Nr. 21 - 1941 |
January, 1st |
Sozialistische Mitteilungen News for German Socialists in England | |
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Die Taktik Hitlers in diesem Kriege ist von ihm selbst seit langem mit der Ansicht begründet worden, dass Deutschland einen Zweifronten-Krieg nicht gewinnen könne, aber Siegeschancen in einem Kriege habe, der nur an einer Front geführt werde. Er hat den Krieg begonnen, als ihm durch den Pakt mit Stalin die Gewissheit verschafft wurde, dass die Nazi-Armee den Angriff auf Polen wagen könne, ohne mit einer ernsten Verwickelung im Osten rechnen zu müssen.
Und Hitlers Rechnung, den Feldzug in Polen beenden zu können, bevor es im Westen zu einer grösseren Schlacht kommen werde, hat sich als richtig erwiesen. Tatsächlich ist es Hitler im ersten Jahre des Krieges gelungen, die Kampfhandlungen auf eine Front zu beschränken, und diesem Umstand hat er seine bisherigen Erfolge zu verdanken.
Die Wende des Krieges, die seit zwei Monaten eingetreten ist, hat ihre Bedeutung vor allem darin, dass sich aus dem Einfrontenkrieg ein Kampf entwickelt hat, der gleichzeitig an zwei Fronten geführt wird: Mit dem Vorstoss der Italiener auf dem Balkan und in Nordafrika begann ein neues Kapitel, und der Misserfolg dieser beiden Angriffe deutet darauf hin, dass nicht nur Deutschland, sondern dass auch die "Achse" in einem Zweifrontenkrieg in eine kritische Lage gerät. Aus dem Einmarsch der Italiener in Griechenland ist ein Einmarsch der Griechen in Albanien geworden, aus dem Vorstoss der Italiener in Aegypten ein Vorstoss der Engländer in Libyen. Während Hitlers Armee am Aermelkanal steht, über den sie nicht setzen konnte, stehen Mussolinis Armeen an den jenseitigen Küsten des Mittelmeeres (und in Abessinien) und sind zum Rückzug gezwungen, und es ist nicht zu sehen, wie sie, wenn ihre Niederlage vollkommen wird, den Rückweg werden finden können.
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Wir wissen, dass das Abenteuer Mussolinis nicht aus Uebermut erfolgte. Es begann, als Hitlers Traum von der Invasion Englands sich im Herbst als unerfüllbar erwies und der Versuch gemacht werden sollte, das britische Weltreich durch einen Stoss im Osten zu erschüttern.
Der Versuch hat die Achse zwei verlorene Feldzüge und in Libyen allein an die 40.000 Gefangene gekostet, während Hitlers Harren am Kanal und seine Luftangriffe auf England ihm bereits an die 3000 Flugzeuge gekostet haben. Mussolinis oberste Heerführer haben ihre Posten verlassen - oder verlassen müssen -, und Hitler hat - trotz aller Meldungen, dass seine Truppen sich in Rumänien oder in Italien zusammenziehen - nichts getan, um seinem Verbündeten zu Hilfe zu kommen. Der Grund dafür kann nur einer sein: dass Hitler seine Armee weder vom Westen noch vom Osten abziehen kann, weil er nicht mehr sicher ist, den Krieg auf eine Front beschränken zu können. Die Früchte des entschlossenen und opfermutigen britischen Widerstands gegen den Faschismus beginnen zu reifen. Die Erfolge der britischen Armee, Marine und Luftflotte und ihrer Verbündeten in Nordafrika und im Balkan haben die Legende von der Unbezwinglichkeit der Eroberer-Diktaturen erschüttert, haben neue Hoffnungen in den unterdrückten Völkern erweckt und haben selbst den Greisen in Vichy den Mut gegeben, sich Lavals zu entledigen, als er - wie zu vermuten - für eine Kriegserklärung an England und eine Auslieferung der französische Flotte an die Nazis intrigierte, und es hat den Anschein, als hätte Marschall Petain durch seinen Admiral Darlan den Nazi-Forderungen auf Auslieferung der Flotte eine klare Absage erteilen lassen.[1] Soll Hitler sich durch Besetzung des freigebliebenen Teils von Frankreich rächen, der wirtschaftlich und militärisch nur eine Belastung für ihn wäre? Soll er riskieren, dass Pétain mit seiner Regierung in die französischen Kolonien flieht, unter Mitnahme der Flotte, die den Nazis so begehrenswert erscheint?
Sicher scheint zu sein, dass Hitler nach dem Misserfolg der Italiener wieder an die Entscheidungsschlacht im Westen denken muss: an die Niederwerfung und Besetzung der britischen Inseln: Er hat den Seekrieg im Atlantik verschärft, um die überseeischen Verbindungen Englands zu stören, er plant wahrscheinlich eine Landung in Irland, um England zu blockieren, er hat die Luftangriffe auf London und andere britische Industrieorte wieder aufgenommen.
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Inzwischen aber mehrt sich die Hilfe, die England von Amerika zu erwarten hat, und Roosevelts kürzliche Rundfunkrede ans amerikanische Volk hat klar gezeigt, dass der Präsident der USA überzeugt davon ist, dass das britische Reich den Krieg mit amerikanischer Hilfe gewinnen kann und dass es Amerikas Pflicht ist, ihm dazu zu helfen.[2] Damit schwinden die faschistischen Hoffnungen, dass Zahlungsschwierigkeiten Englands oder Intrigen der amerikanischen "Isolationisten" wirksame Hilfe für England verhindern werden - und die Kundgebungen sowohl der "American Federation of Labor" aus Anlass des Besuches Sir Walter Citrines in Amerika als auch der "Industrie Organisationen"[3], die einen Plan zur Massenproduktion von Flugzeugen für England vorgelegt haben, beweisen, dass die grosse Mehrheit der amerikanischen Arbeiterschaft die Notwendigkeit der Unterstützung Englands im Kampf gegen den Faschismus anerkannt hat. Die Drohung von Berlin, eine Auslieferung der in Amerika festgehaltenen deutschen Schiffe an England als Kriegshandlung zu betrachten, hat nichts an der klaren Stellungnahme der USA gegen Hitler ändern können.
So reich an Gefahren und an Problemen die Lage Englands bleibt, so berechtigt ist die Zuversicht, mit der es ins neue Jahr eintritt, wenn die Wachsamkeit gegenüber den Invasions- und Zersetzungsplänen erhalten bleibt und alles getan wird, um die Produktion aufrechtzuerhalten und zu erhöhen und die Arbeitskraft der Millionen Männer zu ersetzen, die neu in die Armee eingereiht werden sollen: zur Verteidigung des Landes, und, wenn der Zeitpunkt kommt, zum Vorstoss gegen den Angreifer.
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Der durch den plötzlichen Tod Lord Lothians[4] freigewordene Posten des britischen Botschafters in Washington ist kurz vor Weihnachten mit Lord Halifax, dem bisherigen britischen Aussenminister, besetzt worden. Es ist das erste Mal in der Geschichte Englands, dass ein amtierender Aussenminister auf einen Botschafterposten überwechselte. Die Nachfolge Lord Halifax' als Aussenminister hat Anthony Eden, der bisherige Kriegsminister, angetreten. Eden war bereits einmal Aussenminister - in der Regierung Baldwin und der Regierung Chamberlain. Er trat damals das Amt als Nachfolger von Sir Samuel Hoare[5] im Jahre 1935 an, als die Frage der Sanktionen gegen Italien während des abessinischen Krieges zu einer Krise geführt hatte. Eden, als der schärfste Gegner des sogenannten Hoare-Laval-Planes, der eine Konzession an Mussolini darstellen sollte, wurde Hoares Nachfolger, als die britische Oeffentlichkeit gegen den Hoare-Laval-Plan opponierte.[6] Als Aussenminister hat sich Eden jahrelang um eine Widerstandspolitik gegen die Angriffe und Drohungen des italienischen und des deutschen Faschismus bemüht und musste schliesslich im Frühjahr 1938, kurz vor der Besetzung Oesterreichs, zurücktreten, als Chamberlain sich zur Fortsetzung seiner "Befriedungspolitik" entschlossen zeigte und Rom wie Berlin gegen Eden den Vorwurf erhoben hatten, dass er diese "Befriedungspolitik" störe. Erst nach Kriegsausbruch trat Eden wieder als Minister für die Dominions ins Kabinett ein. Im Mai 1940, als Churchill die Führung der britischen Regierung übernahm, wurde Eden Kriegsminister. Seine schliessliche Rückkehr ins Auswärtige Amt wird allgemein als ein Beweis dafür aufgefasst, dass die britische Regierung entschlossen ist, den Kampf gegen den Faschismus mit aller Energie weiterzuführen. Edens Nachfolger als Kriegsminister wurde Captain Margesson, der bis dahin "Chief Whip", also organisatorischer Leiter der konservativen Parlamentsfraktion war.[7]
In der Dezembernummer der vom "British Council" herausgegebenen Zeitschrift "Britain to-day"[8] ist unter dem obigen Titel ein Aufsatz des früheren Flüchtlingskom-
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missars beim Völkerbund, Sir Neill Malcolm, erschienen, aus dem wir im Folgenden einige interessante Abschnitte zitieren, die sich auf die Internierung "feindlicher Ausländer" beziehen:
"Leider waren die einzigen verfügbaren Aufnahmeorte Lager, die vom Kriegsministerium für Kriegsgefangene ausgewählt worden waren, aber nur unzureichend ausgestattet waren. Sehr bald waren die Orte überfüllt, und die Internierungsorder musste eingestellt werden, als ungefähr ein Drittel der Gesamtzahl von Ausländern, das heisst 25.000, verhaftet worden war. Von diesen wurden 7.000 eilends nach Kanada und Australien verschifft, zusammen mit Kriegsgefangenen und bekannten Nazi-Anhängern. Die restlichen zwei Drittel blieben frei, aber noch weiter[...] unter strenger Polizeiüberwachung. Als wir dann schliesslich freier zu atmen begannen, die Nerven sich beruhigten und Zeit zum Nachdenken kam, fanden wir, dass wir in unserer Hast viel Unrecht begangen und viel Härten verursacht hatten und dass wir uns selbst beträchtlichen Schaden zugefügt hatten, als wir Männer mit Weltruf interniert und sogar deportiert hatten, deren Geist und Erfahrungen wir dringend brauchten. Eine grosse Empörung brach aus, und der Innenminister hat, was für ihn spricht, sein Bestes getan, um Ordnung ins Chaos zu bringen. Zwei Beratungskomitees wurden gebildet, eins beim Foreign Office, das sich mit allen Klassen von Ausländern beschäftigen soll, und eins beim Home Office, das [sich] mit den Internierten beschäftigen soll. ...
Frühzeitig hat der Innenminister im Unterhause zugegeben, dass Fehler gemacht wurden, und er fügte hinzu, dass es seine feste Absicht wäre, die Dinge in Ordnung zu bringen, soweit das in seiner Macht liege. Seine erste Tat war die Veröffentlichung eines Weissbuches, das seitdem berühmt geworden ist und das 18 Kategorien enthielt, unter denen Freilassungen bewilligt werden konnten. Seitdem sind, meist auf Empfehlung des Asquith-Komitees, zwei weitere Ausgaben des Weissbuches erschienen, in denen die Kategorien auf 22 erhöht und der Umfang einiger früheren Kategorien erweitert wurde. Infolge dieser Arbeit in den letzten drei Monaten sind mehr als 7000 Internierte freigelassen worden, mehr als die Hälfte davon wegen Krankheit, und die Zahl der noch Internierten ist ungefähr: 6500 in den Dominions, 13.000 in England
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(jetzt fast sämtlich auf der Isle of Man), davon 7000 deutsche und österreichische Männer, 3000 deutsche und österreichische [Frauen] und 3000 Italiener. Weitere Freilassungen unter Kategorien des Weissbuches werden täglich angeordnet, und die wichtigste Kategorie ist jetzt No. 12, das heisst Aufnahme ins Pionierkorps. Das Kriegsministerium hat sich - damit zur Lösung des zweifellos sehr komplizierten Problems beitragend - bereit erklärt, 5000 Internierte in das Korps aufzunehmen, aber bisher hat die Zahl der Freiwilligen etwas enttäuscht. Auf Grund der Bestimmungen des Weissbuches sind verschiedene Tribunale eingesetzt worden, um die Anträge auf Freilassung zu prüfen, und man kann mit Sicherheit voraussagen, dass die oben genannten Zahlen sehr wesentlich reduziert werden dürften. Aber auch dann werden noch einige Tausende in den Lagern verbleiben, da sie nicht imstande sein werden, einen einwandfreien Anspruch auf Freilassung zu erheben. Wenn man ihre Lage betrachtet, sollte man daran denken, dass die Internierung in grossem Masse eine Zufallssache war und dass nicht notwendig mehr gegen sie vorliegt als gegen Tausende von anderen, die frei geblieben sind. Sie stellen sicherlich ein Problem dar.
Das bei weitem schwerste Problem ist aber das, welches durch den hastigen Transport von 7.000 feindlichen Ausländern, von denen die meisten Flüchtlinge waren, nach den Dominions entstanden ist. Andere Fehler, die hier im Lande gemacht wurden, sind verhältnismässig leicht zu korrigieren, aber nicht die Fehler, die eine Reise von Tausenden von Meilen ohne Akten und oft ohne irgendwelche Identitätspapiere zur Folge hatten. Fehler sind gemacht worden, wie Sir John Anderson sagte, aber alle waren die Folge nicht bösen Willens, sondern von Uebereilung. Oft wurden Familien zersplittert, ein Mitglied nach Australien gesandt, eins nach Kanada, und ein Drittes hier im Lande gelassen.
Ja es ist wahr, dass grosse Fehler geschehen sind, aber ich möchte ganz aufrichtig fragen, ob es irgendein anderes Land gibt, dass in Kriegszeiten Tausenden von feindlichen Ausländern (auch wenn sie nur technisch "feindlich" sind) erlauben würde, frei in seinem Gebiet zu leben. Sie sind nicht nur frei, - viele von ihnen, und auch die Internierten, werden auf öffentliche Kosten versorgt, und diese Kosten erreichen eine selbst in
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diesen Tagen astronomischer Budgets nicht unbeträchtliche Ziffer.
Wir haben Fehler gemacht, daran ist kein Zweifel. Aber wir kämpfen für unser Leben, unter unglaublich schwierigen Bedingungen, und ruhige Beurteilung gerechter Richter müsste zeigen, dass wir, alles in allem, grossmütig und ohne Rechthaberei gehandelt haben."
Die Freilassungen aus der Internierung
sind im Dezember in stärkerem Masse als vorher fortgesetzt worden, und bis zu Weihnachten sind 58% der interniert gewesenen deutschen Sozialisten und Gewerkschaftler aus den Lagern entlassen worden. Zu diesem Ergebnis hat besonders die Arbeit des vom Home Office eingesetzten Tribunals für feindliche Ausländer beigetragen, das unter dem Vorsitz von Sir Cecil Hurst die nach Kategorie 19 (hervorragender Anteil an der Opposition gegen das Nazisystem) gestellten Anträge prüft.
Lord Lytton, der Vorsitzende des beim Aussenministerium eingesetzten Beratungskomitees für Ausländerfragen, hat kürzlich erklärt, dass jetzt auch die Freilassung der nach Uebersee verschickten Internierten, die unter die Kategorien des Weissbuches fallen, in Angriff genommen werden soll. Viele der nach Uebersee verschickten Internierten, die unter 18 Jahre waren, sind bereits nach England zurücktransportiert worden. Auch die ersten erwachsenen Internierten aus Übersee, die sich zum Pionierkorps gemeldet hatten, sind bereits auf dem Rückwege.
Erweiterung des Internierten-Tribunals
Das Tribunal für internierte feindliche Ausländer, das vom Home Office eingesetzt wurde, ist von Innenminister Herbert Morrison um zwei weibliche Mitglieder erweitert worden: Miss Mary Sutherland[9], die Leiterin der Frauenorganisation (Chief Woman Officer) der Labour Party, und Mrs. Stocks[10], die Leiterin des Westfield College (Frauen-Kollegs) der Londoner Universität.
Vorschriften für Sendungen nach Kanada
Der Hochkommissar von Kanada hat die folgenden Vorschriften der kanadischen Regierung für Sendungen an Internierte
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in Kanada bekanntgegeben: 1. Pakete dürfen nicht mehr als 2 Kilogramm wiegen (2 Pakete dieses Gewichts werden von der englischen Post portofrei befördert); 2. Keine gedruckten oder maschinegeschriebenen Mitteilungen dürfen in den Paketen enthalten sein; 3. Alle Pakete müssen sicher verpackt sein, und der Name und die Nummer des Internierten müssen in grossen Buchstaben geschrieben sein. Unleserlich adressierte Pakete können nicht ausgehändigt werden; 4. Name und Adresse des Absenders müssen auf allen Paketen und Briefen angegeben sein; 5. Zeitungen, die in Deutschland erscheinen, dürfen nicht gesandt werden; 6. Pakete von Privatsendern dürfen folgende Gegenstände nicht enthalten:
Nahrungsmittel ausser Tafelschokolade, Zigarettenpapier oder Zigarettenspitzen, photographische Apparate, Ferngläser, Taschenlampen und aehnliches, medizinische Artikel, Drogen und Apothekerwaren, schriftliche Mitteilungen (Briefe müssen gesondert geschickt werden), Drucksachen, Landkarten, bildliche Darstellung oder Photographien, Geld, Schreibpapier, Notizblocks, Spielkarten usw., Füllfederhalter, Federhalter, Bleistifte usw., Telegraphier- oder Telephonmaterial, Radios und Rundfunkmaterial, Heizapparate, entzündliches Material, Streichhölzer usw., Gepäckstücke, Konserven oder andere Behälter, die nicht von der Inspektion geöffnet werden können, Waffen und grosse Taschenmesser. Oberkleidung, die in Paketen geschickt, wird, wird dem Internierten erst bei der Entlassung ausgehändigt. Post darf nicht durch Mittelspersonen gesandt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass die kanadischen Behörden den Internierten folgende Kleidungsstücke zur Verfügung stellen: Leder und Windjacken, schwere Stiefel und Gummistiefel, Wollmützen, Handschuhe, Ohrenschützer und dicke Mäntel.
Wir fügen hinzu, dass es nicht erlaubt ist, aus England nach Kanada Geld zu senden oder auf irgendeine Weise zu transferieren. Hingegen sind gelegentliche Geldsendungen nach Australien möglich.
Der tschechoslowakische Staatsrat
Im Dezember ist zum ersten Male der von Präsident Dr. Edvard Benes einberufene tschechoslowakische Staatsrat
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in London zusammengetreten und mit einer Kundgebung des Präsidenten eröffnet worden, in der gesagt wurde, dass sich auch die britische Regierung nicht mehr an das Münchener Abkommen gebunden betrachte. Zum Vorsitzenden des Staatsrates wurde der frühere tschechoslowakische Eisenbahnminister und stellvertretende Ministerpräsident Rudolf Bechyne[11], ein tschechischer Sozialdemokrat, gewählt. Von dem 40 Mitglieder umfassenden Rat sind gegenwärtig nur 32 Mitglieder aktiv und 4 Sitze nur provisorisch besetzt (ausserhalb Englands wohnende Parlamentarier und der Oberstkommandierende der Armee). Vertretern der Sudetendeutschen sind 5 oder 6 Sitze vorbehalten, die aber noch nicht ernannt worden sind.
Deutsche Sozialdemokraten im National Trade Union Club[12]
Kürzlich ist der Beitritt der Gruppe deutscher Sozialdemokraten in England zum National Trade Union Club, Great Newport Street, London, WC2 (nahe Leicester Square) erfolgt. Es ist dadurch deutschen Sozialdemokraten in London möglich geworden, Mitglieder des Clubs durch Anmeldung beim Londoner Repräsentanten der deutschen sozialdemokratischen Partei (W. Sander, 33, Fernside Avenue, London, NW 7) und Zahlung eines Jahresbeitrages von 1 sh zu werden. Mitgliedern stehen die Klubräume in der Great Newport Street täglich bis 11 Uhr abends offen, und sie haben Zutritt zu den Klubveranstaltungen (Mittagessen mit Vorträgen, gesellige Nachmittage usw.). Im Klubhaus befinden sich Sitzungszimmer und Räume für Sonderveranstaltungen.
Die Geldsammlung des Intern[ational] Sol[idarity] Fund
für die internierten deutschen Sozialisten und Gewerkschaftler brachte dank der Hilfe der Labour Party und der Trade Unions bis Weihnachen einen Gesamtbetrag von £ 228/--/--, sodass im Dezember an 66 Internierte ein Geldbetrag und an 52 Internierte Lebensmittelpakete geschickt werden konnten.
Seit Beginn der Geldsammlung im Juli wurden aus den gesammelten Beträgen 590 Unterstützungsfälle erledigt.
Da auch in den kommenden Monaten Unterstützungen gezahlt werden müssen, wird die Sammlung fortgesetzt. Sammellisten sind in Room 62, Bloomsbury House, Bloombury Street, London WC1, erhältlich (Tel: MUS 2900).
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Das Schicksal der Flüchtlinge in Frankreich
Wie wir erfahren, ist der Grenzübergang nach Spanien für Flüchtlinge aus Frankreich in letzter Zeit weiter erschwert worden. Trotzdem ist es einer Reihe unserer Genossen möglich gewesen, Frankreich zu verlassen.
Flüchtlinge, die in den südfranzösischen Internierungslagern festgehalten werden, können, wenn sie ein amerikanisches Visum erhalten, damit rechnen, dass sie in ein Auswanderungslager überführt werden und dass sie, sobald sie die Ausreise-Erlaubnis der französischen Polizei erhalten, das Land legal verlassen können. Das amerikanische Hilfswerk für die politischen Flüchtlinge in Frankreich geht weiter, trotz der erhöhten Schwierigkeiten, die vor allem durch das Steigen der Fahrpreise nach den Vereinigten Staaten entstanden sind.
Nach uns zugegangenen Mitteilungen hat vor einiger Zeit eine von der Nazi-Regierung entsandte Kommission die südfranzösischen Internierungslager besucht und dort eine Befragung der Internierten vorgenommen. Sie wurden in "Arier" und "Nichtarier" eingeteilt und an die Arier wurde die Frage gerichtet, ob sie nach Deutschland zurückkehren möchten. Denen, die sich dazu bereit erklärten, wurde gesagt, dass sie nicht in ihren früheren Wohnort in Deutschland, sondern in eins der neu ans Deutsche Reich angegliederten Gebiete (Westpolen, Elsass-Lothringen) gebracht werden würden.
Begrüssungsabend für die Geretteten in New York
Im Dezember fand in New York ein von der "Sozialdemokratischen Föderation" veranstalteter Begrüssungsabend für die aus Frankreich geretteten Flüchtlinge statt, der von 700 Personen besucht war.
Den Vorsitz führte Gerhart Seger, der Herausgeber der "Neuen Volkszeitung". Es sprachen Dr. Frank Bohn[13], der als Vertreter der sozialdemokratischen "German Labor Delegation" das Hilfswerk in Südfrankreich leitete, J. Weinberg[14], der Vizepräsident des "Jewish Labor Committee", Algernon Lee, der Präsident der "Rand School" und Albert Grzesinski[15], der Vorsitzende der "German Labor Delegation". Namens der aus Frankreich Geretteten sprachen F. Stampfer, Fr. Adler, der frühere Sekretär der Internationale, Eva Lewinski vom ISK[16] und Hermann Kesten[17] für die Autoren.
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Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Hans Vogel, ist vor wenigen Tagen, von Portugal kommend, in London eingetroffen.
Aus Frankreich entkommene Flüchtlinge melden, dass in der Nähe von Grenoble die Leiche Willi Münzenbergs, des ehemaligen Propagandaleiters der Kommunistischen Partei Deutschlands, mit einem Strick um den Hals gefunden wurde. Münzenberg, der in der Emigration als Herausgeber des "Braunbuches" über den Reichstagsbrand, als Verfasser des Buches "Propaganda als Waffe" und als Leiter des Pariser "Carrefour"-Verlages hervortrat, hatte sich zum Fürsprecher der "Volksfront" entwickelt und geriet mit den Stalinisten in Konflikt, als Stalin den Pakt mit Hitler schloss. Er gab dann in Paris die Zeitschrift "Zukunft" heraus, die von dem neuen Kurs Moskaus entschieden abrückte und wurde dafür von den Kommunisten mit Hass und Hohn überschüttet. Die Ursache seines gewaltsamen Todes ist noch nicht völlig festgestellt, lässt sich aber vermuten.
20 Nummern unserer "Sozialistischen Mitteilungen" sind im vergangenen Jahre erschienen. Unsere Freunde spendeten einen Unkostenbeitrag von £ 23/--/-- und wir danken allen Lesern für diese Hilfe und die zahlreichen freundlichen Zuschriften.
Die Herstellungs- und Versandkosten waren jedoch bedeutend höher. Papier, Farbe, Wachsplatten und Porto sind erheblich im Preise gestiegen und werden weiter steigen. Papierknappheit zwingt zur Sparsamkeit.
Wir können deshalb in der Zukunft nur jenen Freunden das Mitteilungsblatt zustellen, die es wirklich wünschen und bereit sind, einen Unkostenbeitrag einzusenden. Dieser ist zu richten an:
Wilhelm Sander, 33, Fernside Ave, London, NW7
Im Dezember gingen folgende Beträge ein: Mr. T. sh 5/-; Hans H. sh2/-; O.L.R. sh 2/6; R. durch Gl. sh 10/-; Mr. L sh 2/-; P.E. sh 6/-. Besten Dank.
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Umschulung und Arbeit für Ausländer
In der Dezembernummer unserer SM hatten wir bereits mitgeteilt, dass auch alle männlichen Ausländer im Alter von über 16 Jahren zu den staatlichen Umschulungskursen zugelassen werden. Es handelt sich um folgende Trainingskurse, die etwa 5-[6] Monate dauern:
Zeichnen, Montage, Instrumentenerzeugung, Maschinenbedienung, Stanzen- und Flachmetallbearbeitung. Elektrisch- und Oxy-Acetylene-Schweissen.
Die Kursbesucher erhalten während der Kursdauer einen Taschengeldbetrag, dessen Höhe sich nach dem Alter und der Zahl der versorgungspflichtigen Familienmitglieder des Kursteilnehmers richtet.
Auch die sonstigen materiellen Vergütungen für Kost, Fahrgeld, Unterstützung der Angehörigen ist verschieden und richtet sich u.a. danach, ob die gesamte Familie zum Umschulungszentr[um] übersiedelt.
Alle weiteren Einzelheiten, insbesondere auch die verschiedenen Orte, in denen sich die Train[ee]-Centre befinden, sind in der örtlichen Labour Exchange zu erhalten. Dort sind auch die erforderlichen Applikationen vorrätig, die auszufüllen sind und von der Labour Exchange an die zuständigen Behörden weitergeleitet werden.
Diese Formalitäten nehmen etwa 4 Wochen in Anspruch. Wer an einem Umschulungskurs teilnehmen will, muss sich persönlich bei seiner zuständigen Labor Exchange melden. Nach Beendigung des Kurses wird Teilnehmern eine Arbeit zugewiesen. Falls diese vom ständigen Wohnort nicht täglich erreichbar ist, wird ein Wohnungszuschlag von sh 3/6 pro Nacht (inkl. Sonntag) bezahlt. Falls eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort erhältlich ist, wird zu den Uebersiedlungskosten beigetragen.
Es werden bereits technische Vorarbeiten getroffen, um nach einer gewissen Zeit auch Frauen die Teilnahme an den staatlichen Umschulungskursen unter ähnlichen Bedingungen zu gestatten. Wir werden darüber berichten, sobald die nötigen Entscheidungen getroffen wurden.
Unsere Gewerkschaftsmitglieder können [...] evtl. in besonderen Fällen um Rat [...]fragen. Für ehemalige Mitglieder unserer Gewerkschaften ist die für sie zuständige gewerkschaftliche Adresse: Representative of the German Trade Union. 271c, Willesden Lane, London, NW2.
Issued by the London Representative of the German Social
Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London NW7.
[Beilage zu SM, Nr. 21, 1941] |
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German Social Democrats in USA
When the big American Workers Organisations held their conferences in November of last year, decisions had to be made, by the American workers, not only about their own problems but also about their attitude towards the events in Europe, and the question of assistance for the fighting Democracy of Britain. It is well known that Sir Walter Citrine, the General Secretary of the British Trade Unions, went to America, and that he spoke to the conference of the American Federation of Labor in New Orleans. We wish to inform our readers that also comrade Friedrich Stampfer, the former editor of the Social Democratic paper "Vorwärts" in Berlin and member of the German Reichstag, was invited by William Green, President of the American Federation of Labor, to speak to the conference of the A.F.of L. on behalf of the oppressed German Workers Movement. The New York paper "Neue Volkszeitung" made the following comment: "It is a proof for the understanding of world politics and the far reaching views shown by William Green, President of the A.F.of L., that he continues to regard the exiled German Workers Movement as the only legitimate representative of the masses of German workers. It shows a wise foresight concerning the coming period after this war that the A.F.L. and Mr. Green keep in touch with the Democratic and Trade Unionist German Workers Movement."
The activities of German Social Democrats in USA cannot be reported without mentioning the "German Labor Delegation" which is the Committee set up by leading German Social Democrats in New York. The German Labor Delegation is highly responsible for the great relief work which is done for the political refugees in France and it was due to the efforts of the German Labor Delegation, in connection with the Jewish Labor Committee and William Green, President of the American Federation of Labor that the American authorities granted a considerable number of visas for refugees in France. But the comrades of the German Labor Delegation have not restricted their helpful activities to any section of political refugees. On behalf of the German Labor Delegation, Albert Grzesinski, former Minister of the
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Interior in Prussia, and now chairman of the German Labor Delegation, approached the British Embassy in Washington in order to ask the British Government to improve the conditions of those Anti-Nazi refugees who were interned in Great Britain. The British Ambassador assured Mr. Grzesinski that steps will be taken to speed up the release of a large number of internees, and to improve the conditions of those who cannot be released at present.
The German Labor Delegation is also interested in the conditions of those refugees who were transported to Canada, and we hope that they will assist them as far as possible.
It is the foremost task of our comrades in America to inform the American public opinion on the Fascist danger and on the duty of American Democracy to help in the struggle against Hitler. There was a recent meeting in New York held by the "German American Congress for Democracy", where Dr. Frank Bohn, member of the German Labor Delegation - and its Liaison Officer to the Refugee Organisations in South France - spoke on "Freedom and Democracy", and Konrad Heiden[18], the author of the famous book on Hitler, who escaped from France recently, addressed the meeting.
Gerhart Seger, former member of the German Reichstag, author of the famous book on the concentration camp Oranienburg, and editor of the "Neue Volkszeitung", New York, tours the United States speaking in public meetings and on the wireless.
There is a German speaking group with the Social Democratic Federation of New York. This group arranges lectures, and one of the last lectures was given by Dr. Horst Bärensprung[19], former President of the Police in Magdeburg and member of the Executive of the "Reichsbanner" in Germany. Dr. Bärensprung stayed in China from 1933 to 1940 and was working there for the Chinese Government of Marshal Chiang Kai-Chek. He spoke on "The Conflict in the Far East and the World War" using his personal experience in Far Eastern affairs to explain the connection between them and the struggle of Western Democracy against Fascist Dictatorship.