[Beilage 2 zu SM, Nr. 63/64, 1944]

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KAMPF-FRONT

INNERDEUTSCHLAND




DAS DRITTE REICH AM VORABEND
DER INVASION



Der Vorstand der Sozialdemokratishen Partei
Deutschlands, Sitz London

hat durch seine Vertrauensleute wieder eine Anzahl von Berichten über die Lage in Deutschland erhalten. Die technischen Schwierigkeiten bei der Uebermittlung bringen es mit sich, dass sich diese Berichte nur auf die Zeit bis Ende Mai 1944 erstrecken.

Sie nehmen daher noch nicht Bezug auf die dramatische Zuspitzung der militärischen und politischen Situation des Dritten Reiches, die mit der Invasion im Westen und der russischen Sommeroffensive im Osten begann. Trotzdem sind viele Einzelheiten der Berichte auch heute noch von Interesse, weil sie die wachsende Zuspitzung der inneren Lage Hitlerdeutschlands schon vor der Sommerkrise beleuchten.

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Wir geben nachstehend drei allgemeine Uebersichten wieder, die von Berichterstattern verschiedener Herkunft und verschiedener sozialer Stellung stammen.

Er stammt von einem erfahrenen deutschen sozialdemokratischen Politiker, der seine Feststellungen und Bemerkungen auf eine intime Kenntnis grosser Teile Süddeutschlands in der Vor-Hitlerzeit und auf gute Informationen aus diesen Gebieten Hitlerdeutschlands stützt. Sein Bericht lautet:


Während die Moral der deutschen Truppen an der Front noch ungebrochen ist, wächst in Deutschland die Zahl der Deserteure.

Die schweren Bombenangriffe rufen hier und da Hass gegen die Engländer und Amerikaner hervor, vor allem in den Mittelklassen. Die Ausgebombten fordern fanatisch die Fortsetzung des Krieges, damit ein voller Sieg ihnen ihr verlorenes Eigentum zurückbringt. Die Bevölkerung hält sich im allgemeinen während der Luftangriffe gut.

Die Feuerbekämpfung und die Lebensmittelversorgung sind gut organisiert. Auf der anderen Seite gibt es viele Reibungen und Spannungen in den Bezirken, die die Evakuierten aufzunehmen haben.

In den Städten gibt es genug Lebensmittel, mit Ausnahme von Kartoffeln. Wein ist nicht zu haben, und Bier ist von schlechter Qualität.

Die Mehrheit des Volkes glaubt nicht mehr an den Sieg, ihre Haltung ist apathisch.

Religiös empfindende Leute glauben, dass die Luftangriffe eine Strafe sind, die ihnen wegen der Verfolgung der Juden auferlegt wird.

Der Terror spottet jeder Beschreibung. Oft ist ein Witz über die Nazis die Ursache für eine Hinrichtung.

Die Sozialdemokratische Partei hat illegale Verbindungen über das ganze Reich.

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In Oesterreich und Bayern gibt es starke antipreussische Empfindungen, und hier und da gibt es separatistische Strömungen.

Die Aktivität von Kommunisten in Süddeutschland ist gering.

Die Nazis können nur durch die Armee gestürzt werden, eine Revolution ist unmöglich. Die Entwicklung wird durch militärische Rückschläge gefördert werden.

Eine kräftige Entwicklung nach links ist unter der Jugend zu erwarten, obwohl es natürlich unmöglich ist, die zukünftige Entwicklung vorauszusehen.

In den Nazi-Ordensburgen ist eine Organisation geschaffen worden, die die Aufgabe haben wird, alle Deutschen zu ermorden, die mit den Besatzungsmächten zusammenarbeiten.


Der zweite Bericht
wurde von einem sozialdemokratischen Sudetendeutschen gegeben, der zwei Jahre - von Anfang 1942 bis Mitte April 1944 - in Berlin lebte.

Der Berichterstatter hat in Berlin einige der grossen Bombenangriffe mitgemacht. Er sagt, dass man die englischen und amerikanischen Flieger in ihrer Taktik unterscheiden kann. Die Engländer bomben Ziele, während die Amerikaner die sogenannte Teppichtaktik anwenden, sie legen auf ein begrenztes Gebiet einen Bombenteppich. Die Wirkungen sind furchtbar. Nach den grossen Bombardements konnte man oft nicht ohne Schutzbrille auf den Strassen gehen, oft war noch viele Tage nach den Angriffen eine unglaubliche Staubentwicklung.

Die Stimmung ist klar hitlerfeindlich, auch wenn die Soldaten immer noch kampfbereit sind.

Der Berichterstatter und andere gingen bei Luftangriffen in den Schutzraum einer nahegelegenen Abteilung der Luftschutzpolizei. Dort waren 12 bis 15 Mann untergebracht. Diese waren erst sehr misstrauisch, bis sich einmal eine Gelegenheit ergab, bei der der Berichterstatter seine Gesinnung erkennen lassen konnte.

Da tauten die Soldaten auf und sagten, dass sie alle Hitlergegner seien, bis auf ihren Kommandanten. Einer erklärte offen, dass er nie schiessen werde.

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Der Berichterstatter war ständiger Hörer des ausländischen Rundfunks, vor allem Englands.

BBC gilt als zuverlässiger als Moskau.

Am beliebtesten ist der Atlantiksender, der unglaublich viel gehört werde.

Russland ist auch aus technischen Gründen nicht gut zu hören.

In den Monaten Dezember 1943 und Januar 1944 war in Berlin eine regelrechte Oppositionsbewegung im Entstehen. Der Berichterstatter hatte Verbindung mit Arbeitern von Siemens und Borsig, grösstenteils Sozialdemokraten. Göbbels hatte damals, um den Eindruck der grossen Bombenangriffe zu paralysieren, die Parole verbreitet: Es gibt nur einen Tod, und es ist gleichgültig, ob man an der Front sterbe oder im Hinterland.

Jeder Tod sei gleich ehrenvoll. Das benutzten die politisch bewussten Arbeiter, um zu sagen: Schön, es gibt nur einen Tod, dann können wir auch im Kampf gegen die Nazis sterben. Göbbels, der seine Ohren überall hat, erfuhr von dieser Stimmung. Er startete sofort eine Gegenaktion und benutzte die Aeusserungen Vansittarts zu einer grossen Propaganda gegen England.


Er stellte den Leuten dar, was nach diesen Plänen aus Deutschland werden soll. Ferner wurde wieder mit Russenschreck gearbeitet und erklärt, dass die deutschen Arbeiter erst alles aufbauen müssen, was in Russland zerstört wurde und dass sie dann alle nach Sibirien verschickt werden würden, wo sie elend zugrunde gehen müssten. Diese Propaganda wirkte und lähmte die beginnende Oppositionsbewegung.


Nach allen grossen Luftangriffen gab es Erschiessungen. Die Bespitzelung geht so weit, dass in allen grossen Luftschutzräumen ein oder einige Gestapospitzel sind. Bei einem Bombenangriff im November sind einmal auch etwa 1.000 Ostarbeiter mit zugrunde gegangen.

Die Bevölkerung weiss, dass die Ostarbeiter sehr schlecht behandelt werden, und sie hat Angst, dass sie das einmal wird entgelten müssen.

Es besteht ein deutlicher Unterschied in der Behandlung der Ost- und der Westarbeiter. Die Westarbeiter werden viel besser behandelt und verpflegt.

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Die von der Front aus dem Osten zurückkehrenden Soldaten schimpfen sehr auf die Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten, die ungerecht und grausam mit der Bevölkerung umgeht. Sie sagen, dass dieses Verhalten die Stimmung mehr ungünstig beeinflusse als die Kriegshandlungen selbst.

Die Disziplin in der Armee lässt nach, der militärische Gruss wird oft von den Soldaten unterlassen.

Es gibt viele Deserteure und viele Schwarzlebende.

Durch die Bomberei ist die Verwaltung so durcheinander gebracht, dass es nicht mehr schwierig ist, sich illegal aufzuhalten.


Der dritte Bericht
ist die Wiedergabe der Unterhaltung mit einem deutschen Fabrikanten. Er gibt die Unterhaltung in Form eines Interviews wieder. Die Unterhaltung fand Ende April 1944 statt. Der Unternehmer beschäftigte damals 753 Arbeiter, darunter über 500 Ausländer.

Frage: Wie ist denn die Stimmung bei den Arbeitern, wie ist vor allem ihre Meinung über den Krieg usw. ?

Antwort: Unsere Arbeiter sind, soweit sie Deutsche sind, meistenteils über 50 Jahre alt. Auch die Arbeiterinnen sind meist ältere. Diese Arbeiter waren vor den Nazis fast alle bei den Sozialdemokraten und in den Gewerkschaften organisiert. Ich selbst war bis 1933 Mitglied der Deutschen Volkspartei.
Die Meinung der Arbeiter ist: Wir hätten nichts dagegen, wenn wir nur erst dasselbe hätten wie die Weimarer Republik. Dort konnte man sich doch wenigstens richtig aussprechen. Die heutige Regierung ist allgemein verhasst, vor allen Dingen hasst man die SS und die Gestapo. Von der Arbeitsfront wollen die Arbeiter weg. Sie sagen, sie sei doch nur eine Ausbeuterorganisation für die Nazibonzen. Man muss Schluss machen mit allem, was nach Nazi aussieht und man muss mit den Schuldigen aufräumen.

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Die Meinung über den Krieg ist: Wenn nur erst Schluss wäre! Man erwartet das Ende für November dieses Jahres. Aber dann werden wir abrechnen, sagen die Arbeiter! Auch in den Kreisen des Bürgertums denkt man so. Nur wenige fragen, was nachher kommt.
Bei den Arbeitern ist die Meinung verbreitet, dass die Flüchtlinge, vor allem die Sozialdemokraten, sich schon für Milderungen gegenüber dem deutschen Volk einsetzen werden. Man hofft, dass die Engländer nicht die gleichen Fehler wie 1918 machen werden.
Meine persönliche Meinung ist, dass es jede Regierung nach Hitler schwer haben wird, aber das Volk wird mit jenen gehen, die nichts mit den Nazis zu tun hatten. Die Kommunisten haben sich viel verdorben durch ihre Stellung zu den Nazis bei Kriegsanfang.
Man rechnet mit dem Kommen einer starken Sozialdemokratie. Auch die freien Gewerkschaften müssen wieder errichtet werden, nachdem die Arbeitsfront zerschlagen worden ist.

Frage: Wie ist die Meinung der ausländischen Arbeiter und was gedenken sie nach dem Kriege zu tun?

Antwort: Alle Ausländer ohne Ausnahme erklären auf diese Frage, die ich schon oft mit manchen von ihnen besprochen habe: Wir werden schnellstens in unsere Heimat zurückgehen und uns den Teufel drum kümmern, was die Deutschen machen werden.

Frage: Weiss man etwas von dem Komitee "Freies Deutschland" in Moskau?

Antwort: Die Arbeiter halten die Sendungen für reine Propaganda. Wenn aber hinter dem Komitee tatsächlich eine Koalition zwischen Generalen und Kommunisten stehen sollte, dann wollen sie nichts damit zu tun haben. So denken auch alte KPD-Leute.

Frage: Wie ist die Lebensmittellage in Deutschland?

Antwort: Es ist etwas besser als im letzten Krieg. Wer Geld hat, bekommt noch genug zu kaufen.

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Frage: Glaubt jetzt noch jemand in Deutschland an einen Sieg, und wie denkt man über die Invasion?

Antwort: Die Allgemeinheit glaubt nicht mehr an einen Sieg. In den Kreisen der Nazis hofft man aber, dass es zu einem Kompromiss kommen wird.
Man denkt sich in diesen Kreisen die Entwicklung so: Es wird der deutschen Armee gelingen, die Russen in den Karpaten aufzuhalten. Dann wird man versuchen, mit den Amerikanern und Engländern zu einer Verständigung zu kommen. Andere wieder meinen, Hitler werde neue Waffen anwenden, vielleicht aus Gas.
Meine persönliche Meinung ist, dass es nicht mehr zu einem Kompromiss kommen wird und dass Deutschland schwere Zeiten vor sich hat.
Die Invasion ist das wirkliche Gefahrengespenst. Im Volke ist nicht so grosse Sorge wegen der Ostfront als vor der Invasion.

Frage: Wie reagiert man in Deutschland auf die Judengreuel?

Antwort: Allgemein ist man sich einig in der Verurteilung der Juden- und Kriegsgreuel, aber hier und da wird auch die Meinung vertreten, dass es sich bei den Berichten teilweise um Greuelpropaganda handle.

Frage: Haben Sie keine Angst, sich so offen auszusprechen?

Antwort: So spreche ich nur, wenn ich weiss, ich habe jemand vor mir, der im Konzentrationslager war. Diese Leute sind sicher, sie sind auch in Deutschland die Ruhigsten, aber auch die Entschlossensten. Sie werden den Nazis keinen Pardon geben. Das wissen auch die Nazis selbst. Im Volke sagt man oft, die KZ'ler werden mit den Nazis reinen Tisch machen.

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Ein Monteur aus einer bedeutenden sächsischen Industriestadt berichtet:

Die schweren Luftbombardements, unter denen die verschiedensten deutschen Industriegebiete zu leiden haben, haben eine wichtige Begleiterscheinung, die den Nazis besonders grosse Sorge macht.

Die Angriffe machen nämlich in den betroffenen Gebieten die sonst sehr wirksame Kontrolle der Gestapo unwirksam. Nach einem schweren Bombardement flüchtet ein erheblicher Teil der Bevölkerung einfach. Er kann erst nach und nach wieder registriert werden. Da bei dem Umfang und der Gründlichkeit der Zerstörungen die Angaben der sich Meldenden einfach nicht kontrolliert werden können, haben viele Menschen die Möglichkeit, illegal zu werden. Die Gefahr der Entdeckung ist dabei nicht sehr gross.


Andere Illegale finden die Möglichkeit, sich mit einer neuen Illegalität zu versehen.

Man schätzt die Zahl der sich unter den Ausgebombten befindlichen Illegalen auf viele Zehntausende.

Dieser Zustand verschlimmert sich für die Nazis von Tag zu Tag. Das ist eine schwere Sorge der Nazis, denn diese Desorganisation gefährdet eine der stärksten Stützen des Regimes, den Terrorapparat.


Die Nervosität der Gestapo hat zur Folge, dass überall in Deutschland, vor allen Dingen in den Betrieben, von der Gestapo ständig Leute geholt werden, die niemals wiederkommen und über deren Schicksal nichts zu erfahren ist. Den Angehörigen werden nicht einmal mehr die Aschenurnen zugestellt.

Bei vorsichtigen Nachforschungen in der Umgebung der Abgeholten kann fast immer festgestellt werden, dass es sich um Menschen handelte, die versucht hatten, gegen das Regime zu arbeiten.

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Ein Schwede, der Berlin nach den grossen Luftangriffen
Anfang März 1944 verliess, berichtet:

Die Stadt ist mit einem Gürtel von SS-Truppen umgeben. Die SS-Verbände sind in den weiteren Vororten untergebracht, so in Fürstenwalde, Strausberg, Bernau, Nauen, Oranienburg, Potsdam, Werder, Zossen und Mittenwalde. Sie bestehen fast ausschliesslich aus jungen Leuten. Der Pessimismus ist in allen Lagern der Bevölkerung gross. Er ist am stärksten unter den Arbeitern und den Frauen.

Die Feindschaft gegen das Regime ist gross, aber der Schrecken vor etwaigen Repressalien ist noch grösser. Der Druck des Regimes auf die Bevölkerung wird jeden Tag härter. Erschiessungen für Bagatellsachen sind an der Tagesordnung.

Die Opposition lebt trotzdem. Ein Berliner Arbeiter sagte mir: "Wir haben uns die Nazis genau gemerkt, und wir werden auf Heller und Pfennig zurückzahlen." Diese Aeusserung fiel, obwohl der Mann mich nicht persönlich kannte. Es genügte ihm, dass ich ihm sagte, ich sei ein Schwede.


Ein deutscher Besucher im neutralen Ausland beantwortete
die Frage, warum es in Deutschland bis jetzt
keine revolutionäre Erhebung gäbe:

Der Druck der Gestapo und der SS und der neuerdings wiedererrichteten SA ist so stark, dass jede offene Revolte ausgeschlossen ist.

Es finden immer wieder Demonstrationen statt. Wenn aus diesem Anlass Verhaftungen vorgenommen werden, wird sofort festgestellt, ob die Verhafteten früher in der Arbeiterbewegung tätig waren. Trifft das zu, so werden in vielen Fällen die Betreffenden, ob Männer oder Frauen, erschossen.

Auch in den Kreisen der ausländischen Arbeiter ist man von der Aussichtslosigkeit einer revolutionären Erhebung im gegenwärtigen Zeitpunkt überzeugt.

Soweit Sabotageakte oder Demonstrationen vorkommen, sind inländische und ausländische Arbeiter und Arbeiterinnen im gleichen Mass beteiligt.

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Aus Berlin wird Mitte Mai berichtet:

Es ist bekannt, dass sich in den grössten Orten viele Zehntausende von Deserteuren aufhalten.

Die Vernichtung von zahlreichen Personalakten bei den Luftangriffen hat zur Folge, dass ein schwunghafter Handel mit Personalpapieren von Verschütteten getrieben wird. Die Nazibehörden können dieser Zersetzung der Verwaltung nur dadurch entgegenwirken, dass sie mit den härtesten Strafen, sehr oft mit Todesstrafe, gegen Verstösse gegen irgendwelche Verfügungen und Verordnungen vorgehen.


Ein schwedischer Seemann, der einige Zeit in einem Gefängnis in einer Stadt an der Ostsee verbringen musste, berichtete nach seiner Freilassung und Rückkehr, dass in diesem Gefängnis wöchentlich mehrmals Massenhinrichtungen stattfinden.


Aus Hamburg wird von Vertrauensleuten Anfang dieses Jahres berichtet, dass die Hamburger Polizei zu einem erheblichen Teil durch Polizei aus dem Sudetengau ersetzt wurde. Nach der Auffassung der Nazis hat sich die Hamburger Polizei bei verschiedenen Gelegenheiten - Demonstrationen - nicht genügend forsch benommen.


Aus Berliner Mitteilungen geht hervor, dass in Berliner sozialdemokratischen Kreisen allgemein die Auffassung herrscht, dass die Genossen Max Westphal und Franz Künstler im Gefängnis vergiftet wurden.

Man glaubt auch, dass viele unserer Freunde, die in den letzten Wochen und Monaten spurlos verschwunden sind - besonders nach dem Machtantritt Himmlers - das gleiche Schicksal erlitten haben.

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In Hamburg werden in immer grösserem Umfang geeignete Jungen der Hitler-Jugend in die Waffen-SS überführt. Ausser der körperlichen Eignung ist der Nachweis fanatischer Ergebenheit für den Führer zu erbringen.

Die SS-Truppen werden jetzt nur noch als die Schutzgarde der Nazis an der inneren Front betrachtet.

Der Ausbildungsplan setzt als gegeben voraus, dass die Heimatbevölkerung der natürliche Feind des SS-Mannes ist. Die SS-Mannschaften treten dementsprechend auf, und die Reaktion der Bevölkerung ist ebenfalls dementsprechend. Wo ein SS-Mann erscheint, verstummt jedes Gespräch. In den Wirtshäusern verlassen die Gäste den Raum, wenn eine SS-Uniform sichtbar wird.

In Billwerder, einem schwer bombardierten Stadtteil Hamburgs, stürzten Aufräumungsarbeiter zwei Kochwagen der in der Nähe stationierten SS-Truppen in der Dunkelheit in den Kanal.

Aus Berlin wird Anfang März berichtet:

Die verstärkte Totalmobilisierung der Frauen erzeugt starke Verbitterung. Bisher waren Frauen mit zwei Kindern unter sechs Jahren von der Zwangsarbeit befreit. Damit ist nun Schluss. Diese Frauen werden jetzt in allen Teilen des Reichs zur Zwangsarbeit herangeholt. Man hofft, auf diese Weise zusätzlich 800.000 Arbeiterinnen zu erhalten.


Ein typisches Beispiel der Verfassung der alten Arbeiter, die ihren Arbeitsplatz nicht aufgeben dürfen, ist in einem Brief eines solchen Arbeiters aus Niederschlesien enthalten: In dem Brief heisst es:

"Ich werde nun 68 Jahre und möchte gern ausspannen, aber das Vaterland fordert seinen Tribut. Es ist nur ein Glück, dass Berta (die verstorbene Frau des

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Briefschreibers) das alles nicht mehr mit zu erleben braucht. Paul und Willi (die beiden Söhne des Briefschreibers) liegen in Russland, sie sind gefallen. Ich stehe nun ganz allein. Wir hatten uns doch die Welt einmal anders vorgestellt. Manchmal möchte man verzweifeln."


Es werden nicht nur die letzten Reserven an Arbeitskräften zusammengekratzt, man nimmt alles, was in irgendeiner Weise der Verlängerung des Krieges dienen kann.


Aus Berlin wird Mitte Mai berichtet:

Jetzt werden die Angehörigen der etwa vier Millionen Gefallenen aufgefordert, die Kleider der Gefallenen an die Sammelstellen abzuliefern. Die Aufforderung hatte so gut wie gar keinen Erfolg.

Jetzt werden durch besondere Kommandos die Wohnungen der Angehörigen gefallener Soldaten besucht. Der Versuch, auf diese Weise zu den Kleidern zu gelangen, hat zu heftigen Auseinandersetzungen geführt.

Die Wut der Bevölkerung ist gerade durch diese Massnahme auf das Höchste gesteigert worden.

In Hamburg gelingt es trotz aller Strafandrohungen nicht, die häufigen Friedens-Demonstrationen der Hafen- und Werftarbeiter zu verhindern.

Die Gestapoleute, die während des Schichtwechsels sehr oft auf den Hafenfähren mitfahren, werden im Gedränge einfach festgeklemmt, sodass sie auf den überfüllten Fähren unmöglich feststellen können, wer in den immer wiederkehrenden Ruf "Wir wollen Frieden, nieder mit Hitler" mit einstimmt. Die Nazi-Betriebsobleute haben noch nie eine Meldung gemacht. Man kann immer wieder beobachten, dass Nazifunktionäre an die alten sozialistischen Betriebsräte und Gewerkschafter herantreten, um ein Alibi für die Zukunft zu haben.

[Seite im Original:] - XIII -

In Nürnberg wurde Ende April ein Polizist Kölzsch erschossen, als er nachts in einem Haus Untersuchungen machte. Als daraufhin die Polizei das Haus besetzte, fand sie im Keller eine Druckerei für die illegale Zeitung "Der Durchbruch". Bis zur Stunde hat man das Druckpersonal nicht entdecken können, obwohl sich die Gestapo alle Mühe gibt.

Es wurde aber festgestellt, dass im Mai zwei weitere Nummern des "Durchbruch" herauskamen.

Das Verbreitungsgebiet des Blattes ist neben Nürnberg vor allem Nordbayern.


In Berlin veranstalteten Sozialdemokraten und Gewerkschafter
auch in diesem Jahr eine Maifeier.

Der Bericht darüber an den Vertrauensmann im Ausland kam auf einer offenen Postkarte:

"Berlin, den 6. Mai 1944.
Wir wohnen immer noch in unserer vernagelten Wohnung. Auch einen Ofen haben wir wieder so weit, dass wir ihn benutzen können. Das ist der Kälte wegen eine besondere Freude.
Am Montag haben wir dieses Jahr wieder einen sehr schönen Familienausflug gemacht. Die ganze Familie war wieder einmal beisammen."

(Der erwähnte Montag war der Erste Mai.)




[Spendenaufruf]

Freiwillige Beiträge

zur Deckung der Unkosten

dieser und anderer Vervielfältigungen werden erbeten an

folgende Adresse
:


Wilhelm Sander
33, Fernside Ave., London NW7

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Ein sozialdemokratischer Grenzvertrauensmann

berichtet über seine Eindrücke, die er über die politischen Vorstellungen der innerdeutschen Opposition in Unterhaltungen mit deutschen Seeleuten gewonnen hat:

Wir haben - ausser einem Arbeiter, der in Charkow war - noch keinen Deutschen gesprochen, der ein Wort der Sympathie für den Bolschewismus geäussert hätte. Abgesehen von jüngeren Leuten, die nicht wissen können, was Demokratie bedeutet, sprechen ältere Arbeiter, wenn sie an ein Nachkriegsdeutschland denken, nur von einem sozialdemokratischen Deutschland.

Selbst Leute, die aus dem bürgerlichen Lager kommen, wie Handelsreisende, Ingenieure u.ä., betonen häufig die Notwendigkeit einer starken Sozialdemokratie als der einzigen im Volk traditionell verankerten Bewegung.


In einer Unterhaltung mit Hamburger Seeleuten, die mit der Opposition in Verbindung stehen, wurde von diesen Seeleuten vor allem auf die Tatsache hingewiesen, dass die Nazis die Februar-Erklärung Churchills über die Atlantic-Charter weidlich ausschlachten.

An Anschlagtafeln, Häuserwänden und in den Strassenbahnen hängen Plakate mit dem Text der Churchill-Erklärung und mit dem entsprechenden Nazikommentar.


Solche Erklärungen sind ein dankbares Propagandaobjekt der Nazis, das aus den Menschen zwar auch keine Nazis machen kann, das aber doch den Glauben an die hohen Ideale der Demokratien erschüttert.

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Dieser Gesichtspunkt wird noch besonders durch eine Erklärung unterstrichen, die uns von Vertrauensleuten der illegalen Gruppen in Hamburg übermittelt wurde.


In dieser Erklärung heisst es:


"Vor ungefähr zehn Jahren wurde den früher organisierten deutschen Arbeitern, die wie die offizielle deutsche Statistik selbst zugibt, damals zu Hunderttausenden die Konzentrationslager und Zuchthäuser füllten, der erste Schlag versetzt, als England durch den Abschluss des Flottenabkommens dem Hitler-Regime den Weg für die weitere Expansion ebnete.

Seitdem sind mehr als drei Millionen Antifaschisten von der Gestapo misshandelt worden.

Trotzdem sahen die Arbeiter in den Betrieben und an der Front den Tag kommen, an dem das System im Verlauf der sich nähernden Krise angegriffen werden könnte. Nun kommt wieder ein harter Schlag: die Zerreissung der Atlantic Charter.

Dankbar stürzt sich die Göbbelspropaganda auf dieses unerwartete Geschenk.

Enttäuscht und verbittert überprüfen die Arbeiter nochmals die Lage.

An der Zielsetzung ist nichts zu ändern. Hitler muss gestürzt werden. Aber viele Hoffnungen für die Zukunft sind dahin. Der Krieg wird länger dauern.

Die Millionen Deutscher, die nach den Erklärungen der Alliierten ihrer Heimat beraubt werden sollen, glauben nun, nichts mehr zu verlieren zu haben.

Hitlers Regime vergewaltigte Millionen Europäer - die ersten Opfer waren die deutschen Arbeiter - das begangene Unrecht schreit zum Himmel. Es muss gesühnt werden. Aber was soll dann geschehen? Soll neues Unrecht einer gequälten Welt den ersehnten Frieden verweigern dürfen? Wir können es nicht glauben.

Wir weigern uns, auch nur in Erwägung zu ziehen, dass die Arbeiter Englands und Amerikas, der freien wie der okkupierten Länder so etwas dulden werden."


Abgeschlossen Anfang September 1944

[Seite: - XVI - ]

THE THIRD REICH DURING THE SPRING AND SUMMER OF 1942

HITLERITE GERMANY DURING THE AUTUMN OF 1942

TOTAL WAR IN HITLERITE GERMANY

HITLER'S TOTAL WAR AND THE REACTIONS OF THE GERMAN PEOPLE

AT THE TURNING POINT OF THE WAR (Early Summer 1943)

NAZI DEUTSCHLAND 1943 (Pihl und Fredborg)

GERMANY A BATTLEGROUND

GERMANY AND EUROPE
IN THE POST - WAR - WORLD

Speech delivered by HANS VOGEL
President of the German Social Democratic Party




[Hinweis]


Möglichkeiten und Aufgaben
einer geeinten Sozialistischen Partei in Deutschland
.

Grundgedanken eines Referates von

Erich Ollenhauer

gehalten in einer Versammlung der "UNION deutscher sozialistischer Organisationen in Gross Britannien".



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