FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF). An fast allen Universitäten und Technischen Hochschulen der DDR wurden in den Jahren 1946 bis 1949 besondere Studienanstalten mit eigenständigem Fakultätsrang eingerichtet: die ABF. In Berlin, Leipzig, Halle, Jena, Rostock, Greifswald, Dresden, Freiberg/Sachsen, Zwickau, Cottbus und Schwerin gingen sie aus den früheren „Vorstudienanstalten“ hervor. Die ABF sollten es vor allem Kindern aus Arbeiter- und Bauernfamilien sowie von Angehörigen der sog. werktätigen Intelligenz ermöglichen, sich für ein Studium zu qualifizieren. Die Auswahl der Kandidaten übernahmen dabei spezielle, unter der Leitung des FDGB gebildete Auswahlkommissionen in den einzelnen Kreisen. Gute Chancen, an eine ABF delegiert zu werden, hatte, wer eine abgeschlossene Grundschul- sowie eine erfolgreich absolvierte Berufsausbildung vorweisen konnte und sich außerdem in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder in einer staatlichen Einrichtung durch besondere Arbeitsleistungen hervorgetan hatte, etwa durch aktive Mitwirkung an der Aktivistenbewegung.
Die meisten der ABF gliederten sich in eine gesellschaftswissenschaftliche, eine mathematisch-naturwissenschaftliche und eine medizinisch-landwirtschaftliche Fachrichtung und boten ihren Schülern ein dreijähriges Lehrprogramm an, das mit dem Abitur abgeschlossen wurde. Zwischen 1951 und 1963 absolvierten insgesamt mehr als 33.000 Personen die ABF und qualifizierten sich damit für ein Hochschulstudium, ohne an den regulären Auswahlverfahren der Universitäten teilnehmen zu müssen. Hauptziel der ABF war es, aus den Reihen der vom früheren bürgerlichen Bildungssystem strukturell benachteiligten Arbeiter- und Bauernfamilien möglichst schnell junge, qualifizierte und vor allem politisch loyale Kräfte für die Übernahme von Positionen in der volkseigenen Wirtschaft, aber auch in den Massenorganisationen und im Staatsapparat zu gewinnen. Unter den Gewerkschaftsfunktionären waren Absolventen der ABF besonders zahlreich vertreten. Nachdem das gesamte Hochschulwesen der DDR den Prinzipien der sozialist. Wissenschaft unterworfen worden war, hatten sich die ABF aber weitgehend überlebt. Bis auf zwei Ausnahmen, die ABF an der Bergakademie in Freiberg/Sachsen, an der die Ausbildung in den Fächern Bergbau, Hüttenwesen und Naturwissenschaften weiterhin im Mittelpunkt stand, und die ABF „Walter Ulbricht“ an der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale, an der die Vorbereitung für ein Auslandsstudium stattfand, wurden die ABF bis 1963 sämtlich aufgelöst.
F.S.