrgängen UK (unabkömmlich) Gestellter" sollen an die Front. "Nach Uebereinkunft mit dem Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, Albert Speer, zum grossen Teil auch aus der Rüstungsindustrie, nachdem die Ersatzkräfte dort eingearbeitet sind." Noch eine Woche vorher schrieb die über Kriegswirtschaftsfragen besonders gut orientierte Essener "National-Zeitung"[8], dass aus der Kriegsindustrie keine Arbeiter herausgezogen werden sollten (3.VII.1944). Die starken Verluste an den drei Fronten zwangen zur Aenderung des Planes, obwohl die Deutschen schon heute über Munitions- und Waffenmangel klagen!

Selbst die Nazipropaganda wird abgebaut. "Das Kulturwesen in allen seinen Sparten wird wesentlich eingeschränkt", die Schauspielerschulen werden geschlossen in Kriegsbetriebe gesandt. Einziehung von weiteren Verwaltungsbeamten, Eisenbahnern, Postbeamten, Lehrern

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usw. wird vorbereitet. Zum dritten oder vierten mal seit der Niederlage bei Stalingrad, und wahrscheinlich mit gleicher Wirkungslosigkeit, werden Behörden- und Parteifestlichkeiten verboten. Heimarbeit für Kriegsbetriebe soll zentral vorangetrieben werden. Eine Anordnung des Nazi-Gauleiters von Hannover zeigt, dass dabei keine Rücksicht auf die Gesundheit von Frauen und Kindern genommen werden darf: "Alte Gesetze und Bestimmungen sollen beiseite bleiben ..., z.B. sollte niemand sagen, dass durch Gesetze Jugendlichen eine bestimmte Arbeit verboten sei ... Keine Frau darf ohne Heimarbeit sein."

Ein "15-Punkte-Programm" für die Ueberführung von Arbeitern aus der Zivilindustrie in Kriegsbetriebe hat Sauckel am 3. August den Arbeitsämtern zugestellt, "um den Platz der Arbeiter auszufüllen, die in die Wehrmacht gingen".

"Es ist wahrscheinlich, dass die neue Verordnung (Ernennung von Goebbels)[9] die zusätzlichen Kräfte des Kriegseinsatzes erheblich vergrössert ... Wir schätzen seine moralische Wirkung mehr", schreibt die Essener "National-Zeitung" am 30. Juli 1944. "Selbstverständlich braucht diese Umstellung einige Zeit, bevor sie sich auswirkt", gab Goebbels im "Reich"[10] zu.

Die Zahl der in Deutschlands Kriegsproduktion, Transport und Verwaltung beschäftigten Reklamierten wird auf 1 bis 1,5 Millionen geschätzt. Nur ein kleiner Teil ist durch Ausländer ersetzbar. "Wir gebrauchen [!] eine grosse Arbeitskraftreserve, vor allem deutscher Arbeitskraft", sagte Goebbels. Arbeiter- und Soldatenfrauen sind längst zur Kriegsarbeit gepresst worden, und es ist zweifelhaft, ob wirklich - wie "Transocean"[11] am 28. Juli den Japanern erzählte - "Millionen Frauen" sich bisher mit Scheinarbeit drücken konnten und jetzt für Kriegsbetriebe in Betracht kommen. Die Heraufsetzung der Altersgrenze für die Frauenarbeitspflicht um 5 Jahre wird (nach Berechnung des Deutschlandsenders) nur "viele Zehntausende" in die ständig bombardierten Kriegsbetriebe bringen. Daher wird jetzt wieder einmal versucht, durch Arbeitszeitverlängerung den Arbeiterausfall auszugleichen. Provinzzeitungen veröffentlichen Drohungen an Unternehmer und Bauern, die nicht genug Ueberstunden arbeiten lassen. Gleichzeitig setzt eine neue Menschenjagd im besetzten Europa ein. "Wenn Zehntausende Deutscher die Fabriken mit der Front vertauschen, müssen europäische Arbeiter ihren Platz einnehmen."

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Die Internationale Arbeitskonferenz in Philadelphia, die von Delegierten der Regierungen, Arbeitgeber und Arbeiter von 43 Ländern beschickt war, nahm einstimmig eine Erklärung an, in der es heisst:

"Die Konferenz bekräftigt die Grundsätze der Internationalen Arbeitsorganisation, insbesondere, dass

Nach einem Hinweis darauf, dass die Erfahrung den Grundsatz bestätigt hat, dass dauernder Frieden auf soziale Gerechtigkeit basiert sein muss, werden folgende Grundsätze ausgesprochen:

"a) alle Menschen, ohne Rücksicht auf Rasse, Glauben oder Geschlecht haben das Recht, ihren materiellen Wohlstand und ihre geistige Entwicklung unter den Bedingungen der Freiheit und Würde, der wirtschaftlichen Sicherheit und der Gleichheit der Möglichkeiten zu betreiben;

b) die Verwirklichung der Bedingungen, unter denen das möglich sein wird, muss das Hauptziel nationaler und internationaler Politik sein;

c) jede nationale und internationale Politik und alle Massnahmen, besonders wirtschaftlicher und finanzieller Art, sollten unter diesem Gesichtspunkt erwogen und nur soweit angenommen werden, wie sie die Erreichung dieser Grundziele fördern, nicht sie hindern;

d) es ist Pflicht der Internationalen Arbeitsorganisation, die internationale Politik und alle internationalen wirtschaftlichen und finanziellen Massnahmen unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen;

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e) die Internationale Arbeitsorganisation kann in Erfüllung ihrer Aufgaben und Erwägung aller wichtigen wirtschaftlichen und finanziellen Faktoren in ihre Beschlüsse und Empfehlungen jede Bestimmung aufnehmen, die ihr geeignet erscheint."

Die Konferenz von Philadelphia bekannte sich zu der feierlichen Verpflichtung, unter den Nationen der Welt Programme mit folgenden Zielen zu fördern:

"a) volle Beschäftigung und Hebung des Lebensstandards;

b) Beschäftigung der Arbeiter in Arbeitsarten, bei denen sie die Genugtuung haben, das grösste Mass ihrer Fähigkeit und Leistung herzugeben und den grössten Beitrag zum allgemeinen Wohl zu leisten;

c) Bereitstellung von Trainingsmöglichkeiten und Transfermöglichkeiten, darunter Auswanderung zum Zwecke der Beschäftigung und Siedlung, unter zureichenden Garantien für alle Beteiligten;

d) Massnahmen hinsichtlich [der] Löhne und Verdienst[e], Arbeitsstunden und anderer Arbeitsbedingungen, die darauf berechnet sind, allen einen gerechten Anteil an den Früchten des Fortschritts zu geben und allen Beschäftigten, die solchen Schutz nötig haben, einen zum Leben ausreichenden Mindestlohn zu gewähren;

e) effektive Anerkennung des Rechts auf kollektive Vereinbarungen, Zusammenarbeit der Betriebsleitung und der Arbeiter bei der dauernden Verbesserung der Produktionsfähigkeit und Zusammenarbeit der Arbeiter und Arbeitgeber bei der Vorbereitung und Anwendung sozialer und wirtschaftlicher Massnahmen;

f) Erweiterung der sozialen Sicherheitsmassnahmen, um allen, die solchen Schutz brauchen, ein Grundeinkommen und umfassende medizinische Fürsorge zu sichern;

g) angemessene Vorsorge für das Leben und die Gesundheit der Arbeiter in allen Berufszweigen;

h) Vorsorge für Kinderwohlfahrt und Mutterschaftsschutz;

i) Bereitstellung angemessener Nahrung, Behausung und Möglichkeiten für Erholung und Kultur;

k) Zusicherung der Gleichheit erzieherischer und beruflicher Möglichkeiten."

Weiter spricht sich die Erklärung für eine Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen aus.

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Die Erklärung schliesst mit den Worten:

"Die Konferenz erklärt, dass die in dieser Erklärung aufgestellten Prinzipien vollständig auf alle Völker überall anzuwenden sind und dass, obwohl die Art ihrer Anwendung mit gehöriger Rücksichtnahme auf das Stadium der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung bestimmt werden muss, die jedes dieser Völker erreicht hat, ihre progressive Anwendung auf Völker, die noch abhängig sind, sowie auf solche, die bereits die Selbstregierung haben, Sache der gesamten zivilisierten Welt ist."

Eine Reihe internationaler Sozialisten hat kürzlich folgende Erklärung herausgegeben:

"Churchills wichtige aussenpolitische Erklärung im Unterhaus am 24. Mai, die zum Teil der Frage Spanien gewidmet war, gibt internationalen Sozialisten Gelegenheit und legt ihnen die Verpflichtung auf, ihre eigene Stellung zum spanischen Problem klarzustellen.

Wir brauchen kaum darauf hinzuweisen, dass die Sozialisten in der ganzen Welt den Sturz Alfons XIII.[12] und die Errichtung der spanischen Republik begrüssten. Als General Franco mit Hilfe der pro-faschistischen Elemente in der Armee, der Kirche und dem Grosskapital und mit grosszügiger Hilfe Hitlers und Mussolinis (die sich als entscheidend erwies) auf verräterische Weise einen Bürgerkrieg begann[13], fanden sich Sozialisten in allen Ländern begeistert zur Unterstützung der republikanischen Sache zusammen. Der Ruhm der Internationalen Brigade wird viel länger währen als die Erinnerung an Francos Schandtaten.[14]

Sein Sieg über die Republik wurde nicht durch die Unterstützung des spanischen Volkes errungen, sondern durch die Truppen und das Material, das ihm die Diktatoren Deutschlands und Italiens lieferten. Er hat seinen Sieg dazu benützt, Spanien zu einem riesigen Gefängnis zu machen, in dem den Männern und Frauen des Volkes alle Freiheiten vorenthalten werden, für welche die Vereinten Nationen kämpfen. Franco hat Truppen entsandt, um Hitler gegen die Sowjetunion zu helfen.[15] Er hat Spanien zum Zentrum von Lieferungen und von Spionage zugunsten unserer Feinde gemacht. Er hat

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Tausende von Bürgern hingerichtet, die der Regierungsform treu waren, die sie verfassungsmässig gewählt hatten, und er hat Hunderttausende Männer und Frauen, die davon träumten, das Recht auf die gleiche Freiheit zu haben, die wir selbst suchen, ins Gefängnis oder Exil zu gehen gezwungen.

Die Atlantic Charter verhiess allen Nationen der Welt, sie sollten fortan die Regierung haben, die sie sich selbst wählen. Das spanische Volk hat seine Regierung vor langem gewählt. Es stimmte für die Republik und machte sie zur Wirklichkeit. Nach der allgemeinen Wahl, der freiesten, die je in einem Land abgehalten wurde, entsandte es eine demokratische Mehrheit in die Cortes.[16] Was folgte, ist jedem bekannt. Die faschistischen Diktatoren widersetzten sich dem Verlangen des Volkes, eine freie und fortschrittliche Regierung in einem Lande einzusetzen, nach dem die Diktatoren Verlangen trugen. Sie fanden Helfershelfer in der spanischen Armee und der spanischen Verwaltung. Noch vor Quisling selbst war Franco der erste Quisling.

Das spanische Volk verteidigte seine Rechte mit unübertrefflicher Tapferkeit. Es kämpfte länger als zwei Jahre. Als es schliesslich erlag, geschah es dank der sogenannten "Nicht-Einmischung"[17], die es daran hinderte, auf dem internationalen Markt Waffen zu kaufen, während die Fünfte Kolonne von den faschistischen Mächten reichlich mit den modernsten Kriegsgeräten versorgt wurde. Tatsächlich wurden die im jetzigen Kriege verwendeten Waffen in grossem Masse in Spanien zum ersten Male ausprobiert. Wir Fortschrittler aller Länder schulden dem spanischen Volke Wiedergutmachung; wir haben ihm eine Schuld zu zahlen, und sie muss gezahlt werden.

Das spanische Volk wünscht sehnlich den Sieg der Vereinten Nationen und ist überzeugt, dass diese Nationen, nach Ueberwältigung des Faschismus überall sonst, ihn nicht länger in Spanien unterstützen werden. Dann, so glauben die Spanier, wird endlich ihre Chance kommen, den Usurpator zu vertreiben.

Diese Hoffnung darf um unseretwillen und um Spaniens willen nicht enttäuscht werden. Falls sie enttäuscht wird, wäre der Faschismus mit Machtpositionen in Spanien und Portugal in der Lage, seinen Einfluss und seine Macht über grosse Teile Südamerikas, des Mittelmeergebietes und des katholischen Teils Europas auszudehnen und den dritten Weltkrieg vorzubereiten.

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General Franco selbst stellte die Lage in einer Rede klar, die er vor dem falangistischen Nationalrat am 17. Juli 1941 hielt. 'Ich möchte allen Spaniern die Sorgen des Augenblicks klarmachen, in dem das Schicksal unseres Landes zusammen mit dem Europas umstritten ist, obwohl ich keinen Zweifel am Ausgang des Kampfes habe. Der Würfel ist gefallen. Wir haben auf unserem Boden die Schlachten begonnen und ausgefochten.' General Franco hatte recht. Es ist die klare Pflicht jedes Sozialisten und jedes friedliebenden Bürgers in jedem Lande, die Wahrheit der Worte General Francos zu erkennen und dafür zu sorgen, dass, wenn der Ausgang des Kampfes in einem Sinne entschieden ist, der den Wünschen General Francos zuwiderläuft, Spanien, das zu den ersten gehörte, die Opfer und Lasten auf sich nahmen, am Triumph des Fortschritts und der Demokratie teilhaben soll."

Die Unterzeichner des Aufrufs sind:
Mildred Bamford, Isabelle Blum, H.N. Brailsford, Julius Braunthal, Louis de Brouckère, F. Seymour Cocks, M.P.[18], G. Daggar, M.P.[19], Lord Faringdon, Victor Gollancz, Barbary Ayrton Gould, D. R. Grenfell, M.P., J. F. Horrabin, Wenzel Jaksch, H. J. Laski, Louis Lévy, Marthe Lévy, A. Ramos Oliveira, Erich Ollenhauer, M. Philips Price, M.P., Victor Schiff, Paul Sering, R. G. Strauss, M.P., R. Sorensen, M.P.[20], Paolo Treves, Hans Vogel, Leonhard Woolf.

London, W 14, am 26. Juli 1944.

Nachstehend bringen wir einen Artikel aus der "Prawda" in Moskau vom 16. Juli 1944, der aus dem Englischen übersetzt wurde.

"In einer unserer jüngsten Uebersichten beschäftigten wir uns mit den höchst verdächtigen Machinationen einer Gruppe von Leuten in London, die sich selbst 'Sozialisten' nennen und die besorgt sind, das Los von Hitler-Deutschland zu erleichtern.

Jetzt ist eine neue Erklärung von Vertretern dieser Gruppe bekannt geworden. In der Juli-Nummer der "Sozialistischen Mitteilungen" die in London veröffentlicht werden, beschäftigt sich ein Artikel des Führers

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der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Vogel, mit den Problemen von Nachkriegseuropa. Der Artikel ist voll von Phrasen [wie]: 'Nachkriegs-Europa muss im Rahmen einer europäischen Einheit und auf der Basis der Solidarität und der Gemeinsamkeit der Völker Europas in organischen und schöpferischen Formen gestaltet werden.' Man braucht nur diese allgemeinen Phrasen beiseite zu lassen, und der wirkliche Sinn der Vogelschen Nachkriegspläne offenbart sich von selbst. Vogel macht sich keine Sorgen, wie Europas Sicherheit gegen eine mögliche Wiedererstehung des deutschen Imperialismus geschützt werden kann; seine Sorge ist, wie man die Interessen des deutschen Imperialismus gegen Europa schützen kann.

Vogels Ziel wird klar, wenn man seine Argumente untersucht. Zunächst versucht er, Hitlerdeutschland weiss zu waschen und zu beweisen, dass es nicht allein für den Krieg verantwortlich ist. 'Deutschland', so erklärt er, 'war nicht das einzige Land, das den Frieden in den letzten hundert Jahren störte'. Angesichts der allgemein bekannten historischen Tatsachen legt Vogel die Schuld für die ungeheuerlichen deutschen Verbrechen auf die Schultern der Opfer der deutschen Aggression. Er korrigiert die Geschichte, um sein Nachkriegsprogramm rechtfertigen zu können. Und es muss gesagt werden, dass dies[es] Programm einer der übelsten Versuche ist, den Nachkriegsfrieden in die Luft zu sprengen. Vogel spricht gegen die Freundschaft und die Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion, Grossbritannien und [den] USA in Europa nach dem Krieg als die entscheidende Bedingung von Frieden und Sicherheit. Verleumderischerweise bezeichnet er diese Zusammenarbeit als die Herrschaft der Drei über Europa. Besonders klar geworden die Ziele von Vogels Plan, wenn er zu bestimmten konkreten Problemen kommt, speziell zu der Frage des Transfers von alter polnischer Erde an Polen, die mit Gewalt von deutschen Angreifern annektiert wurde.

Vogel opponiert leidenschaftlich gegen die Befriedigung der berechtigten polnischen Forderungen und behauptet, er tue es im Interesse der Reinheit der Prinzipien der Atlantic Charter. Unter der Flagge der Besorgnis über Nachkriegs-Europa propagiert Vogel die schamloseste Verteidigung der Interessen des deutschen Imperialismus.

Die gleiche Rolle wird von Brailsford gespielt, einem anderen Vertreter der Londoner Gruppe von 'Sozialisten', der in grosser Breite beweist, dass Oesterreich nicht unabhängig vom Reich existieren kann und dass Polens

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legitime Ansprüche auf das Gebiet, das ihnen von den Deutschen geraubt wurde, auf keinen Fall befriedigt werden dürfen. Ist es nicht klar, dass Vogel, Brailsford und ihre Anhänger die geschmacklose Rolle von Advokaten Hitlerdeutschlands auf sich genommen haben?"

So weit die "Prawda". Wir können uns eine Polemik ersparen. Es handelt sich nicht um "eine neue Erklärung von Vertretern dieser Gruppe", auch nicht um einen Artikel, sondern um einen Vortrag, den unser Genosse Hans Vogel in London gehalten hat und über den wir in der letzten Nummer der "SM" berichteten. Unsere deutschen Leser können diesen Bericht nochmals lesen und werden sich dann ein eigenes Urteil bilden können.

Für unsere englischen Freunde haben wir in der Zwischenzeit eine englische Vervielfältigung dieses Vortrages hergestellt. Wer Interesse an dieser Vervielfältigung hat, kann sie bei uns anfordern. Ausserdem kann auch das statement über "The International Policy of German Socialists", herausgegeben von der "Union deutscher sozialistischer Organisationen in Grossbritannien" (am 23. Oktober 1943[21]), noch abgegeben werden.

In der letzten Juliwoche haben deutsche Gewerkschafter von London aus Kurz-Ansprachen an die deutschen Arbeiter über den amerikanischen Rundfunksender in London richten können.[22] Es werden sieben Ansprachen gesendet, die in ihrer Tendenz darauf hinwiesen, dass die Generalsrevolte möglicherweise ein Anfang gewesen sein könne, dass aber die Sicherung der Demokratie, die Herstellung des Friedens, die dauernde Beseitigung reaktionärer Gefahren und die Eingliederung Deutschlands in die europäische Völkerfamilie nur möglich sei, wenn die arbeitende Bevölkerung die Zügel in die Hand nimmt.

Die Ansprachen wiesen auf die notwendige Solidarität der deutschen Arbeiter mit den ausländischen Zwangsarbeitern in Deutschland hin. Obwohl die Namen der Sprecher nicht genannt wurden, wiesen doch die Einleitungen deutlich darauf hin, dass deutsche Gewerkschafter sprechen. Wo immer möglich, wurden Andeutungen gemacht, die den kundigen Hörern zeigten, dass

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es sich wirklich um Freunde aus ihren eigenen Reihen handelte. Wir sind weit davon entfernt, diese Art der Propaganda für das erstrebenswerte Ziel zu sehen, aber es ist damit sicher ein erster Anfang gemacht worden, dem weitere und bessere Methoden folgen können.

haben jetzt ein Komitee gebildet, das in enger Zusammenarbeit mit der Landesgruppe deutscher Gewerkschafter in Gross Britannien und dem IGB in London mitwirken will an den Arbeiten zum Wiederaufbau einer Gewerkschaftsbewegung im neuen Deutschland und in Europa.

Die deutschen Gewerkschafter in [den] USA werden sich besonders bemühen, die amerikanischen Gewerkschafts-Verbände für diese Probleme zu interessieren und sie um ihre aktive Hilfe zu bitten. Die nachfolgend Genannten haben sich zunächst zu einer Besprechung zusammengefunden, in der die Zielsetzung des Komitees gebilligt wurde: S. Aufhäuser (früher Vorsitzender des AFA-Bundes); Paul Hertz, ZdA; Albert Grzesinski, DMV; Erich Schmidt[23], Lithographen; Jakob Walcher[24], DMV; Marie Juchacz, Bekleidungsarbeiter[25]; Gerhard Dannies[26], Ges.Vbd.; Emil Kirschmann[27], ZdA.; Ludwig Hacke[28], Buchdr.; Walter Fraser[29], Aerzte; Eva Pfister[30], ZdA ... Ausser diesen in New York lebenden Gewerkschaftlern haben sich die Folgenden auf schriftlichem Wege zustimmend geäussert: Gg. Dietrich[31], Buchdr.; Nikolaus Haase[32], Text. Arb.; Willy Snell[33], Butab. Am Tage der Absendung des Berichtes [aus den] USA wurde noch die Zustimmung der folgenden deutschen Gewerkschafter erwartet: Martin Plettl[34], Bekl. Arbeiter; Hans Arons[35], ADGB; Paul Levy[36], Ges. Verb.; Wilh. Sollmann, ZdA.; Alfred Braunthal, ADGB; Richard Hansen[37], Georg Reinbold[38] und Hans Unterleitner[39], alle drei DMV.

Auf der Landeskonferenz in Stockholm[40] wurde folgender Vorstand gewählt: Martin Krebs[41], Vorsitzender; Henry Dittmer[42], Kassierer; Fritz Fricke[43], Schriftführer; August Enderle[44], Karl Mewis[45], Hans Mugrauer[46] und Anna Zammer[47], Beisitzer. Diese Kollegen bilden den engeren Vorstand und zugleich mit den Nachgenannten die erweiterte Leitung: Otto Elchner[48], Goeteborg; Piehl[49], Oerebro; Arthur Hentschel[50], Eskilstuna. Die Kollegen stehen seit Jahren im Gedankenaustausch mit den Kollegen in London.

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Das Kriegsende ist in Sicht. Für die politischen Flüchtlinge aus dem Dritten Reiche beginnen dann wieder alte Sorgen und neue Probleme.

Asylrecht, Staatsbürgerschaft, Weiterwanderung, Arbeitserlaubnis und Rückwanderung werden die Flüchtlinge wieder in stärkerem Masse beschäftigen.

Alle diese Fragen sind jedoch von Faktoren abhängig und werden von ihnen beeinflusst, die gegenwärtig noch nicht übersehen werden können.

Der Kriegsausgang, die politische Gestaltung Europas und Deutschlands, Regierungsentscheidungen, organisatorisch-technische Regelungen internationaler Körperschaften, Hilfsmöglichkeiten durch Regierungen oder Committees, all diese Faktoren beeinflussen diese Fragen entscheidend.

Wie schwierig, umfangreich und langwierig all diese Probleme und Aufgaben der Flüchtlingshilfe nach Kriegsende in Europa sein werden, zeigte die


Tagung des "Inter-Governmental Committee on Refugees"

in der Royal Empire Society in London vom 15.-18. August 1944. Diese von der Internationalen Flüchtlingskonferenz (1938) in Evian gegründete Körperschaft hat viel getan, dass das Interesse an der internationalen und sozialen Bedeutung des Flüchtlingsproblems durch Regierungen und private Hilfseinrichtungen erhalten wurde. Die soeben [ab]geschlossene vierte Plenarsitz[un]g wurde von 37 Staaten besucht. Bedeutende internationale Organisationen und Körperschaften, wie das Internationale Arbeitsamt, das Internationale Rote Kreuz, UNRRA, das War Refugee Board der USA sowie zahlreiche internationale und in England arbeitende Hilfsorganisation und Committees für Flüchtlinge hatten in die in voller Oeffentlichkeit tagende Konferenz ihre Beobachter geschickt. Die Vereinigten Staaten waren durch ihren Botschafter Winant, Gross Britannien durch Lord Winteron und die Sowjetunion durch Botschaftsrat Koukin[51] vertreten.

Der schriftlich vorliegende Tätigkeitsbericht wurde vom Direktor Sir Herbert Emerson erläutert.

Raummangel verbietet uns, ausführlich zu berichten. Für unsere Freunde mag von besonderem Interesse sein, dass man von den privaten Hilfskomittees auch nach

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dem Kriege eine Mitarbeit und Hilfe erwartet; dass die Suche nach einer neuen Heimat für jene Flüchtlinge, die aus politischen, rassischen und religiösen Gründen ihre Heimat verlassen mussten und nach Kriegsende nicht in die ursprüngliche Heimat zurückwollen oder -können, noch immer zu den Aufgaben der Zukunft gehört. Das schwierigste Problem ist das der sogenannten "nicht repatriierbaren" Flüchtlinge. Es handelt sich dabei vornehmlich um jüdische Flüchtlinge, deren Zahl mit 500.000, möglicherweise einer Million oder mehr angegeben wurde. - Kein Flüchtling soll nach Ende des Krieges gegen seinen Willen gezwungen werden, in seine ursprüngliche Heimat zurückzukehren, individuelle Wünsche und Bedürfnisse sollen möglichst festgestellt werden.

Die Schaffung eines international anerkannten Reiseausweises ist ebenfalls noch eine Aufgabe der Zukunft, ebenfalls die Frage des Schutzes jener Flüchtlinge, die nicht unter dem Schutze einer Regierung stehen. Diese Fragen soll ein besonderer Ausschuss bearbeiten, und zwar in Verbindung mit Mr. G. G. Kullmann (Deputy High Commissioner for Refugees under the Protection of the League of Nations). Hierbei wurde auf den vor 20 Jahren geschaffenen sogenannten Nansenpass verwiesen.

Um Flüchtlingen nach der Einstellung der Feindseligkeiten die Möglichkeit zu geben, wieder mit ihren Verwandten in Verbindung zu treten, [war man] vom Committee bereits mit der UNRRA und militärischen Stellen in Verbindung getreten.

Obwohl sich UNRRA und Inter-Governmental Committee zum Teil mit den gleichen hilfebedürftigen Personen befassen, sind die Aufgaben der UNRRA ziemlich kurzfristig, die Arbeiten des Committees dagegen auf längere Fristen eingestellt.

Die Rückwanderung der "rückgliederungsfähigen" Flüchtlinge wird als eine Aufgabe von verhältnismässig kurzer Zeit betrachtet (allerdings nach Klärung der von uns einleitend aufgeführten Faktoren!)


PEP (Political and Economic Plannung)

hat kürzlich im Rahmen der Monatsberichte "Planning" einen Bericht über Flüchtlingsfragen in England gebracht und dabei die Zahl der österreichischen und deutschen Flüchtlinge, die gegenwärtig in England leben, mit 50.000 angegeben. Man nimmt an, dass etwa 6-7.000 dieser Flüchtlinge nach Einstellung der Feindseligkeiten bereit

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sind, in ihre Heimat zurückzukehren. Für die Weiterwanderung dürften etwa 10.000 in Frage kommen und 30.000 dieser Flüchtlinge in England dürften den Wunsch haben, hier im Lande zu verbleiben.

"THE ECONOMIST", eine einflussreiche in London erscheinende Zeitschrift, ist der Auffassung, dass das Problem der wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge in England zu lösen sei und spricht sich dafür aus, diesen Flüchtlingen die britische Staatsbürgerschaft zuzuerkennen.


Der Arbeitskreis des Czech Refugee Trust Fund

hat sich in seinen Sitzungen ebenfalls mit diesen Fragen beschäftigt und einen engeren Arbeitsausschuss gebildet, der mit dem CRTF die erforderlichen Beratungen führen und notwendige vorbereitende Arbeiten leisten soll. Sobald irgend welche Resultate vorliegen, werden die einzelnen Gruppenleitungen mit ihren Mitgliedern in Verbindung treten.

Am 14. September vollendet Viscount Cecil of Chelwood sein 80. Lebensjahr. Er hatte in den Jahren des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegszeit die Geschicke des britischen Reiches entscheidend beeinflusst. Dem Friedensgedanken und dem Aufbau des Völkerbundes widmete er seine ganze Kraft und Zeit. Die League of Nations Union[52] wählte ihn zu ihrem Präsidenten, die Nobel-Preis-Stiftung verlieh ihm 1937 den Friedenspreis und die Woodrow Wilson Foundation[53] erkannte ihm ihren Preis und die Wilson-Medaille zu. - Die deutsche Emigration ist dem heutigen Viscount Cecil of Chelwood zu besonderem Dank verpflichtet. Drei Jahre lang war [er] Vorsitzender des Governing Body, der dem 1933 geschaffenen Amt des High Commissioner of Refugees from Germany beigegeben wurde. Als Ende 1935 der erste High Commissioner James McDonald[54] in Erkenntnis seiner Ohnmacht von seinem Posten zurücktrat, legte auch Lord Robert Cecil[55] sein Amt nieder, hat aber nie aufgehört, sich für die deutschen Flüchtlinge einzusetzen. In seinem grossen Memoirenwerk "A great Experiment" und im Vorwort zu Norman Bentwichs Buch "The Refugees from Germany" hat er seiner Menschlichkeit und seiner Ueberzeugung beredten Ausdruck verliehen.[56]

Mit unserem Danke verbinden wir im Namen der politischen deutschen Flüchtlinge die besten Wünsche!

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Am 16. September 1944 vollendet der Genosse Friedrich Stampfer sein siebzigstes Lebensjahr.

Der Name Friedrich Stampfer ist mit der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie in den letzten vierzig Jahren unlösbar verbunden. In frühester Jugend, als Student, fand er im alten Oesterreich-Ungarn den Weg zur aufstrebenden Arbeiterbewegung. Bald ging er nach Deutschland. Seine grossen politischen und journalistischen Fähigkeiten stellten ihn hier sehr bald in die vordersten Reihen der Bewegung. Vor dem Ersten Weltkrieg, im Krieg und in der Weimarer Republik hat er entscheidenden Einfluss auf die Politik der deutschen Sozialdemokratie genommen. Als Chefredakteur des "Vorwärts", als Mitglied des Vorstandes der deutschen Sozialdemokratie und als Mitglied des Reichstages hat er vor allem die vierzehn Jahre [des] Kampfes deutscher Demokratie handelnd und bestimmend miterlebt.[57] Es war nur selbstverständlich, dass sein Name auf der ersten Ausbürger[ungs]liste der Hitlerdiktatur im August 1933 stand, denn er war und ist ihr Todfeind.[58]

Seit Mai 1933 teilt er nun mit uns das harte Los der Emigration. Seinen Siebzigsten erlebt er in New York. Seine Beiträge in der "Neuen Volkszeitung" zeigen die alte Unerschrockenheit und Kampfesfreude und den alten, unzerstörbaren Glauben an die Kraft und die Grösse unserer sozialistischen Ideen und an ihren schliesslichen Sieg.

Mit unseren herzlichen Glückwünschen verbinden wir die aufrichtige Hoffnung, dass unser Freund Friedrich Stampfer mit uns allen recht bald den Tag erleben möge, an dem die deutsche Arbeiterbewegung - befreit von den Fesseln einer barbarischen Diktatur - die schwere aber grosse Aufgabe eines neuen freien, sozialen und friedlichen Deutschland beginnen kann.




[Spendenaufruf]

In alle Länder der Welt
in denen deutsche Sozialisten
im Exil leben, gehen diese "SM".

Wir brauchen die Hilfe aller Leser! Wir können unsere news-letter und unsere reports und Vervielfältigungen nur herausbringen und versenden, wenn unsere Freunde Gelder einsenden. Freiwillige Beiträge erbeten an:

Wilh. Sander, 33, Fernside Ave., London, N.W.7.

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Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Sitz London, hat durch die Vermittlung seiner Vertrauensleute wieder eine Anzahl von Berichten über die Lage in Deutschland erhalten. Die technischen Schwierigkeiten bei der Uebermittlung bringen es mit sich, dass sich diese Berichte nur auf die Zeit bis Ende Mai erstrecken. Sie nehmen daher noch nicht Bezug auf die dramatischen Zuspitzungen der militärischen und politischen Situation des Dritten Reiches, die mit der Invasion im Westen und der russischen Sommeroffensive im Osten begann. Trotzdem sind viele Einzelheiten auch heute noch von Interesse, weil sie die wachsende Zuspitzung der inneren Lage Hitler-Deutschlands schon vor der Sommerkrise beleuchten. In einer 16-seitigen Vervielfältigung wurden einige dieser Berichte, die das Dritte Reich am Vorabend der Invasion schildern, zusammengestellt.[59] Wir sind überzeugt, dass die Leser unserer "SM" Interesse an diesen Berichten haben und stellen deshalb unseren Freunden ein Exemplar zur Verfügung. Freiwillige Geldspenden erleichtern uns unsere Arbeit und die Herstellung weiterer Reports und Vervielfältigungen.




Wolfgang Heine, einer der bedeutendsten Juristen der Partei, Mitglied des Reichstages und Ankläger der Klassenjustiz, starb 83-jährig am 11. März 1944 in Ascona in der Schweiz im Exil.[60]

Dr. Karel Kriz, Parlamentskorrespondent des "Pravo Lidu" in Prag, enger wirtschafts- und sozialpolitischer Mitarbeiter der tschechoslowakischen Regierung in London, fiel als Opfer des zweiten "Blitz" in London am 18. Juni 1944.[61]

Heinz Behrendt, ehemaliges Mitglied und Funktionär der Sozialistischen Arbeiterjugend und des SJV in Berlin, Hilfsarbeiter in der demokratischen Flüchtlingshilfe in Prag, Kämpfer in der Internationalen Brigade in Spanien, fiel als Opfer dieses Krieges am 18. Juni 1944 als Soldat der amerikanischen Armee.[62]




Issued by the London Representative of the German
Social Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London N.W.7.






Editorische Anmerkungen


1 - Am 15.8.1944 war die erste Landung der Alliierten in Südfrankreich erfolgt (Operation Dragoon).

2 - Am 23.8.1944 war Antonescu gestürzt worden; die neue Regierung Rumäniens proklamierte den Frontwechsel.
Am 24.8.1944 hatte der bulgarische Ministerpräsident den Abzug aller deutschen Truppen aus Bulgarien gefordert und am 26.8. die Neutralität des Landes erklärt.

3 - Warschauer Aufstand vom 1.8. bis 2.10.1944.

4 - Am 19.8.1944 hatte sich in Paris die französische Widerstandsbewegung erhoben, der Einmarsch der Alliierten erfolgte erst am 25.8..

5 - André Blumel (1893 - 1973), französischer sozialistischer Politiker und Journalist, Mitgründer des Internationalen Arbeitsamtes, 1936-1938 Kabinettschef von Léon Blum (Volksfrontregierung), 1942-1944 in Haft.

6 - Vor 1942 mit dem Titel "Mitteilungen von Front und Heimat" erschienen.

7 - Das Programm "des Kriegseinsatzes der Heimat" hatte Goebbels vor einer Tagung der Reichsleiter, Gauleiter und Verbändeführer der NSDAP (3./4.8.1944) entwickelt.

8 - Die "National-Zeitung" (Essen) war 1930 gegründet worden. Tendenz der Tageszeitung: nationalsozialistisch.

9 - Am 25.7.1944 war der Hitler-Erlass über den "totalen Kriegseinsatz" ergangen. Aufgrund dieses Erlasses wurde Goebbels zum "Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz" ernannt.

10 - "Das Reich", eine von Goebbels ins Leben gerufene Wochenzeitung, erschien von 1940 bis 1945 in Berlin; sollte auch im Ausland Sympathien für das so genannte III. Reich wecken.

11 - Die "Transocean" war eine 1915 in Berlin gegründete deutsche Auslandsnachrichtenagentur, die für Wort- und Bildberichterstattung nach Übersee bestimmt war (Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt); 1945 eingestellt.

12 - Alfons XIII. (1886 - 1941), verließ Spanien 1931 nach dem Wahlsieg der republikanischen Parteien.

13 - Der Spanische Bürgerkrieg wurde durch eine Militärrevolte (Franco, Mola u.a.) am 17./18. Juli 1936 ausgelöst.

14 - Die Internationalen Brigaden waren militärische Freiwilligenverbände, die sich aus Ausländern zahlreicher Nationen zusammensetzten. Ziel: die militärische Verteidigung der Republik.

15 - Der spanische Freiwilligenverband, der von 1941-1943 auf deutscher Seite an den Kämpfen in der Sowjetunion teilnahm, nannte sich Blaue Division (División Azul).

16 - Cortes = gesetzgebendes Organ (Parlament).

17 - Besonders Frankreich, Großbritannien und die USA betrieben gegenüber Spanien eine Politik der Nichteinmischung, um eine Ausweitung des Bürgerkriegs zum europäischen Konflikt zu verhindern. Der Nichteinmischungsausschuss, in dem 25 Staaten vertreten waren (auch Deutschland und Italien), tagte erstmals am 9.9.1936 in London.

18 - Frederick Seymour Cocks (1882 - 1953), Autor und Journalist, Labour-MP seit 1929.

19 - George Daggar (1879 - 1950), Bergarbeiter, Labour-Politiker, MP seit 1929.

20 - Reginald Sorensen (1891 - 1971), Labour-MP 1929-1931 und 1935-1950.

21 - Zum deutschsprachigen Text vgl. SM 55/56, Mitte Nov. 1943, S. 1f.
Der englischsprachige Text konnte nicht ermittelt werden.

22 - Es handelt sich um die American Broadcasting Station in Europe (Deutscher Dienst), die vom 30.4.1944 bis 4.7.1945 sendete.

23 - Erich Schmidt (geb. 1910), SPD- und Gewerkschaftssekretär, Journalist; sympathisierte als SAJ-Mitglied in den 30er Jahren mit verschiedenen Gruppen der Linksopposition außerhalb der SPD; 1933 Ausschluss aus der SPD, Juni 1933 kurzfristig in Haft, August Flucht in die Schweiz, 1937 nach Frankreich, 1939 ausgebürgert, 1940 in die USA, dort u.a. Rundfunktätigkeit.

24 - Jakob Walcher (1887 - 1970), Metallarbeiter, Partei- und Gewerkschaftsfunktionär, 1906 Deutscher Metallarbeiter-Verband und SPD, 1918 Gründungsmitglied der KPD, 1928 Ausschluss aus der KPD, dann KPDO, 1932 Ausschluss, im selben Jahr Anschluss an die SAP und dort im PV, 1933 nach Frankreich, Aufbau einer SAP-Auslandsleitung, aktiv in der Volksfrontbewegung, 1937 ausgebürgert, nach Kriegsausbruch interniert, 1941 in die USA. 1946 Rückkehr nach Deutschland (SBZ), SED-Mitglied, 1946-1949 Chefredakteur einer Gewerkschaftszeitung, 1951 Ausschluss aus der SED, 1956 Wiederaufnahme.

25 - M. Juchacz war Mitglied des Verbandes der Schneider.

26 - Zu Gerhard Dannies konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

27 - Emil Kirschmann (1888 - 1948), Handlungsgehilfe, SPD-MdR 1924-1933, ab 1926 Ministerialbeamter im Preußischen Innenministerium, nach dem 20. Juli 1932 entlassen, 1933 im Saarland, 1935 Leiter der Flüchtlingsberatungsstelle Forbach (Lothringen), 1940 über Marseilles und Martinique in die USA, nach dem Krieg öffentliches Auftreten gegen die Vertreibungs- und Demontagepolitik der Besatzungsmächte in Deutschland.

28 - Ludwig Hacke (geb. 1901), sozialdemokratischer Journalist, dann SAP-Funktionär, 1933 Exil in Frankreich, später in die USA.

29 - Zu Walter Fraser konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

30 - Eva Pfister, geb. Lewinski (siehe SM 21, 1. Jan. 1941, Anm. 16).

31 - Georg Dietrich (1888 - 1971), Buchdrucker, erst USPD-, dann SPD-Parteifunktionär, 1924-1933 MdR, 1933 Exil in der Schweiz, dort Mitarbeiter der sozialdemokratischen Flüchtlingshilfe, 1938 ausgebürgert, 1940 in die USA.

32 - Nikolaus Haase (geb. 1891), Weber, ab 1920 Bezirkssekretär des Deutschen Textilarbeiter-Verbandes, 1933 "Schutzhaft", dann Exil in Belgien, später USA, 1937 ausgebürgert; 1952 als Vorsitzender des SPD-Kreisvereins Aachen Delegierter auf dem SPD-Parteitag in Dortmund.

33 - Wilhelm Snell (1894 - 1949), Maschineningenieur, ab 1925 Sekretär des Bundes der technischen Angestellten und Beamten in Berlin, 1935 Emigration in die Niederlande, später USA, im August 1942 ausgebürgert.

34 - Martin Plettl (1881 - 1963), Schneider, seit 1905 Funktionär des Deutschen Bekleidungsarbeiter-Verbandes, später Vorsitzender des Verbandes, seit 1916 SPD-Mitglied, 1933 "Schutzhaft", im selben Jahr Emigration in die USA, 1934 ausgebürgert.

35 - Hans Arons (1889 - 1949), Wirtschaftspolitiker, seit 1925 im ADGB Berlin, später Angestellter bei amerikanischen Gewerkschaften.

36 - Paul Levy (1886 - 1958), Krankenpfleger, seit 1922 Angestellter im Gemeinde- und Staatsarbeiter-Verband (seit 1929: Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs). Unter Levys Mitarbeit entstand im Gesamtverband die Reichssektion Gesundheitswesen, der Ende 1932 2.000 Ärzte angehörten. Levy nannte sich im amerikanischen Exil "Paul Lynn".

37 - Richard Hansen (1887 - 1976), Werftarbeiter, 1907 SPD-Mitglied, 1925 - 1933 MdL Preußen, 1933 Flucht nach Dänemark, Grenzsekretär der Sopade, 1937 ausgebürgert, 1940 nach Schweden, 1941 über UdSSR und Philippinen in die USA, 1943 Schiffbauer in New York, 1947 Rückkehr nach Deutschland.

38 - Georg Reinbold (1885 - 1946), Schlosser, seit 1908 SPD, 1925-1933 MdL Baden, 1933 ins Saargebiet, 1933 ff Grenzsekretär der SPD, 1935 Frankreich, dann Luxemburg, 1936 ausgebürgert, 1940 Frankreich, 1941 USA.

39 - Hans Unterleitner (1890 - 1971), Metallarbeiter, SPD-Mitglied, November 1918- Mai 1919 bayrischer Minister für Soziale Fürsorge, Schwiegersohn von Kurt Eisner, 1920-1933 MdR, 1933 verhaftet, KZ Dachau, 1935 Haftentlassung, 1936 Flucht in die Schweiz, 1939 in die USA.

40 - Landeskonferenz in Stockholm: Sie fand statt am 26./27.3.1944.

41 - Martin Krebs (1892 - 1971), Sozialdemokrat und Gewerkschaftsfunktionär, 1930-1933 Sekretär des Internationalen Glasarbeiter-Verbandes, nach der "Machtübernahme" mehrfach in Haft, 1935 Flucht in die CSR, 1938 Schweden, 1940 ausgebürgert. 1946 Rückkehr nach Deutschland, Oberregierungsrat in einem Kieler Ministerium; kommunalpolitisch tätig.

42 - Henry Dittmer (1905 - 1985), Meierei-Arbeiter, seit 1921 Sozialdemokrat und im selben Jahr Beitritt zum Deutschen Arbeiter-Abstinentenbund (DAAB), 1933 Emigration über Dänemark nach Schweden, 1944 ausgebürgert, 1933-1952 Sekretär der Internationale Sozialistischer Alkoholgegner.

43 - Fritz Fricke (1894 - 1961), Gewerkschaftsfunktionär und SPD-Mitglied, 1933 Emigration in die CSR, 1938 nach Schweden, 1939 ausgebürgert. Nach Kriegsende Rückkehr nach Deutschland, später beim DGB-Bundesvorstand in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit.

44 - August Enderle (1887 - 1959), Mitglied von (nacheinander) SPD, USPD, Spartakusbund, KPD, KPDO, 1932 SAP, 1933 Emigration in die Niederlande, im selben Jahr nach Belgien abgeschoben, Mitglied der SAP-Auslandsleitung, 1934 nach Schweden, 1941 ausgebürgert. 1945 illegale Rückkehr nach Deutschland, am Aufbau von Gewerkschaften und SPD in Bremen beteiligt.

45 - Karl Mewis (1907 - 1987), kommunistischer Parteifunktionär, 1932 in die UdSSR, 1934/35 im Widerstand in Deutschland, 1936 in Dänemark und der CSR, 1937 Spanien, 1938 Schweden, 1942-1943 interniert. 1945 Rückkehr nach Deutschland (SBZ), 1952 im ZK der SED, verantwortlich für SED-Propaganda in Skandinavien, 1961-1963 Minister und Vorsitzender der Staatlichen Planungskommission, 1963-1968 DDR-Botschafter in Polen.

46 - Hans Mugrauer (1899 - 1975), Bergmann, 1919 SPD, Gewerkschaftsfunktionär, 1933 Flucht in die CSR, 1938 Schweden. 1948 Rückkehr nach Deutschland, Mitbegründer der Hans-Böckler-Stiftung, der Stiftung Mitbestimmung und der Freunde der Ruhrfestspiele Recklinghausen.

47 - Anna Zammert (1898 - 1982), Arbeiterin, Gewerkschaftsfunktionärin, 1930-1933 SPD-MdR, 1933 ff. mehrfach in Haft, 1935 Emigration nach Dänemark, 1936 nach Norwegen, nach der Besetzung Norwegens (1940) gemeinsam mit ihrem Mann von der Gestapo verhaftet, im selben Jahr Flucht nach Schweden; 1953 Rückkehr nach Deutschland.

48 - Otto Elchner (geb. 1898), Schlosser, 1919 SPD-Mitglied, Gewerkschaftsfunktionär, 1933 verhaftet, 1935 Teilnehmer an einer ITF-Konferenz in Rotwilde (Dänemark), danach in Deutschland zu 1 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt, 1936 Flucht in die CSR, 1937 Schweden; ab 1945 Schlosser in Göteborg.

49 - Otto Piehl (geb. 1906), Maschinenbauer, Sozialdemokrat, 1933 KZ Fuhlsbüttel, nach Entlassung in den Untergrund und dann zur Fahndung ausgeschrieben, 1934 Flucht nach Dänemark, 1938 ausgebürgert, 1940 nach Schweden. 1953 Rückkehr nach Deutschland, beschäftigt bei der IG Metall in Frankfurt a. M..

50 - Zu Arthur Hentschel konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

51 - Zu Koukin konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

52 - "League of Nations Union": In den 20er Jahren geschaffene Organisation, die für eine aktive Rolle Großbritanniens im Völkerbund eintrat und in den 30er Jahren als 'pressure-group' für den Völkerbund einen nicht unerheblichen Einfluss auf die außenpolitische Meinungsbildung ausübte.
Lord Cecil war ihr Präsident 1923-1945. Zu ihm siehe SM 27, Ende Juni 1941, Anm. 3.

53 - Zur Woodrow Wilson-Foundation konnten keine Angaben ermittelt werden..

54 - James Grover McDonald (geb. 1886), amerikanischer Historiker und Politikwissenschaftler, ab 1933 im Auftrag des Völkerbundes High Commissioner for Refugees (Jewish and Other) coming from Germany; setzte sich auch nach seinem Rücktritt in den USA für die Belange deutscher Emigranten ein.

55 - Robert Cecil: A Great Experiment: An Autobiography, London 1941.

56 - Norman Bentwich: The refugees from Germany. April 1933 to December 1935. With a foreword by Viscount Cecil of Chelwood and letter of resignation of James G. McDonald, London 1936.
Norman Bentwich (1883 - 1971), britischer Jurist und Autor, 1933-1935 Director of High Commission for Refugees from Germany (Genf), 1944-1946 Chairman of the National Peace Council.

57 - Vgl. Friedrich Stampfer: Die 14 Jahre der ersten deutschen Republik, Karlsbad 1936.

58 - Zur Ausbürgerung Stampfers vgl. "Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger" vom 25.8.1933.

59 - Siehe Beilagen 2 und 3 zu SM, Nr. 63/64 von 1944:
Beil. 2: "Kampf-Front Innerdeutschland. Das Dritte Reich am Vorabend der Invasion" bzw.
Beil. 3: "The Inner German Front. The Third Reich at the Eve of Invasion".

60 - Andere Autoren geben ein anderes Sterbedatum von Wolfgang Heine an: 9.5.1944 bzw. 27.5.1944.

61 - Mit dem zweiten "Blitz" sind die deutschen Luftangriffe mit V1-Raketen auf Südengland und London gemeint, die am 15.6.1944 begonnen hatten.

62 - Heinz Behrendt (1914 - 1944), 1933 verhaftet, im selben Jahr Flucht in die CSR; 1937 wurde seine Aufenthaltsberechtigung nicht verlängert, meldete sich freiwillig zu den Internationalen Brigaden, kam aber wegen fehlender Papiere über Frankreich nicht hinaus, später zeitweiliger Internierung und französischen Polizeischikanen ausgesetzt, 1942/43 Flucht in die USA über Kuba. Im August 1943 amerikanischer Soldat, fiel auf der Insel Biak (im Pazifischen Raum).




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